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Wahlkampf in Frankreich
Profitiert Marine Le Pen?

So chaotisch wie in diesem Jahr war bisher kein Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich. Die Sozialisten sind gespalten und die Konservativen gehen mit einem angeschlagenen Kandidaten ins Rennen, den sie am liebsten ausgewechselt hätten. Rechtspopulistin Marine Le Pen könnte die Situation für sich nutzen.

Gesprächsleitung: Anne Raith, Deutschlandfunk |
    Sie sehen eine Tribüne und davor eine Menschenmenge auf dem Trocadero-Platz in Paris. Der Politiker François Fillon hält eine Rede.
    Der Politiker François Fillon hält eine Rede auf dem Trocadero-Platz in Paris. (AFP / Jacques Demarthon)
    Nun halten seine Parteifreunde nach einigem Hin und Her doch an François Fillon fest. Trotz Scheinbeschäftigungsaffäre und miserablem Krisenmanagement. Wem nützt die Krise der Konservativen? Dem sozialliberalen Einzelkämpfer Emmanuel Macron? Oder der Rechtspopulistin Marine Le Pen? Was bedeutet das für den ohnehin großen Vertrauensverlust vieler Franzosen in ihre politische Klasse oder für Frankreich und für Europa?
    Es diskutieren:
    • Dr. Claire Demesmay, Programmleiterin, Programm Frankreich / Deutsch-Französische Beziehungen, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)

    • Dr. Sascha Lehnartz, Leiter des Auslandsressorts der Zeitung DIE WELT
    • Michaela Wiegel, politische Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Frankreich

    Zusammenfassung der Sendung:
    "Claire Demesmay hält den konservativen Präsidentschaftsbewerber François Fillon durch seine Affären für nicht mehr glaubwürdig. Die Frage sei, ob er bei der Wahl Ende April nur seine Kernwähler bekomme oder auch andere Wähler gewinne. Fillon sei nach wie vor ein Kompromisskandidat der drei Lager bei den französischen Republikanern. Für Demesmay ist es nicht ausgeschlossen, dass Fillon eine Aufholjagd startet und am Ende noch neuer französischer Präsident wird.
    Demesmay kritisierte die konservativen Republikaner dafür, sich mit ihrer Medien- und Justizschelte dem rechtsextremen Front National anzunähern. Die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen trete wie ein Robin Hood im Kampf mit der Europäischen Union auf, habe aber ein unstimmiges Wahlprogramm. Dennoch komme Le Pen klar in die Stichwahl um das Präsidentenamt.
    Der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron müsste im Falle eines Wahlsieges die Parlamentswahl im Juni abwarten, denn erst dann könne er Verbündete für seine Reformvorhaben gewinnen. Demesmay sagte, sie glaube, dass Macron, der ohne eigene Partei antritt, erpressbar sein könnte. Für Europa und das deutsch-französische Verhältnis wäre er aber die beste Option.
    François Fillons Abstieg sei besonders steil, weil er sich vorher als Saubermann gegeben habe, urteilte Sascha Lehnartz. Fillon fehle ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Seine Partei sei selbst am Boden und böte keine personellen Alternativen zu Fillon. Lehnartz kritisierte, das konservative Lager in Frankreich habe sich zu sehr dem Front National angenähert. Eine inhaltliche Beurteilung des Front National sei schwierig, so Lehnartz, denn "das Programm der Partei ist eher ein erweitertes Thesenpapier".
    Der Mitte-links-Kandidat Macron habe geschafft, was ihm keiner zugetraut hat, nämlich dass seine "En marche"-Bewegung Hoffnung verbreitet, jenseits der etablierten Partien eine vernunftgeleitete, Mitte-orientierte Politik zu machen mit einem Mix aus linken und liberalen Ideen. Allerdings sei Macron bisher "ungetestet", es bleibe ein großes Fragezeichen, was genau er eigentlich wolle: "Wenn Macron gewinnt, dann befinden wir uns auf unkartographiertem Gebiet". Lehnartz prognostizierte, das sowohl bei einem Präsidenten Macron als auch einer Präsidentin Le Pen die politische Landschaft in Frankreich umgekrempelt werde.
    François Fillon ahme US-Präsident Trump nach, so Michaela Wiegel. Fillon schare seine Leute hinter sich, obwohl es in seiner Partei nach den Affären der jüngeren Vergangenheit keine klare Front für ihn mehr gebe. Die Kandidatur sei "jenseits der Kategorien von Moral und Anstand". Es sei aber auch interessant, wie Fillons politische Gegner mit den Enthüllungen pünktlich zur Wahlkampfzeit profitierten.
    Für Wiegel sind die vielen unentschlossenen Wähler die große Unbekannte in der Rechnung. Größter Nutznießer der Krise der Konservativen sei Emmanuel Macron. Aus ihrer Sicht kritisierten der Konservative Fillon und der Sozialliberale Macron sich zu viel gegenseitig, statt die inhaltliche Diskussion mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen zu suchen. So entstehe der Eindruck, das Fillon und Macron unter sich den Gegner von Le Pen in der Stichwahl Anfang Mai ausmachten.
    Wiegel sieht in Macron einerseits einen Politiker, der es in sehr kurzer Zeit geschafft habe, eine dynamische Bewegung auf die Beine zu stellen. Sie vermisse allerdings Aussagen zu Finanzierungsvorhaben und auch zu der Frage, mit welcher parlamentarischen Mehrheit Macron regieren wolle.