Irene Geuer: Bloß keine Neuwahlen, wenn das nicht erst recht zu Neuwahlen führt. Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert hat gestern erklärt, dass das ständige Wiederholen von es wird eine Große Koalition geben die sicherste Methode sei, sie zu verhindern. Und wenn das tatsächlich passiert, dann wird es wohl Neuwahlen geben. Aber schon wieder Wahlkampf, da stehen alle Parteien mehr oder weniger vor dem Problem der Finanzierung. Die Kassen sind ordentlich geplündert vom letzten Wahlkampf, der erst vor drei Monaten zu Ende gegangen ist. Professor Doktor Sophie Schönberger ist derzeit Staatsrechtlerin an der Uni Konstanz, im kommenden Jahr neue Leiterin des Instituts für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung in Düsseldorf. Ich habe sie vor unserer Sendung gefragt, die Kassen sind leer und in mancher Partei wird ja ein Listenplatz für die Wahl an eine ordentliche Spende geknüpft, wie sehen Sie das?
Sophie Schönberger: Rechtlich gesehen ist das, wenn man das eng verknüpft, auf alle Fälle unzulässig. Was in den Parteien manchmal gemacht wird oder vielleicht auch etwas häufiger je nach Partei, ist, dass es mehr oder weniger ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartungen gibt, dahingehend, dass ein Kandidat, vor allen Dingen ein Direktkandidat im Wahlkreis, sich am Wahlkampf auch finanziell beteiligt. Im eigentlichen Sinne an die Kandidatur knüpfen darf man das aber auf gar keinen Fall. Das ist rechtlich unzulässig. Insofern ist natürlich die Gefahr da, dass jetzt die Begehrlichkeiten der Parteien auch gegenüber den Kandidaten wachsen, aber es darf auf gar keinen Fall hier Druck auf die Kandidaten ausgeübt werden.
"Der ganze Bereich ist eine Grauzone"
Geuer: Aber sie sagen auch, das ist eine Grauzone.
Schönberger: Der ganze Bereich ist eine Grauzone, weil die sogenannten Kandidaten-Spenden und auch die Spenden der Kandidaten selber an den Wahlkampf rechtlich nicht genau geregelt sind. Insofern sind wir da in einem etwas grauen Bereich, in dem tatsächlich auch relativ wenig Transparenz herrscht. Hier könnte man tatsächlich auch von gesetzgeberischer Seite aus tätig werden, um mehr Durchschaubarkeit herzustellen.
Geuer: Es gibt ja auch Politiker, gerade die mit den Direktmandaten, die investieren auch selbst in den Wahlkampf. Manche Zahlen bis zu 120.000 Euro mit anderen Worten, im nächsten Wahlkampf könnten dann die Reichen in der Partei den Ton angeben?
Schönberger: Das ist tatsächlich eben die Gefahr, wenn man sehr stark auf diese Erwartung der Spenden von Kandidaten setzt, dass man dann eine sehr starke Sozialauswahl bei den Kandidaten hat. Alles andere in diesem unausgesprochenen Erwartungsbereich ist dann eine politische Frage, inwiefern auch die Partei sich mit solchem Personal und einer solchen Sozialauswahl an Kandidaten präsentieren möchte.
"Finanzierung des Wahlkampfs über diesen Verein wird bisher nicht transparent gemacht"
Geuer: Die AfD geht ja auch noch einen anderen Weg. Sie lässt sich von einem Verein finanzieren, dem Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Wird der AfD das in einem neuen Wahlkampf helfen, wenn es denn nächstes Jahr einen geben sollte?
Schönberger: Tatsächlich ist das ein sehr problematischer Bereich, wo auch unsere bisherigen rechtlichen Regeln der Parteienfinanzierung an ihre Grenzen kommen, weil diese ganze Finanzierung des Wahlkampfs über diesen Verein, bisher nicht transparent gemacht wird und deswegen an den Regeln für die Parteien, die, wenn auch unter vielleicht defizitären Bedingung, aber ihre Spende offenlegen müssen, hier tatsächlich alles unterlaufen wird. Die Gefahr besteht, dass das auch bei einem neuen Wahlkampf passieren würde. Denn dieser Verein hat in allen letzten Wahlkämpfen, nicht nur im Bundestagswahlkampf, sondern auch auf Landesebene, die AfD mit zum Teil wirklich sehr hohen Beträgen unterstützt.
