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Wahlkampf mit Hundeshow

Die Menschen in Bulgarien klagen über die niedrigen Renten und Löhne und beobachten zugleich die Korruption in der Politik. Ausgerechnet in dieser Stimmungslage wählen die Bulgaren ein neues Parlament. Die Parteien werben derweil auf ungewöhnliche Weise um Zustimmung.

Von Simone Böcker | 10.05.2013
    Wahlkampf einmal anders: In einem Park veranstaltet die bisherige Regierungspartei GERB eine Hundeshow. Einige prachtvolle Exemplare des bulgarischen Schäferhunds werden vorgeführt, auch Besucher dürfen ihre mitgebrachten Lieblinge dem Publikum zeigen. Über allem blickt der zurückgetretene Regierungschef Boiko Borissov von den Wahlplakaten, darunter ist der Spruch "Wir haben den Willen" zu lesen - ein "yes we can" auf bulgarisch. Milcho Vilchev sitzt auf einer Bank und hält einen Luftballon in den Händen. Er hat sich das lange überlegt, wahrscheinlich wird der Rentner GERB wählen:

    "Weil sie mir gefallen. Oder andersherum: Mir gefallen alle anderen nicht, die vorher regierten, die Koalition mit den Sozialisten, der BSP. Alle haben uns angelogen. 68 Jahre bin ich nun alt, und wie kann es sein, dass ich nur 187 Leva Rente bekomme? Das sind 140 Euro. Wie soll ich davon leben?"

    43 Jahre hat der Kartograf an einem Institut gearbeitet. Nach seiner Pensionierung ist er noch einige Jahre Taxi gefahren - Nachtschichten, um dazuzuverdienen. Doch das schafft er mittlerweile nicht mehr. Seine Kinder haben Arbeit im Ausland gefunden und ohne das Geld, das sie ab und zu schicken, ginge es gar nicht.

    "Ich fahre in der Straßenbahn schwarz. Wenn der Kontrolleur kommt, bin ich bereit mich zu streiten oder zu schlagen. Ich fahre ohne Ticket, auch wenn ich weiß, dass das nicht richtig ist. Aber es geht nicht anders. Mit meinen 69 Jahren gehe ich zur Suppenküche, um zu essen. Wissen Sie, was sie dort kochen? Wenn ich Ihnen das zeige, das ist unsäglich."

    Die niedrigen Löhne und Renten waren der Hauptgrund für die Proteste, und sie sind auch bei den Wahlen das wichtigste Thema für die meisten Bürgerinnen und Bürger. Doch sind die Hoffnungen der Menschen gering, dass eine der zur Wahl antretenden Parteien ihre soziale Situation verbessern würde. Korruption und ständige Skandale über veruntreute Gelder haben mittlerweile zum völligen Verlust des Vertrauens in alle Parteien und staatliche Institutionen geführt. Silvia Berova ist Mutter zweier Kinder. Wie viele andere wird auch sie nicht zur Wahl gehen.

    "Ich kann mich mit keiner Partei identifizieren. Ich glaube ihnen nicht, dass sie es wirklich ernst meinen. Diejenigen, die regieren oder regieren wollen, machen das nur aus Eigeninteresse, zur Selbstbereicherung. Momentan ist die Politik ein absoluter Dschungel. Jeder will nur etwas für sich selbst erreichen."

    Das Misstrauen vieler Bulgaren scheint sich durch einen aktuellen Skandal zu bestätigen. Demnach soll der ehemalige GERB-Innenminister Tsvetan Tsvetanov illegal Minister und Beamte abgehört haben. Ebenso sind kompromittierende Tonaufnahmen aufgetaucht: Sie dokumentieren ein Treffen zwischen Boiko Borissov, einem Staatsanwalt und dem ehemaligen Landwirtschaftsminister. Sie reden darüber, wie ein Verfahren gegen den Landwirtschaftsminister abgewendet werden könnte. Politikwissenschaftler Antony Todorov von der Neuen Bulgarischen Universität in Sofia:

    "Dieser jüngste Skandal hätte eigentlich schon jetzt zu Rücktritten und Verhaftungen führen müssen. Das aber passiert bei uns nicht. Niemand schenkt dem große Aufmerksamkeit. Es heißt, das sind sowieso alle Mafiosi, deswegen kommt es nur darauf an, dass uns der bessere Mafiosi regiert. Und so wird sich auch durch diesen Skandal nichts ändern."

    In den Umfragen liegt also weiterhin GERB vorne, dicht gefolgt von der BSP, den bulgarischen Sozialisten. Die Proteste sind abgeebbt, doch könnten sie schon bald wieder aufflammen, davon sind viele überzeugt. Spätestens, wenn das Wahlergebnis zur politischen Blockade führen sollte und die Strompreise nicht sinken werden. Auch Rentner Milcho Vilchev wäre bereit, wieder auf die Straße zu gehen.

    "Ich habe auch an den letzten Protesten teilgenommen. Doch leider ist daraus nichts entstanden und wir sind gescheitert. Warum können wir uns nicht einig werden? Ich werde wieder protestieren. Ich werde die Wahlen abwarten und dann sehen, was passiert."


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