Es sind harte Zeiten für die demokratische Opposition in Hongkong. Aktivisten wie Joshua Wong oder der Verleger Jimmy Lai sitzen im Gefängnis. Sie und viele andere sind mit Anklagen überzogen worden – wegen Verstößen gegen Versammlungsverbote oder das nationale Sicherheitsgesetz oder beides. Wer noch in U-Haft sitzt, dem drohen lange Haftstrafen. Und jetzt kommt auch noch die Wahlrechtsänderung, die die Opposition weiter drastisch einschränken wird:
"Das ist der Tod der Demokratie in Hongkong", sagt der frühere Abgeordnete Ted Hui, der sich vor einigen Monaten aus Angst vor einer Verhaftung ins Ausland absetzte und jetzt in Australien lebt. Sein Pessimismus wird von vielen geteilt. Lee Cheuk-yan ist ein Veteran der Demokratiebewegung, Gewerkschafter und ehemals Chef der Labour-Partei.
"Wir erleben in Hongkong eine starke Unterdrückung, die Freiräume werden kleiner. Bei den Bürgerrechten, im Rechtssystem, jetzt beim Wahlrecht – überall erleben wir enormen Druck."
Nur "Patrioten" sollen zur Parlamentswahl antreten
Auch im gemäßigten Lager der demokratischen Opposition sieht man wenig Hoffnung. In der Civic Party denken einige über eine Auflösung nach. Andere fragen sich, ob sie bei Wahlen künftig überhaupt noch antreten können oder wollen.
"Durch die Wahlrechtsänderung wird das Parlament noch weniger überzeugend", sagt Lo Kin-hei, Vorsitzender der Demokratischen Partei gegenüber der South China Morning Post. "Die Stimmen, die die Menschen vor Ort repräsentieren und durch allgemeine Wahlen bestimmt werden, werden weiter zurückgedrängt."
Bei den Parlamentswahlen sollen künftig alle Kandidaten zunächst von einem speziellen Komitee auf ihre Loyalität überprüft werden – nur "Patrioten", heißt es in Peking, dürften in Hongkong überhaupt noch antreten. Mehrheiten der pro-demokratischen Parteien werden auch durch Vorgaben bei der Sitzverteilung praktisch ausgeschlossen. Peking wolle die totale Kontrolle, sagt Demokratie-Veteran Lee Cheuk-Yan.
"Wie definiert man denn einen Patrioten? Es geht nicht darum das Land zu lieben, sondern die Kommunistische Partei. Es wird im Hongkonger Parlament in Zukunft zugehen wie im Nationalen Volkskongress in Peking – da wird nur noch per Akklamation abgestimmt."
Demokratischer Rückschritt wirft Hongkong Jahrzehnte zurück
Auch Ted Hui im australischen Exil sagt, eine Teilnahme an Wahlen sei jetzt völlig sinnlos. Das neue System werfe Hongkong um Jahrzehnte zurück: "Das Maß an Demokratie in Hongkong wird unter dem neuen Wahlrecht noch geringer sein als zur britischen Kolonialzeit."
Keiner in der Opposition weiß so richtig, wie es weitergehen soll. "Wir müssen uns neu ausrichten, heißt es bei der Civic Party. Auch Lee sagt, die Bewegung brauche eine neue Strategie. "Wir müssen uns wohl darauf vorbereiten, für viele Jahre außerhalb des Systems zu arbeiten."
Noch hat Hongkong eine lebendige Zivilgesellschaft. Aber viele fürchten, dass Pekings autoritäre Politik auch davor nicht haltmachen wird. Als nächstes werden die ohnehin fast machtlosen Bezirksstadträte auf Linie gebracht, so die Befürchtung, dann die Medien und die Justiz. Es sehe düster aus, sagt Lee. Er selbst bereitet sich erst einmal auf eine Gefängnisstrafe vor. Vier Verfahren hat er am Hals, wegen unerlaubter Demonstrationen. Ein erstes Urteil wird am 1. April erwartet. Eine Haftstrafe sei wohl unvermeidlich, sagt er. Und: "Haftstrafen gehören jetzt zu unserem Kampf dazu."