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Wahlkampfendspurt in Österreich
Kopf-an-Kopf-Rennen der Kandidaten

Ein Grüner, eine Parteiunabhängige und ein FPÖ-Kandidat: Bei der Präsidentschaftswahl in Österreich liegen drei Kandidaten laut Umfragen Kopf an Kopf. Alle drei wären als Präsident ein Novum für das Land - und richtungsweisend in Bezug auf die künftige Grundstimmung in Österreich. Klar ist bereits jetzt: Die Zeiten der Vorherrschaft von SPÖ und ÖVP sind vorbei.

Von Ralf Borchard |
    Wahlplakate der österreichischen Präsidentschafskandidaten Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Alexander Van der Bellen (Grüne) in Wien.
    Wahlwerbung für die Österreichischen Präsidentschaftswahlen: Alexander van der Bellen, früher Parteichef der Grünen, ist zurzeit knapper Favorit. (picture alliance / dpa / Christian Bruna)
    Für Spannung ist gesorgt im Wahlkampfendspurt um die Hofburg. Drei Kandidaten liegen laut Umfragen Kopf an Kopf - entsprechend dramatisch die Musik zum Auftakt der großen Fernsehdebatte im ORF. Alexander van der Bellen, früher Parteichef der Grünen, ist knapp Favorit. Doch er betont:
    "Platz eins, zwei, drei können sehr knapp beieinander liegen, ich glaub, da sind wir uns einig. Da kann's um wenige hundert Stimmen gehen im Ernstfall."
    Van der Bellen blieb bei seiner Haltung, die seit Wochen für Zündstoff sorgt: Wenn er Präsident wird, will er keinen FPÖ-Kanzler vereidigen, auch wenn die Rechtspopulisten bei der nächsten Parlamentswahl stärkste Kraft werden:
    "Ich bin tatsächlich der Meinung, dass die österreichischen Interessen nicht gut vertreten sind, wenn dauernd fantasiert wird von einem Austritt aus der EU, einer ständigen Schwächung der EU, der Wiedererrichtung der alten Grenzen. Ich bin der Meinung, das ist wirtschaftspolitisch ein katastrophaler Fehler, das zu tun. Und es tut mir leid, eine Partei in Österreich, die FPÖ, predigt uns seit Jahr und Tag genau das."
    Flüchtlingskrise war Hauptthema im Wahlkampf
    In der wahrscheinlichen Stichwahl könnte van der Bellen auf den Präsidentschaftskandidaten eben jener FPÖ treffen, auf Norbert Hofer. Der sagt zum Thema Sozialleistungen für Asylbewerber:
    "Ich bin der Meinung, dass sich Österreich vornehmlich um die Österreicher kümmern muss. Auch um die anderen Menschen, die im Land sind. Aber zuerst um die Österreicher."
    Die Flüchtlingskrise war eines der Hauptthemen im Wahlkampf. Eines der Hauptargumente Hofers, auch in der Debatte gestern Abend: Die deutsche Kanzlerin habe ein falsches Signal ausgesandt.
    "Das, was Merkel getan hat, wir schaffen das, hat ja erst dieses Problem mit verursacht, dass viele Menschen mit einer Hoffnung kommen und dann aber erkennen müssen, dass wir das eben nicht schaffen."
    Auch die einzige Frau im Rennen hat laut Umfragen noch gute Chancen, in die Stichwahl um das höchste Staatsamt zu kommen, die parteilose Richterin Irmgard Griss. Sie profitiert vor allem vom weitverbreiteten Gefühl, dass die Parteien der Großen Koalition sämtliche Posten im Land seit Jahrzehnten unter sich aufteilen:
    "Dass Parteien überall ihre Hand drauf haben. Und ihre Parteigänger in Funktionen setzen, für die sie nicht geeignet sind. Und ein Bundespräsident, eine Bundespräsidentin, die niemandem verpflichtet ist, die braucht auf so was nicht zu hören, und das ist das Entscheidende, das ist die wahre Unabhängigkeit."
    Kandidaten der Regierungsparteien sind weit abgeschlagen
    Die Kandidaten der Regierungsparteien sind laut Umfragen abgeschlagen bei dieser Präsidentschaftswahl. Daran hat auch diese TV-Debatte nichts geändert, sagt die Meinungsforscherin Ernestine Berger. Für sie sind die emotionale Faktoren ausschlaggebend:
    "Es gibt drei, die mehr oder weniger gleichwertig sind, wie sie auch zu Beginn waren. Und das ist unverändert für mich – im emotionalen Empfinden - van der Bellen, Griss und Hofer."
    Ein Grüner, eine Parteiunabhängige oder ein FPÖ-Präsident – alles wäre ein Novum für Österreich – und, was die künftige Grundstimmung im Land betrifft, eine Richtungsentscheidung. Für Richard Lugner, den Politclown im Kandidatenfeld, ist klar: Die Zeiten der Vorherrschaft von SPÖ und ÖVP sind vorbei:
    "Weil die Leute von rot und schwarz einfach bis zur Nase alles voll haben."