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Wahlkampf in England
Streit um "Times"-Interview von Andrea Leadsom

In England bewerben sich zwei Frauen um den Parteivorsitz der Tories und um das Amt des Premierministers. Nun sorgt eine Schlagzeile der "Times" für Aufregung. Andrea Leadsom habe behauptet, sie sei eine bessere Premierministerin als Theresa May, weil sie selbst Kinder hat und May nicht. Leadsom selbst bezeichnete die Schlagzeile als "das Gegenteil von dem, was ich gesagt habe."

Von Bettina Klein |
    Zwei kombinierte Fotos von Theresa May und Andrea Leadsom
    Die Kandidatinnen für die Nachfolge von David Cameron, Theresa May (links) und Andrea Leadsom (AFP)
    "Wer wird die neue Eiserne Lady?", so fragten fast alle Zeitungen am Tag nach der vorläufigen Entscheidung bei den Tories. Kaum ein Wortspiel bleibt unversucht, und klar, "May-ggie" bietet sich natürlich besonders an, unter Verwendung des Nachnamens von Theresa May, die die allermeisten Stimmen der Tory Fraktion bekommen hat. Und der "Daily Telegraph" nahm das Zitat auf die Titelseite, "Willst Du, dass nur etwas gesagt wird, nimm einen Mann. Willst du, dass etwas getan wird, nimm eine Frau." Der Karikaturist bemüht das Golfspiel – "In diesem Club ist nur Platz für Männer", sagt der eine zum anderen. "Eine Frau gehört an die Regierung."
    Die Kolumnistin im linksliberalen "Guardian" bezweifelt indes, dass bei den Tories nun der Feminismus ausgebrochen ist. Auch Thatcher habe wenig für andere Frauen erreicht. Ihr Sieg hat vor allem ihr selbst genutzt, heißt es dort. Keine von beiden konservativen Politikerinnen gehe die sozialen und ökonomischen Probleme wirklich an, vor denen Frauen heute stehen.
    Wenn das stimmt – wie kann man also am besten zwei Frauen gegeneinander ausspielen? Die "Times" versucht es heute morgen entlang der Frage der Mutterschaft. Zumindest wirft Andrea Leadsom der Zeitung dies in scharfen Worten vor. "Eine Mutter zu sein gibt mir einen Vorsprung gegenüber Theresa May" titelt das Blatt. In einem Ton-Mitschnitt, den die "Times" online gestellt hat, hört man, wie sie gefragt wird, ob sie sich als Mutter in der Politik fühle.
    Ja, antwortet sie, aber sie wolle da sehr vorsichtig sein. Und weiter: "Ich will nicht, dass daraus wird 'Ich habe Kinder und sie nicht'. – das wäre furchtbar". Leadsom sagt aber auch, die Tatsache, dass sie Kinder hat, bedeute, dass sie stärker von Zukunftsfragen persönlich betroffen ist, dass für sie dabei mehr auf dem Spiel steht. Und nun diese Schlagzeile. "Widerlich", empört sich Andrea Leadsom auf Twitter, das Gegenteil von dem, was ich gesagt habe, "gutter journalism", Sensationsjournalismus der schlimmsten Art.
    Die Kollegin der "Times", Rachel Sylvester, die das Interview geführt hat, zeigt sich in der BBC verblüfft. Sie habe nach der Mutterschaft gefragt, weil Andrea Leadsom häufig in den TV-Debatten zum Referendum davon gesprochen habe. Sie als Journalistin habe die Person Theresa May gar nicht erwähnt, den Vergleich habe Andrea Leadsom von sich aus aufgebracht.
    Leadsom hat es ausgesprochen - und klar gemacht, dass sie es nicht zum Thema machen möchte. Ist so eine Schlagzeile dann fair? Sie will Premierministerin werden, verteidigt sich die "Times"-Journalistin. Es ist naiv zu glauben, dass so etwas dann nicht thematisiert wird.