Archiv


Wahlkampfhilfe Kohls in Berlin ist nicht gut für die Partei - Umgang mit Wolfgang Schäuble fast unerträglich

21.06.2001
    Durak: Wohin steuert denn die CDU mit wem und vor allen unter wessen Führung? Das sind Fragen, die sich nach den turbulenten Berliner Ereignissen nicht nur Unbeteiligte in diesen Tagen stellen, sondern auch CDU-Mitglieder bis in die Führung hinein wie es heißt. Helmut Kohl ist zurück. Er will im Berliner Wahlkampf dabei sein, sein Lebenswerk verteidigen, wie er sagt, und er soll auch dafür gesorgt haben, dass nicht Wolfgang Schäuble, sondern der junge Frank Steffel letztlich Spitzenkandidat der CDU ist. Er habe damit erneut Schäuble und Merkel gezeigt, wer sie sind und wer er ist.

    Heiner Geißler, in der Union herrscht Unmut über Kohls Absicht und Vorgehen heißt es. Es gab Streit im geschäftsführenden Vorstand der Fraktion. Unmut auch bei Ihnen?

    Geißler: Die Sache ist deswegen problematisch, weil es bei diesem Wahlkampf und sicher auch im nächsten Jahr darauf ankommt, dass die Glaubwürdigkeit der CDU, aber auch der Parteiführung unangetastet ist. Dazu gehört eben, dass klar wird, dass wir auf Dauer und endgültig mit der Spendenaffäre vor anderthalb Jahren brechen. Deswegen glaube ich, dass Helmut Kohl seiner Partei keinen Dienst erweist, denn die Sache ist ja nach wie vor ungeklärt. Mit jedem Auftritt werden die Leute mit der Nase darauf gestoßen, dass die Herkunft von Millionen Spendengeldern völlig ungeklärt ist.

    Nun war ja der Ausgangspunkt für die Senatskrise in Berlin ebenfalls eine Spendenaffäre, alles was mit dieser Bank zusammenhängt. Deswegen glaube ich, dass diese Entwicklung für die CDU nicht gut ist.

    Durak: Wie steht es denn darum: Kohl hat ja unbestritten Verdienste um die deutsche Einheit. Könnte er sie für die CDU nicht wirksam im Wahlkampf einsetzen?

    Geißler: Das ist das alte Thema. Er hat es ja selber in der Hand. Natürlich kann man die politischen Verdienste von Helmut Kohl nicht wegdiskutieren. Das wäre auch absolut ungerecht und wäre genauso ein Fehler. Aber die ganze Sache könnte doch wirklich zu einem guten Ende geführt werden, wenn der Verfassung Genüge getan wird und in der Verfassung steht nun eben einmal aus wohl erwogenen Gründen, dass man als politische Partei Auskunft geben muss über die Herkunft der Spendengelder, die man bekommen hat.

    Das hat auch etwas mit Berlin zu tun, aber mit dem früheren Berlin in der Weimarer Republik, wo politische Parteien von Leuten, die viel Geld hatten, von Krupp, von der Schwerindustrie, wie man damals gesagt hat, richtiggehend gekauft worden sind. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten dies eben für alle Zukunft verhindern und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Deswegen diese Bestimmung in unserer Verfassung. Das ist nicht irgend etwas, worüber man hinweggehen kann.

    Durak: Das ist die eine Seite der Medaille, Herr Geißler. Die andere Seite sagen wir mal betrifft den Strippenzieher Kohl. So wurde er ja immer wieder bezeichnet. Ficht er alte Kämpfe aus?

    Geißler: Das weiß ich nicht, was sich dort abgespielt hat. Ich bin ja nicht dabei gewesen. Was ich fast unerträglich fand, wie man mit Wolfgang Schäuble umgegangen ist. Ob er der richtige Kandidat für Berlin gewesen wäre, darüber kann man ja auch sicher unterschiedlicher Meinung sein, aber das gilt für jeden Spitzenkandidaten. Das eigentlich problematische war ja, dass man ihn erst genannt hat, als man ihn gefragt hat, dass das auch in der Öffentlichkeit so gesagt worden ist, und hinterher hat man dann das Gegenteil gemacht. Ich finde, wir sollten mit unseren Leuten, auch mit den sehr guten Leuten, auf die man ja auch ein bisschen aufpassen muss - so zahlreich sind die nun auch wieder nicht -, etwas sorgfältiger umgehen.