Geuer: Die OSZE-Beobachter-Kommission zur Bundestagswahl, die hat Ende November ihren Prüfbericht vorgelegt und die Kommission sagt, wir könnten in der Parteienfinanzierung noch nachbessern, zum Beispiel durch eine Obergrenze für Wahlkampfausgaben. Sinnvoll?
Schönberger: Das ist tatsächlich ein schwieriges Feld, solche Obergrenzen für Wahlkampfausgaben gibt es in sehr vielen Ländern. Deswegen ist die OSZE auch zu diesem Vorschlag gekommen, weil es eben in sehr vielen anderen Ländern in Europa und auch in den USA zum Beispiel üblich ist. In Deutschland ist das System der Parteienfinanzierung eigentlich genau anders gestrickt, weil es nicht an den Ausgaben, sondern bei den Einnahmen der Parteien amsetzt, sehr genau drauf schaut und auch kontrolliert - jedenfalls in der Theorie. Dafür aber den Parteien auch die Möglichkeit gibt, so viel auszugeben im Wahlkampf, wie sie eben haben. Wenn man dieses System umstellen würde auf eine Kontrolle auch der Ausgaben, würde das wahrscheinlich zum selben Effekt führen, den wir in anderen Ländern beobachten können, dass da nämlich bei den Ausgaben tatsächlich auch geschummelt wird, und es noch viel stärker als jetzt bei dem schon erwähnten Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit dazu kommen würde, dass es Unterstützer Vereine gebe, die dann Wahlkampf für Parteien machen würden, um diese Ausgabensperre zu umgehen. Also insofern schafft man neue Möglichkeiten der Umgehung und der Verschleierung dann auf diesem Weg.
"Möglichkeiten der Bundestagsverwaltung zu kontrollieren sind nicht besonders ausgeprägt"
Geuer: Sie sprechen da ja auch diesen ganzen Bereich der Kontrolle an. Reicht eigentlich die Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung, die ja auch von einem gewählten Parteipolitiker geleitet wird?
Schönberger: Tatsächlich sind die bisherigen Möglichkeiten der Bundestagsverwaltung zu kontrollieren, auch das hat die OSZE kritisiert, sagen wir mal so, nicht besonders ausgeprägt. Die Abteilung der Bundestagsverwaltung, die das macht, ist personell nicht allzu stark besetzt. Das heißt, investigative Recherchen sind da im Grunde schon rein praktisch nicht möglich. Da ist man größtenteils auf das angewiesen, was die Journalisten, was die Presse ermittelt. Darüber hinaus ist es wie sie schon angesprochen haben so, dass das natürlich auch insgesamt in einem Zusammenhang steht, der auch parteipolitisch besetzt ist. An Spitze der Bundestagsverwaltung steht mit dem Präsidenten,
des Bundestages ein Parteipolitiker, insofern ist es natürlich auch so, dass die gewünschte parteipolitische Neutralität natürlich ein Idealbild ist, das der Praxis nie ganz gerecht werden kann.
des Bundestages ein Parteipolitiker, insofern ist es natürlich auch so, dass die gewünschte parteipolitische Neutralität natürlich ein Idealbild ist, das der Praxis nie ganz gerecht werden kann.
Geuer: Fazit unter allem, sollte es nächstes Jahr einen Bundestagswahlkampf geben, wird er wie der, den wir schon kennen oder wird er anders, wenn nicht mehr so viel Geld da ist.
Schönberger: Er wird auf alle Fälle kürzer, denn die Neuwahl würde jedenfalls unter deutlich verkürzten Fristen stattfinden. Ansonsten ist meine Vermutung, dass alles so ähnlich wird wie bisher. Nur eben nicht ganz so lang.
Geuer: Wahlkampffinanzierung für den Fall von Neuwahlen. Darüber habe ich heute Nachmittag mit Sophie Schönberger gesprochen, Staatsrechtlerin an der Uni Konstanz.