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Wahrhaft nahrhaft

Obst und Gemüse aus Intensivanbau. Fleisch aus der Hochleistungsmast. Allerlei Fertigprodukte aus industrieller Massenproduktion. Dazu immer wieder 'mal Hiobsbotschaften vom Fund gesundheitsbedenklicher Schadstoffe. Viele Verbraucher haben deshalb kein rechtes Vertrauen mehr in unsere Lebensmittel. Und glauben, sie seien nicht mehr so nahrhaft "wie früher". Doch stimmt das? Ist unsere Kost heute ärmer an Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen? Oder ist das nur ein - weitverbreitetes - Klischee? Was steckt wirklich in Tomaten aus erdelosem Anbau oder im Stück Kotelett von Schweinen, die nie eine Weide gesehen haben?

Volker Mrasek |
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    Ich würde keine Erdbeeren kaufen im Winter. Die sind im Treibhaus ohne Sonne aufgewachsen." "Also, mit wenig Aufwand viel produzieren, und dann kann die Qualität ja nur schlechter sein, denke ich." "Zum Beispiel denke ich, dass Kartoffeln, die hier angebaut sind, bestimmt mehr Nährstoffe haben wie Kartoffeln, die irgendwie von sonst woher kommen - also, ich denke da ist ein himmelweiter Unterschied.

    Klementinen heute hier 15 Stück 2,50. Radieschen hier für 1,50. So, noch was?!

    "Gucken Sie sich heute die einzelnen Produkte an ..." "Ich denke, ja, dass es heute schlechter ist wie früher." "Ich glaube das ganz bestimmt!" "Ja, natürlich! Kommen viel zu viele Zusatzstoffe rein! Auch bei den pflanzlichen Produkten. Das wird doch tagtäglich im Fernsehen gesagt, junger Mann!"

    Lebensmittel sind heute Massenartikel, hergestellt im Akkord von einer milliardenschweren Industrie ...

    Wir bekommen sie tiefgekühlt, portioniert, konfektioniert, kochfertig ...

    Lebensmittel sind das Produkt von Intensiv-Anbau und Intensiv-Mast ...

    Sie werden international gehandelt, manche um die halbe Welt gekarrt.

    Kein Wunder, dass Verbraucher skeptisch sind:

    Das ist wirklich so. Es herrscht große Unsicherheit. Und auch Verwirrung. Was nun eigentlich sich geändert hat. Und wo es hingehen wird.

    Auch Agrar- und Ernährungswissenschaftlern kommt immer wieder zu Ohren:

    Ja, die Qualität dieser Lebensmittel! Die sind ja so schlecht, dass ich mich da gar nicht mehr so gesund ernähren kann. Und überall die Schadstoffe. Und die Industrie ist schuld und so weiter.

    Stimmt das wirklich? Waren Lebensmittel "früher" gesünder? Waren sie nährstoffreicher? Weil Schweine noch auf die Weide durften, Gemüse noch nicht tiefgefror und die Welt Fertigkost-freie Zone war? Laugt die industrielle Massenherstellung unsere Nahrungsmittel heute förmlich aus?

    Oder ist das nur ein Klischee? Dauerhaft zwar, aber doch nur ein Vorurteil? Liefern Lebensmittel in Wirklichkeit unverändert viel Proteine, Vitamine und Mineralstoffe, die unser Körper braucht?

    Nicht nur Verbraucher, auch Forscher setzen sich mit solchen Fragen auseinander. Wer Antworten sucht, sollte am besten bei ihnen anklopfen ...

    Wir sind gerade in einen von drei Gewächshaus-Komplexen gegangen, die wir hier im Institut haben. Hier sind vier einzeln stehende Gewächshäuser, etwa 200 Quadratmeter groß jedes. Und wenn wir mal in so’n Haus 'reingehen ... [SCHRITTE, JETZT HOHLER RAUMKLANG] [KRACH] Im Augenblick wird hier sauber gemacht und werden die Parzellen desinfiziert und gereinigt für einen kommenden Versuch mit Brokkoli.

    So stellt sich der Laie ein Gewächshaus bestimmt nicht vor: kein Krümel Erde, sondern ein Boden aus blankem Beton, den Putzkräfte mit dem Wisch-Mopp wienern. Keine klassischen Gemüse-Beete, sondern ein Wirrwarr von schwarzen Schläuchen auf dem nackten Estrich und orange-farbenen Kabeln unter der Decke. Erstaunlicher noch: Im Boden ist eine Reihe von Mülltonnen eingelassen, mit angeschlossenen Pumpen und Ventilen, die aussehen wie freigelegte Formel-1-Motoren ...

    Was wir hier machen ist Forschung mit erdelosen Anbauverfahren. Und so’n erdeloses Anbauverfahren lebt davon, dass man entweder Substrat einsetzt oder eben gar kein Substrat, nur reine Nährlösung. Und um diese Nährlösung zu den Pflanzen zu bringen, um die damit zu versorgen, was die Pflanzen wirklich brauchen, haben wir hier so’n Mülltonnen-System.

