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Wahlnacht in den Niederlanden
Jubel bei den Rechtsliberalen, Enttäuschung bei Geert Wilders

In den Niederlanden war die Sorge groß, dass der Rechtspopulist Geert Wilders als Gewinner aus der Parlamentswahl geht. Dass er nun so klar gegen den rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte verliert, hätten viele Niederländer nicht gedacht.

Von Christiane Kaess |
    Anhänger der rechtsliberalen Partei VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) des amtierenden niederländischen Ministerpräsidenten Rutte sind am 15.03.2017 in Den Haag (Niederlande) auf der Wahlparty der Partei.
    Wahlparty der rechtsliberalen VVD (dpa/ picture alliance/ Daniel Reinhardt)
    Für den Mann, auf den sich zunächst alle Aufmerksamkeit richtet, beginnt der Tag am Entenplatz 5 im östlichen Den Haag. Geert Wilders soll seinen Stimmzettel im Wahlbüro in der Grundschule "Der Walfisch" in die Urne werfen. Über dem roten Backsteinbau prangt ein grüner Plastikwalfisch. Dutzende Kameras niederländischer und internationaler Fernsehteams richten sich auf das Gebäude. Alberto Romaniogli vom italienischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk RAI steht tritt von einem Bein aufs andere. Das wird hier ein Test für die euroskeptischen Parteien, glaubt er.
    "Schaun wir mal, ob die Leute ihnen tatsächlich folgen."
    Ein bulliger Mann mit blauer Weste und der Aufschrift "Security" verweist die Journalisten hinter ein rot-weißes Plastikband. Durch die Gasse laufen Eltern, mit kleinen Kindern an der Hand. Ein schwarzhaariger Mann bringt seine beiden Töchter zur Schule. In der Hand hält er seinen Wahlzettel.
    "Klar ist es wichtig, seine Stimme abzugeben. Bei jeder Wahl und nicht dieses Mal. Das hat nichts mit Wilders zu tun."
    "Die Europäische Union muss sich reformieren"
    Etwas ärgerlich findet er den Auflauf der Journalisten: "Für Wilders wäre es wohl besser gewesen, er hätte per Internet wählen können. Dann hätte er diesen Zirkus hier nicht gehabt."
    An der Ecke des Gebäudes tauchen die wasserstoffblonden Haare von Geert Wilders auf – er ist umringt von Sicherheitskräften in dunklen Anzügen. Journalisten rennen, Sicherheitsleute schubsen sie zurück. Bleiben Sie hinter der Absperrung, nicht drängeln, ruft einer.
    Wilders spricht geduldig Mantra-artig in die Mikrophone, was er seit Jahren sagt. Ein Journalist wirft ihm entgegen, Millionen weltweit seien aufgebracht von seiner Idee, den Koran zu verbieten:
    "Wenn ihnen das nicht gefällt, dann kommen Sie nicht nach Holland. Ich hoffe, dass wir weniger Islam hier haben werden."
    Mit Blick auf Europa glaubt Wilders:
    "Die Menschen übernehmen wieder die Kontrolle. Wir sehen in ganz Europa, dass es entsprechende Bewegungen gibt. Wir sollten nicht anderen Ländern Geld geben und gleichzeitig unsere eigenen Leute vernachlässigen. Aber die Menschen nehmen ihr Schicksal jetzt wieder selbst in die Hand, entscheiden selbst über Einwanderung. Darum geht es heute. Und wir werden sehen, was die Wahlen bringen."
    Der Jubel gilt am Abend aber dann Mark Rutte - vor den versammelten Parteikollegen in einem Kongresszentrum in Den Haag. Der bisherige und voraussichtlich auch kommende Ministerpräsident sieht im Wahlausgang ein auch Signal für Europa. Er habe schon mit einer ganzen Reihe europäischer Kollegen telefoniert. Die Niederlande hätten nach Brexit und den Wahlen in den USA "Halt" gesagt zu den falschen Populisten, so Rutte. Ein paar Meter weiter steht Anne Mulder mit Schweißperlen auf der Stirn. An den großen stämmigen Mann, der in der VVD-Fraktion für Europaangelegenheiten zuständig ist, richten sich jetzt die Fragen der Journalisten aus aller Welt.
    "Ich bin nicht erleichtert. Ich freue mich, dass wir gewonnen haben, aber die Europäische Union muss sich reformieren."
    Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei könne Vorbild sein für ähnliche Abkommen mit Nordafrika, meint Mulder, um Migranten dort zu stoppen. Was ist dann überhaupt noch der Unterschied zwischen seiner Partei der rechtsliberalen VVD und Wilders rechtspopulistischer PVV will ein australischer Journalist wissen.
    "Wir sprechen darüber, wie Leute sich benehmen, Wilders nur über ihre Herkunft. Wir lösen Probleme, er sitzt da und twittert und schreit."
    Historischer Verlust für die Sozialdemokraten
    Abseits des Scheinwerferlichts sind die Mitglieder der Arbeitspartei in Den Haag in einer Kneipe in der Innenstadt zusammen gekommen. Paulien van der Hoeven, Chefin der örtlichen Sozialdemokraten, steht die Enttäuschung über den historischen Wahlverlust ins Gesicht geschrieben.
    "Wir haben eine schwere Zeit hinter uns in der Koalition mit der rechtsliberalen VVD. Nach der letzten Wahl war keine andere Kombination möglich, und so haben wir die Regierungsverantwortung übernommen. Aber die VVD steht natürlich ideologisch weit weg von uns. Für manche Beschlüsse in der Koalition hab ich ganz schön was drauf bekommen. Aber ich bin auch stolz auf gute sozialdemokratische Politik in den letzten Jahren."
    Kinderarmut bekämpfen oder mehr Menschen in Arbeit, zählt die Frau mit den blonden Locken auf. Aber die Wähler haben es den Sozialdemokraten nicht gedankt. Opposition sei nun wohl das beste, um "zu regenerieren".
    Im Café "Schlemmer" ein paar Straßen weiter hält Arjen Kapteijns ein leeres Bierglas in der Hand. Die große Party von Grünlinks steigt in einem Club in Amsterdam, aber der Fraktionsvorsitzende der Partei in der Gemeinde Den Haag, ist hier selig über das fantastische Ergebnis. Nur: selbst wenn die Rechtsliberalen das wollten, würden die Grünen tatsächlich in eine Regierung mit ihnen gehen?
    "Wir wollen zwei Dinge auf alle Fälle: Umweltverschmutzung muss teurer werden und die Unterschiede zwischen arm und reich kleiner."
    Aber für den Moment darf man ja noch Regierungspläne machen. Geert Wilders träumt wohl definitiv keine Regierungsträume mehr. Über Twitter teilt er der Welt noch mit: "Rutte ist mich noch lange nicht los."