Moderator: Herzlich Willkommen hier in Bitterfeld-Wolfen, wie fühlt es sich hier an?
Merkel: Ich freu mich natürlich……
Für Kanzlerin Merkel war der Ausflug nach Bitterfeld - in die einst dreckigste Stadt Europas - wohl einer der etwas schwierigeren Wahlkampfauftritte. Gilt doch Bitterfeld als AfD-Hochburg. Bereits vorab hatte der AfD-Kreisverband Anhalt-Bitterfeld zu Protesten gegen den Auftritt der Kanzlerin aufgerufen. Sodass es fast zu erwarten war, dass Merkel am gestrigen späten Nachmittag in Bitterfeld mit vielen Pfiffen und heftigen Buh-Rufen empfangen wurde. Weshalb zu Beginn der Veranstaltung Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff der Kanzlerin sofort zur Seite sprang:
"Und den Wenigen, die jetzt die Trillerpfeifen nehmen, denen kann ich nur sagen: Dieses Land würde nicht so aussehen, wenn es die CDU nicht gegeben hätte und wenn wir nicht Angela Merkel viele Jahre als Bundeskanzlerin gehabt hätten."
Viele Menschen sind frustriert
Etwa 1.500 Menschen – darunter viele AfD-Protestierer - waren an den Stadt-Strand der Goitzsche gekommen. Ein geflutetes Tagebauloch, ein riesiger idyllischer See am Stadtrand von Bitterfeld. Bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und 30 Grad sah man Segelboote über das Wasser schippern, die Wellen plätscherten sanft gegen die Ufer-Mauern. Die Öko-Katastrophe, sie trug zu DDR-Zeiten den Namen Bitterfeld. Von alldem ist heute nichts mehr zu ahnen. Kein Dreck, kein Gestank. Dennoch ist die Resignation, das Gefühl abgehängt zu sein, in der Region um Bitterfeld groß.
Weshalb die AfD bei der letzten Landtagswahl 2016 in Bitterfeld aus dem Stand 31,9 Prozent der Stimmen eingefahren hat. Dass sich nun Merkel für einen der beiden Wahlkampfauftritte in Sachsen-Anhalt gerade diese Stadt ausgesucht hat, nannten Mitglieder der Landes-CDU - wie der Europaabgeordnete und Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze – einen durchaus "mutigen Schritt".
"Wir finden es gut, dass die Kanzlerin hierher kommt, wo es vielleicht auch mal ein bisschen weh tut, wo es nicht ganz so einfach wird."
Bundeskanzlerin geht durch die Menge
Merkel zeigt Flagge. Und kommt nicht klammheimlich von hinten auf die Bühne, sondern geht zusammen mit ihrer Entourage mitten durchs Publikum. Den "Merkel muss weg"-Rufern, den AfD-Fahnenschwenkern schaut sie dabei direkt in die Augen.
Auf handgeschriebenen Plakaten kann die CDU-Vorsitzende unter anderem lesen: "Grundgesetz vor Merkel schützen" oder "Früher war ich CDU-Wähler, heute möchte ich Frau Merkel vor Gericht sehen". Doch lässt sich die Bundeskanzlerin in Bitterfeld davon kaum beeindrucken, nicht aus der Ruhe bringen; stattdessen würdigt sie die Aufbauleistung der Menschen in Ostdeutschland.
"Hier im Chemiedreieck ist ja einiges wieder erstanden. Dank des Fleißes, Dank des Mutes von Menschen, die nicht resigniert haben, die nicht einfach geschrien und gebrüllt haben, sondern die angepackt haben."
Merkels Fingerzeig: Wer die blühenden Landschaften sehen will, der muss nur nach Bitterfeld fahren.
Als die Kanzlerin Steuererleichterungen für kleine Einkommen versprach, schwoll der Protest an. Viele riefen lautstark "Lüge" und "Hau ab". Unter den Störern waren AfD-Landtagsabgeordnete, darunter auch Volker Olenicak. 2016 erhielt er 33,4 Prozent der Stimmen und lies die CDU weit hinter sich.
"Wenn man als Bundeskanzlerin an viele Orte in Deutschland kommt, um logischerweise Wahlkampf zu machen. Und ich erfahre immer wieder derartige Ablehnung, dann sollte sich Frau Merkel mal Gedanken machen, ob da nicht was falsch läuft."
Merkel: Keine Koalition mit der AfD und den Linken
Seitens der CDU-Anhänger gibt es während des Auftritts der Kanzlerin viel Applaus, insbesondere als Angela Merkel die Positionen der Christdemokraten zur Familien- und Bildungspolitik formulierte, sich zum Erhalt der EU positionierte.
"Wir sagen klar, keine Koalition mit der AfD und keine Koalition mit den Linken, meine Damen und Herren."
30 Minuten dauert die etwas spröde Standard-Wahlrede, am Ende bekam Merkel den obligatorischen Präsentkorb, aber auch Bernstein geschenkt, der ansonsten tief unten auf dem Grund des Bitterfelder Goitzsche-Sees lagert. Es schien, als ob die Organisatoren keine Mühen gescheut haben, um die vielen Buh-Rufe, die widrigen Umstände im AfD-Stammland Bitterfeld vergessen zu machen, ja zu entschuldigen.