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Wahlkampf und Friedensprozess
Kolumbien geht polarisiert in die Wahl

Nach fünf Jahrzehnten des kolumbianischen Bürgerkriegs hat das Gros der Guerilleros der FARC die Waffen niedergelegt. Doch wirft die inzwischen als politische Partei operierende FARC der Regierung vor, viele Abmachungen aus dem Friedensabkommen nur zögerlich umzusetzen. Am 27. Mai wird nun ein neuer Präsident gewählt.

Von Burkhard Birke |
    Anhänger der Farc demonstrieren gegen die Festnahme des früheren Funktionärs Jesus Santrich.
    Anhänger der Farc demonstrieren gegen die Festnahme des früheren Funktionärs Jesus Santrich. (AFP / Raul Arboleda)
    Enttäuscht sei sie nicht, aber in höchstem Maße besorgt. Victoria Sandino, ehemals Verhandlungsführerin der FARC in Havanna, läutet die Alarmglocken und appelliert an die internationale Gemeinschaft. Fast 300 Menschenrechts- und Gewerkschaftsaktivisten sowie Ex Geurilleros sind seit dem Friedensschluß ermordet worden.
    Annähernd 12.000 Kämpfer der FARC haben ihre Waffen niedergelegt, wollen zurück in ein normales Leben, fühlen sich jedoch allein gelassen und bedroht.
    "Die Umsetzung des Friedensabkommens war nicht effizient. Der Staat ist seiner Verantwortung nicht richtig nachgekommen weder bei unserer Wiedereingliederung in die Gesellschaft, noch bei der Bereitstellung von Agrarfläche für die Bewirtschaftung. Er hat auch nicht für eine menschenwürdige Unterbringung für die Zeit gesorgt, in der wir uns politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und sozial entwickeln möchten."
    Ehemalige FARC-Kämpferin wird Senatorin
    Zwei Jahrzehnte hat Victoria Sandino im Urwald mit der Waffe gekämpft, vier Jahre in Havanna den Frieden mit ausgehandelt. Ab Juli wird sie als Senatorin für die FARC, was nicht mehr für revolutionäre Streitkräfte - sondern für alternative revolutionäre Kraft Kolumbiens steht, mit ihrer Stimme statt mit der Waffe für mehr soziale Gerechtigkeit kämpfen. Juanita Goebertus saß ihr auf Regierungsseite bei den Verhandlungen in Havanna zeitweise gegenüber.
    "Es ging ja nicht nur darum, die Waffen zum Schweigen zu bringen, sondern die Ursache des so langwierigen Konfliktes zu beseitigen. Das heißt, die Kluft zwischen Stadt und Land zu schließen, politisch anders zu agieren, neue Wege im Kampf gegen die Drogen zu gehen und den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Umsetzung all dieser Abmachungen steht, wenn überhaupt, erst am Anfang. Sie zu blockieren würde die Nachhaltigkeit des Friedensprozesses ernsthaft gefährden", glaubt Juanita Goebertus und macht als künftige Abgeordnete der Grünen indirekt Wahlkampf für den unabhängigen Kandidaten Sergio Fajardo.
    Denn der zurzeit aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat- Ivan Duque - droht die weitere Umsetzung des Friedensprozesses oder Teile davon zu blockieren. Vor dem Hintergrund der Krise im Nachbarland Venezuela warnt er vor katastrophalen Zuständen durch eine linke Ideologie des ‚Castro- Chavismus‘.
    Als Gegenpol steht mit Gustavo Petro unter anderem ein nicht ganz chancenloser Kandidat zur Wahl, der ganz früher auch einmal der Guerilla angehört hat.
    Am 27. Mai wird nun ein neuer Präsident gewählt
    Kolumbien geht extrem polarisiert in die Wahl, wobei Bildung, Gesundheit und Wirtschaftsthemen die Debatte dominieren. Der von kriminellen Banden, Paramilitärs und offensichtlich auch von abtrünnigen FARC-Kämpfern betriebene Dorgenanbau und -handel indes floriert mehr denn je. Mit Jesus Santrich sitzt jetzt ein führendes Mitglied der FARC wegen angeblichen Drogenhandels in Haft. Die FARC sieht darin einen Verstoß gegen die im Rahmen des Friedensabkommens gewährte Amnestie- und Sonderjustizregelung. Die Grünenpolitikerin Juanita Goebertus differenziert:
    "Wenn bewiesen wird, dass Santrich sich neuer Vergehen schuldig gemacht hat, dann verliert er die Ansprüche aus dem Abkommen und kann auch ausgeliefert werden."
    Bislang lehnt der Oberste Gerichtshof die Auslieferung an die USA ab. Die Causa Santrich sowie Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit internationalen Hilfsgeldern werfen Schatten auf einen Friedensprozeß, der vielen als beispielhaft galt.
    "Es gibt kein Zurück mehr," glaubt dennoch die Ex-Guerillakämpferin Victoria Sandino, "wir werden keinen Krieg mehr führen. Deshalb ist der Prozess unumkehrbar. Ob er ein Erfolg wird, hängt jedoch vom politischen Willen der nächsten Regierung und von der internationalen Unterstützung ab."