Nach Urteil aus Karlsruhe
Wahlrecht bleibt umstritten - vorerst keine Änderung

Im Bundestag ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis zur nächsten Wahl im kommenden Jahr nun doch keine Anpassung des Wahlrechts geplant. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs der Fraktionschefs von SPD, Grünen, FDP sowie der oppositionellen Union. Deren Vorsitzender Merz kritisiert nun die Koalition.

03.08.2024
    Stimmzettel für die Bundestagswahl
    Stimmzettel für die Bundestagswahl (dpa / picture alliance / Winfried Rothermel)
    Karlsruhe hatte die Aufhebung der sogenannten Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt und diese Regelung vorerst wieder in Kraft gesetzt. Damit gilt erst einmal weiter, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen.

    Alte Grundmandatsklausel bleibt - Mandatsreduzierung gilt 

    Ein weiteres Kernstück der Wahlrechtsreform, die Begrenzung des Bundestages auf 630 Abgeordnete und den Wegfall der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate, haben die Karlsruher Richter dagegen bestätigt. Damit ist für die Zahl der Sitze im Parlament künftig allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. In dem Fall gehen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen leer aus. Unter anderem die Union, Linke und die bayerische Staatsregierung hatten gegen die Reform geklagt.
    Aus Koalitionskreisen hieß es nach dem Gespräch der Fraktionschefs, es habe grundsätzlich unterschiedliche Bewertungen zwischen Ampel und Union gegeben, die in der noch zur Verfügung stehenden Zeit vor der Bundestagswahl nicht auszuräumen seien. Die nächste soll im September 2025 stattfinden. 

    Konfliktthema Zweitstimmendeckung

    Merz warf den Ampel-Fraktionen mangelnden Kompromisswillen vor. Er schrieb nach einem Gespräch mit den Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen an die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, an dem auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt teilnahm: "Wir haben eine alleine auf die Sperrklausel und die Grundmandatsklausel beschränkte Verhandlung über das Wahlrecht noch in der laufenden Wahlperiode abgelehnt." Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, in dem es demnach heißt: "Wir wollen zum geeigneten Zeitpunkt über die Stärkung der Wahlkreismandate sprechen und uns nicht für deren weitere Schwächung vereinnahmen lassen." Weitere Gespräche über das Wahlrecht in der laufenden Wahlperiode mit der Koalition seien nicht zu erwarten. 
    Merz schrieb weiter, leider habe das von der Ampel erfundene Verfahren der sogenannten Zweitstimmendeckung in den Augen des Bundesverfassungsgerichts weiter Bestand. "Damit werden wir bei der nächsten Bundestagswahl nach einem Wahlrecht wählen, das nicht mehr sicherstellt, dass ein direkt gewählter Abgeordneter auch in den Deutschen Bundestag einzieht." Das Wahlrecht komme wieder auf die Tagesordnung, sobald die Union wieder an der Regierungsbildung beteiligt sein werde.

    Handlungsbedarf unterschiedlich bewertet

    Die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: "Für die laufende Wahlperiode sehen wir keine Notwendigkeit, mit Blick auf die Grundmandatsklausel jetzt aktiv werden zu müssen. Durch die Anordnung des Gerichts herrscht Klarheit für die Bundestagswahl im September 2025. Wir schaffen die Überhang- und Ausgleichsmandate ab. Wir verkleinern den nächsten Bundestag deutlich auf 630 Abgeordnete. Er wird nach der Stärke der vertretenen Parteien besetzt." Darüber hinaus gebe es sehr unterschiedliche Auffassungen zu einer Änderung des Wahlrechts.
    Diese Nachricht wurde am 03.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.