Wissenschaftsjournalist Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber
Manfred Kloiber: Mein Kollege Jan Rähm war bei einigen dieser Themen dabei. Jan, was war dieser Tage los und was gibt es Neues?
Jan Rähm: Wir hatten ja in der Woche zum Beginn der IFA die sogenannte Vectoring-II-Entscheidung der Bundesnetzagentur, die besagt, dass der Ausbau der bestehenden Kupfernetze mit dem umstrittenen Verfahren losgehen kann. Diese Entscheidung prägte dann die nächsten Tage.
In dieser Woche trafen sich dann zunächst die Macher der Digitalen Agenda beim Branchenverband Eco, um ein Resümee nach zwei Jahren zu ziehen. Am Tag darauf versammelten sich dann die Mitbewerber der Telekom beim gemeinsamen Symposium Breitbandpolitik der Verbände Breko, VATM, Buglas und ANGA sowie des Fibre to the Home Council Europe.
Kloiber: Und was kam raus bei den Veranstaltungen?
Rähm: Ja das haben ich und die Kollegen vor Ort auch überlegt. Wir waren uns einig: Der Wahlkampf im Bereich der Digitalthemen hat begonnen und der Streit ums Vectoring ist mit der vorliegenden Entscheidung noch lange nicht vorbei.
Kloiber: Wollen wir uns beide Punkte jetzt im Detail anschauen. Beginnen wir mit der Digital-Politik und dem Breitbandausbau.
Branchenverband Eco: Nur 40 Prozent der Digitalen Agenda sei umgesetzt
Drei Minister auf einer Bühne und später noch zwei Staatsminster - solch eine Ballung an Prominenz ist selbst im politischen Berlin selten anzutreffen. Vor allem nicht auf einer Veranstaltung eines Branchenverbandes. Der Verband der Internetwirtschaft Eco hat es dennoch geschafft. Und so saßen Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, Innenminister Thomas de Maizière und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt einträchtig zusammen und zogen eine Bilanz ihrer Digitalen Agenda.
Alle drei waren sie sich einig, man habe eine Menge geschafft. Ob IT-Sicherheitsgesetz oder mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber: Man sei auf einem guten Weg. Ein bisschen Selbstkritik gab es auch. So übernahm der Innenminister für einen Moment selbst die Rolle der Opposition, die nicht mit auf der Bühne saß:
"Und wo ich einen Mangel sehe - öffentliche Verwaltung - da sind wir einfach noch nicht gut genug."
Dass es einiges an der Digitalen Agenda zu kritisieren gibt, das zeigte sich anhand einer Auflistung des Gastgebers Eco. Der setzte 45 der Agenda-Punkte auf den Prüfstand und resümierte: 40 Prozent umgesetzt, 60 Prozent noch nicht erreicht. So gebe es noch dringenden Handlungsbedarf in Sachen Urheberrechte und Datenschutz. Allen voran hapere es aber weiter bei der Infrastruktur, so das Eco-Vorstandsmitglied Oliver Süme, zuständig für Politik und Recht:
"Ich hoffe, dass wir die 50 Megabit bis 2018 schaffen. Gleichzeitig sagen wir als Verband jetzt schon, wir brauchen viel mehr. Wir brauchen Gigabit bis 2025. Und wenn wir uns angucken, wo wir im internationalen Vergleich da stehen, dann merken wir, dass wir schon Gefahr laufen, dort abgehängt zu werden."
Die Opposition, die erst tags drauf bei den Branchenverbänden zum Breitband-Symposium eingeladen war, kritisiert den aktuellen Breitband-Ausbau und die gesetzten Ziele ebenfalls. Tabea Rößner von den Grünen:
"2018, 50 Megabit pro Sekunde, das ist einfach zu kurz gedacht, das kann nur ein Zwischenziel gewesen sein. Aber man sieht ja sehr deutlich, dass der Breitbandausbau nicht so vorankommt, wie er vorankommen müsste."
Dobrindt: "Gigabit-Gesellschaft 2025 ist mir ein bisschen zu wenig ambitioniert"
Auch die FDP meldete sich beim Thema Breitband zu Wort. Schließlich will sie im nächsten Bundestag wieder vertreten sein. Parteichef Christian Lindner befürchtet, dass, komme der Ausbau der Netze nicht schnell genug voran, nicht nur die Bürger, sondern auch die Wirtschaft darunter leiden würden. Infrastrukturminister Dobrindt hatte kurz vor der Eco-Veranstaltung gerade frische Förderbescheide überreicht, findet den Ausbau eigentlich ganz gelungen. Ein bisschen mehr Internet wäre in Zukunft aber natürlich gut, so Dobrindt:
"Der Breitbandausbau, auch der ist erfolgreich, wobei ich ihnen sagen muss, wir haben eigentlich schon fast vor drei Jahren in den Koalitionsverhandlungen dieses Ziel 50 Megabit aufgeschrieben. Wenn wir uns drei heute zusammensetzen würden, würden wir doch kein Ziel 50 Megabit mehr aufschreiben. Daran sieht man auch, welche Dynamik da drin steckt. Wir würden natürlich viel weiter gehen. Und darum sage ich Ihnen auch ganz offen, Gigabit-Gesellschaft 2025 ist mir ein bisschen zu wenig ambitioniert."