    Durak: Die Hände im Spiel hatte ja Angela Merkel, die Parteivorsitzende. Drückt Kohl Merkel an die Wand?

    Geißler: Der Eindruck ist so erweckt worden oder ist so entstanden. Ob das tatsächlich so war, das kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls müssen alle, die hier auftreten, vermeiden, dass eine politische Führungsperson, wie es nun einmal Angela Merkel ist, durch einen solchen Vorgang geschädigt ist. Ob das nun tatsächlich so war, was dort spekuliert worden ist mit Strippen ziehen und so weiter, darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

    Durak: Wir hören auch von Streit im geschäftsführenden Fraktionsvorstand gestern Abend. Das wird man aber noch ausführlicher nachlesen. Es ist ja auch nicht das erstemal, dass es Streit gibt zwischen Merz und Merkel. Herr Geißler, kurz nach der Wahl von Angela Merkel zur Parteivorsitzenden haben Sie gesagt, es ist die neue CDU, die ich mir gewünscht habe in den letzten zehn Jahren. Angela Merkel ist der Prototyp gegen die alte Politik. - Ist das noch immer so?

    Geißler: Ja, ich wünsche mir das nach wie vor. Sie hat es aber sehr schwer und ich wünsche mir, dass sie Zivilcourage und Mut hat, sich gegen die alten Kräfte durchzusetzen, denn wir werden sonst ständig von der Vergangenheit eingeholt. Man muss eben auch hier eine ganz klare Position beziehen und darf nun nicht ständig Rücksicht auf Leute in der Partei und in der Fraktion nehmen, die mit dieser Vergangenheit nicht brechen wollen. Wir haben ein volles Jahrzehnt lang unter diesem Personenkult gelitten, der auch eine freie Diskussion fast unmöglich gemacht hat. Deswegen habe ich zum Beispiel, wenn Sie sagen, im geschäftsführenden Vorstand hat es Streit gegeben, gar nichts dagegen, dass es Streit gibt. Es muss aber Streit um die Sache sein, so wie wir das ja auch zum Beispiel bei der Embryonenforschung gemacht haben. Das ist der richtige Weg, damit die Leute erkennen, die CDU beschäftigt sich mit den wichtigen Fragen dieses Landes. Aus der Argumentation in einem solchen Streit bekommt man dann auch die notwendige Kompetenz und kann seinen Führungsanspruch untermauern und darauf muss man sich konzentrieren. Personalfragen sind immer eine heikle Angelegenheit. Das muss man im Vorfeld abklären. Eine solche Frage kann man nicht in der Öffentlichkeit so diskutieren, wie das geschehen ist. Das war sicher ein Fehler.

    Durak: Zeigt Angela Merkel Führungsschwäche? Sollte sie auf den Tisch hauen?

    Geißler: Ich glaube nicht auf den Tisch hauen, aber sie sollte eben deutlich machen, dass sie die Vorsitzende ist und ihren Kurs bestimmen. Da kann sie dann ruhig, wenn von diesem Kurs abgewichen wird, deutlich werden. Das muss sie dann auch in der Öffentlichkeit machen, vor allem wenn die Gegner, die sie ja hat, dies auch direkt oder indirekt in der Öffentlichkeit so vortragen.

    Durak: Der große Schatten ist auf sie gefallen, der Schatten aus der Vergangenheit. Demontiert Helmut Kohl unter Umständen Angela Merkel und spaltet die Union?

    Geißler: Ich will jetzt nicht von einer Spaltung reden, aber ein solches Verfahren, wie es sich abgespielt hat, ist natürlich schon dazu geeignet, die Position der Parteivorsitzenden zu schwächen. Dies abzustellen ist sehr schwer. Das ist ganz klar. Deswegen liegt eigentlich die Verantwortung bei Helmut Kohl, dass so etwas eben nicht passiert. Er sollte sich da zurücknehmen.

    Durak: Heiner Geißler, CDU. - Herzlichen Dank Herr Geißler für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio