Angesichts der guten Umfragewerte für die SPD sieben Monate vor der Bundestagswahl schlagen CDU und CSU einen schärferen Kurs gegenüber dem Noch-Koalitionspartner ein. In der Unionsfraktion kursiert ein von Unionspolitikern im Europaparlament erstelltes, mehrseitiges Dossier, in dem Schwachstellen von Martin Schulz aufgelistet und teils persönliche Vorwürfe gegen den SPD-Kanzlerkandidaten erhoben werden. Die Sozialdemokraten reagierten darauf nun mit Empörung.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner warf der Union wegen ihrer Attacken "Barschel-Methoden" vor, in Anspielung an den früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel, der seinen SPD-Kontrahenten Björn Engholm hatte bespitzeln lassen. Man kenne das bereits, so Stegner in der "Bild am Sonntag", "dass die CDU, wenn es für sie eng wird, zu solchen Methoden greift: Haltlose Gerüchte verbreiten in der Hoffnung, dass was hängen bleibt." Auch via Twitter äußerte er sich:
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte, die Unionsparteien schlagen "gerade wahllos um sich". Es werde ihnen aber nicht helfen, "mit Schmutz zu werfen", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
In den kursierenden Papieren wird Schulz unter anderem vorgeworfen, während seiner Brüsseler Zeit nicht sauber zwischen seinem Amt als Parlamentspräsident und Parteipolitiker unterschieden zu haben. Zudem soll er Vertraute mit einflussreichen Posten versorgt haben. In einem anderen Papier wird Schulz ein "Lebensstil der Oberklasse" sowie ein Hang zu Populismus vorgehalten. Mehrere Medien zitieren aus den ihnen vorliegenden Papieren. Der Deutschlandfunk hatte bereits am Freitag darüber berichtet.
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte die Union in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vor einem "Schmutzwahlkampf". Er wandte sich zudem gegen Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Schulz in Sachen Populismus mit US-Präsident Donald Trump verglichen hatte.
Tauber: Schulz hat kein politisches Programm
"Kein Mensch weiß, wofür der Kandidat Schulz steht", erklärte dagegen CDU-Generalsekretär Peter Tauber in der "Welt am Sonntag". Er verwies dabei insbesondere auf die Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. "Sich bei Twitter und Facebook feiern lassen, ersetzt noch kein politisches Programm."
Armin Laschet, der CDU-Spitzenkandidat in NRW kündigt an: "Ab jetzt werden wir Schulz stellen." Via Twitter schrieb er:
Kauder: Schulz war als Parlamentspräsident nicht immer überzeugend
Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, äußerte in der "Passauer Neuen Presse", Schulz werde in den kommenden Monaten Farbe bekennen müssen. Wenn Schulz behaupte, in Deutschland gehe es nicht gerecht zu, dann sollten die Sozialdemokraten Missstände beenden. Kauder kritisierte Schulz zudem mit Blick auf sein früheres Amt als Präsident des Europaparlaments: "Das war nicht immer alles sehr überzeugend, um es einmal zurückhaltend auszudrücken."
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hielt Schulz in der Zeitung "Die Welt" vor, Deutschland als sozial gespaltenes Land zu beschreiben. "Jetzt so zu tun, als habe er mit all dem nichts zu tun, ist unredlich und wenig glaubwürdig." Schulz sei das am längsten amtierende SPD-Präsidiumsmitglied.
Kritik schlägt Schulz auch in den Medien entgegen. So beschreibt F.A.Z.-Herausgeber Holger Steltzner die Strategie von Schulz in einem Kommentar als "Fake-News-Wahlkampf". Im "postfaktischen" Zeitalter interessierten Tatsachen nicht mehr. Schulz schüre mit alternativen Falschmeldungen "im Wahlkampf die Stimmung, die in der Politik oft Fakten ersetzt". Weiter heißt es: "Treue Medien jubeln ihn zum Sankt Martin hoch, weil sein Versprechen, von den Reichen das Geld für mehr Umverteilung zu holen, das Herz vieler Journalisten erwärmt. Die Mittelschicht brauche keine Steuersenkung, die Leute hätten von "ein paar Euro mehr" nichts, hatte Schulz zum Auftakt seiner Kampagne gesagt."
Seitdem die SPD Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen hat, steigt sie Umfragen zufolge in der Gunst der Wähler. Nach jüngsten Zahlen liegen die Sozialdemokraten mittlerweile mit der Union gleich auf oder nur einen Prozentpunkt dahinter. Im Direktvergleich der beiden Kandidaten von SPD und CDU/CSU liegt Schulz sogar deutlich vor Bundeskanzlerin Merkel.
(kis/tgs)