Als Vorreiter beim Ausbau der Netze sieht sich die Deutsche Telekom. Sie habe schließlich schon heute mit weitem Vorsprung das umfangreichste Glasfaser-Netz in Deutschland. Auch die Vectoring-Technik treibe den Glasfaserausbau voran, so Niek Jan van Damme auf der IFA-Pressekonferenz des Unternehmens:
"Ich bedaure auch persönlich sehr, dass unsere Wettbewerber so viel gemacht haben, um diesen Schritt nach vorne zu verhindern. Ich glaube, wir haben wirklich viel Zeit verloren, das ist total schade. Das sehr lange Regulierungsverfahren, auch sehr schwierige Schritte mit Brüssel, haben dazu geführt, dass die Kunden leider länger warten müssen."
Vectoring-Ausbau könnte sich weiter verzögern
Wissenschaftsjournalist Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber
Kloiber: Herr Rähm, die Entscheidung ist nun da, geht es jetzt ganz schnell mit dem Vectoring-Ausbau?
Rähm: Wahrscheinlich nicht. Es war bereits in den vergangenen Wochen zu hören, man wolle klagen. Dass ist jetzt sicher: Mir gegenüber haben eine ganze Reihe Telekom-Wettbewerber bestätigt, sie wollen gegen die Entscheidung den Rechtsweg einschlagen.
Vor allem wollen die Unternehmen den sogenannten vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Das hieße, stark vereinfacht ausgedrückt, der Vectoring-Ausbau würde auf Eis gelegt, bis eine Entscheidung gefallen ist. Schaut man sich andere Klagen in diesem Bereich an, könnte es sein, dass der Vectoring-Ausbau erneut um Jahre verzögert wird.
Kloiber: Wird damit das Breitbandziel der Bundesregierung - eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2018 - gefährdet? Was wollen die Mitbewerber erreichen?
Rähm: Das Ziel könnte auch ohne Vectoring erreicht werden, aber eben kaum was darüber hinaus, also auf Kupfer-Basis. Aber, wir haben es eben gehört, auch die Politik hat erkannt, dass diese Mindestziele eigentlich schon überholt sind und perspektivisch weit höhere Bandbreiten gebraucht werden.
Und da kommen wir auch zu dem, was die Mitbewerber erreichen wollen: Die wollen nämlich einen Ausbau mit vorrangig Glasfaser ohne befürchten zu müssen, dass ihnen günstig getuntes und per Dekret bevorzugtes Kupfer das Geschäft kaputt macht.
Die Unternehmen und Verbände fordern ganz klar: Die Bundesregierung müsse auf zukunftsfähige Netze setzen statt alte Technologien künstlich am Leben zu halten.
Landwirtschaft durchläuft gerade enormen digitalen Wandel
Kloiber: Wollen die Mitbewerber der Telekom damit auch die Förderung für ihren Netzausbau erreichen?
Rähm: Das gar nicht mal. Die Unternehmen und Verbände betonen sehr deutlich, sie wollen für den normalen Ausbau gar keine Förderung.
Wenn gefördert würde, sagen sie, dann sollte dort das Geld hinfließen, wo sich der eigenwirtschaftliche Ausbau nicht lohne. Man spricht von Deckungslücken. Die gibt es gerade im ländlichen Raum, wenn auch der letzte Bauernhof ans Netz soll und in den Verteilernetzen im Hintergrund.
Und der Bauerhof ist kein Witz, auch das wurde in Berlin deutlich. Etwas unbemerkt von der Öffentlichkeit durchläuft nämlich gerade auch die Landwirtschaft im Moment einen enormen digitalen Wandel.
Es gibt noch eine große Forderung, die unisono genannt wurde: Die Förderung solle transparenter werden. So sei aktuell oft unklar, in welche Modelle investiert werde und vor allem, welche Unternehmen im Endeffekt profitieren würden.
Kloiber: Nun hat, wie wir gehört haben, Minister Dobrindt noch leistungsfähigere Netze gefordert. Gigabit bis 2025 würde nicht reichen. Was sagen Verbände und Unternehmen dazu?
Rähm: Ganz kurz: Nicht viel. Dass aktuelle Ziele nicht reichen, ist allen klar. Aber sie betonen: Wahlkampfgetöse und überzogene Forderungen seien angesichts des schleppenden Ausbaus in Deutschland fehl am Platz.
Man solle - und die Unternehmen sagen, man wolle auch - statt großer Ziele hauruck lieber kontinuierlich und vor allem flächendeckend ausbauen.