    Dietmar Schwarz ist Agrarwissenschaftler und Pflanzenmediziner. Am Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren bei Berlin. Das gab es schon zu DDR-Zeiten. Heute gehört das Institut zur Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz.

    Großbeeren ist eine gute Adresse, um die Nährstoff-Frage zu stellen. Hier wird Gemüse versuchsweise aufgezogen und analysiert. Ein Schwerpunkt liegt auf dem "hydroponischen Anbau". Das bedeutet: Die Pflanze steckt nicht in der Erde, sondern zum Beispiel in einem Würfel aus Mineralwolle. Die Nährstoffe kommen entsprechend nicht aus dem Boden, sondern aus dem Tropf. Die meisten Treibhaus-Tomaten werden heute so kultiviert, auch Gurken und Paprika ...

    Ich mach’ jetzt 'mal diese Mischanlage an, wo also Nährlösung hergestellt wird. ATMO

    Also, im Hintergrund hören wir schon, wie die Anlage angeht. [RÖDELN]. II Und hier wird gerade Lösung aus den Behältern aus diesen Parzellen im Gewächshaus abgepumpt. Damit neue vorbereitet werden kann.

    Nach der faden und verschrieenen "Holland-Tomate" jetzt also die künstlich ernährte "erdelose Tomate". Besitzt die überhaupt noch ihre natürlichen Inhaltsstoffe? fragen sich viele ...

    Ich wüsste nicht, was der fehlt ...

    ... sagt dagegen Pflanzenmediziner Schwarz ...

    Mit Sicherheit ist die besser ernährt. In solcher Nährlösung kann ich genau der Pflanze das geben, was sie braucht, und zu der Zeit, zu der sie es braucht. Und im Boden ist sie darauf angewiesen, was gerade vorhanden ist, zu entnehmen. Und selbst die Entnahme, je nach Wasserbereitstellung und Transportvorgängen im Boden, ist eben auch schon schwierig.

    Nicht anders argumentiert Angelika Krumbein. Sie ist Chemikerin und am Großbeerener Institut zuständig für die stofflichen Analysen:

    Der Pflanze ist es egal, ob sie die Nährstoffe aus einer Lösung holt oder aus dem Boden holt. In dem Moment, wo ich der Pflanze die Nährstoffe anbiete, die sie braucht, kann sie auch vergleichbare Qualität in den Früchten produzieren. Vor allen Dingen in der Schweiz sind auch relativ umfangreiche Untersuchungen gemacht worden zu diesem Vergleich. Und die haben also auch festgestellt, dass die Inhaltsstoffe nicht unterschiedlich sind in diesen unterschiedlich angebauten Medien.

    Abweichungen im Nährwert von Gemüse gibt es nach den Erfahrungen in Großbeeren schon! Doch die haben offenbar nicht mit der Anbau-Methode zu tun, sondern mit der Sorten-Wahl ...

    Wir haben festgestellt bei unseren Untersuchungen, dass die Inhaltsstoffe sehr stark durch die Sorte bestimmt werden, also durch das genetische Potential. Und es gab früher Sorten, die wenig Inhaltsstoffe hatten. Und es gibt heute Sorten, die wenig Inhaltsstoffe haben. Wir untersuchen ein recht breites Spektrum, also angefangen bei Tomaten, Brassicaceen, so Brokkoli - Kohlgewächse sind das. Oder auch Salat, ja Radies. Da haben wir eigentlich bei allen Untersuchungen festgestellt, dass die Sorte das Entscheidende ist.

    Das zeigt sich wiederum an der Tomate, von der jeder Bundesbürger im Schnitt 12 Kilogramm pro Jahr zu sich nimmt - mehr als von jedem anderen Gemüse.

    Tomaten liefern ordentliche Mengen des Mineralstoffs Kalium und auch Einiges an Vitamin C und E. Besonders geschätzt werden sie aber wegen ihrer Farbstoffe, der sogenannten Carotinoide. Die besitzen "antioxidative Eigenschaften", das heißt sie schützen Körperzellen vor Angriffen durch Sauerstoff und gelten deshalb als gesundheitsförderlich, ja sogar krankheits-vorbeugend.

    Bei der Tomate ist hier der rote Frucht-Farbstoff Lycopin entscheidend, wie Angelika Krumbein und andere Ernährungsforscher heute wissen. Nur ist seine Konzentration eben nicht in allen Sorten identisch:

    Also, alle Tomaten-Sorten, die 'ne rote kräftige Farbe haben, haben auch den hohen Lycopin-Gehalt. Wenn ich natürlich jetzt in diese gelben, neueren gelben, Züchtungen 'reingehe, habe ich dann den Lycopin-Gehalt nicht.

    Das gilt natürlich genauso für unreife, noch grüne oder nur blassrote Tomaten:

    Die Inhaltsstoffe nehmen mit der Reife zu. Das sind die Zucker, die Säuren, die Aromastoffe. Und auch die Carotinoide. Werden die Früchte zu grün geerntet, dann sind die Kohlenhydrate, die notwendig sind, um bestimmte Inhaltsstoffe zu metabolisieren, nicht vorgegeben. Und die Tomate schafft es nicht, in der Nachreife diese Inhaltsstoffe nachzubilden.

    Genau dieser Vorwurf steht im Raum: Tomaten aus warmen Anbauregionen würden oft noch grün und unreif geerntet. Damit sie nicht vorzeitig vergammeln, auf dem langen Weg in deutsche Verkaufsregale. Mit diesen "Spät-Entwicklern" nehme der Verbraucher dann weniger Nährstoffe auf.

    Da ist durchaus etwas Wahres dran, bestätigt die Analytikerin:

    Es geht jetzt dahin, dass diese Ergebnisse, die jetzt in der Forschung erreicht wurden, versucht werden umzusetzen. Dass man schon versucht, die Tomaten in einem späteren Reifestadium zu ernten, als das vielleicht vor einiger Zeit noch war. Aber der Handel ist natürlich dran interessiert, möglichst feste Früchte, die 'ne relativ lange Lagerzeit überstehen, zu haben. Das ist immer so ein Grenzfall, wie die Früchte geerntet werden. Ich weiß nicht, wie viel grüne Tomaten noch drunterschlüpfen.

    Dass sie drunterschlüpfen, ist jedenfalls unzweifelhaft. Aber der Verbraucher kann sie meiden. Denn die nährstoff-limitierten Früchte verraten sich durch ihre Blässe. Wer also kräftig rote Tomaten bevorzugt, kann sicher sein, dass auch der Lycopin-Gehalt stimmt.

    Ansonsten hat man in Großbeeren keine Hinweise auf allgemein abnehmende Nährstoff-Konzentrationen in Brokkoli, Weißkohl oder Feldsalat ...

    Also, mir fällt kein Beispiel ein, dass sich Gemüse über die Jahrzehnte hinweg verändert hat.

    Auch der Gartenbau-Ingenieur Bernhard Brückner befaßt sich im Institut mit Fragen der Produktqualität ...

    Ich kann nur verweisen auf unsere Untersuchungsergebnisse. Und da stellen wir fest, dass sich keine grundlegenden Unterschiede ergeben haben.

    Nur einmal waren die Großbeerener Forscher vom Ergebnis ihrer Analysen überrascht. Als sie wissen wollten, wie viel Vitamin C in Kopfsalat steckt. Da kam heraus, ...

    ... dass die heutigen Sorten weniger Vitamin C haben, als man aus der Literatur zum Beispiel vor 15, 20 Jahren kennt. Die Ursache ist die, dass Sorten gezüchtet wurden, die ein hohes Kopfgewicht haben, die fest sind. Die früheren Sorten waren kleinere Köpfe mit lockerem Aufbau. Für die Vitamin-C-Synthese wird Licht gebraucht. Und an diesen lockeren Kopf ist natürlich besser Licht herangekommen.

    Allerdings enthielt Kopfsalat noch nie sonderlich viel Vitamin C. Insofern rüttelt dieser Befund nicht unbedingt am Urteil Bernhard Brückners und seiner Kollegen:

    Lebensmittel im Wandel ist sicherlich richtig. Gemüse und wenig verarbeitete frische Produkte im Wandel, das ist eher falsch.

    Das Klischee von der immer nährstoffärmeren Nahrung stimmt also in diesem Fall offenbar nicht. Doch wie sieht es mit vorgefertigter Ware aus? Obst und Gemüse kommen ja nicht nur frisch auf den Markt. Es gibt sie auch als Konserve oder aus der Tiefkühl-Truhe ...

    Was irgendwie nach Heimwerkstatt oder Baustelle klingt, ist in Wahrheit das "Labor Biotechnik I" bei der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Auf einem Arbeitstisch mit Luft-Abzugs-Schacht stehen Bechergläser und Scheidetrichter. Eine Laborantin hantiert mit Vakuumpumpe, Saugflasche, Mörser ...

    ... und einem Rührstab, den Wissenschaftler aber niemals so bezeichnen würden. Sie sagen "Homogenisator" dazu.

    Hier wird offensichtlich versucht, etwas kleinzukriegen. Und zwar gründlich. Es sind Mohrrüben. Sie sollen all ihre Farbstoffe hergeben, die Carotinoide. Dazu wird ihr Gewebe mit dem Rührstab zerschnitzelt und im Mörser zerrieben, so dass es regelrecht ausblutet. In dem abgepressten Pflanzensaft stecken dann die begehrten Farbpigmente ...

    Damit wir auch wirklich das letzte Bisschen Carotinoid, was in der Probe enthalten ist, herausholen können, machen wir diesen Vorgang mehrfach hintereinander. So lange, bis das feste Material vollständig weiß ist, also keine Farbe mehr aufweist. So dass man sicher sein: Es ist auch kein gefärbtes Carotinoid mehr enthalten.

    Die Chemikerin Esther Mayer-Miebach leitet das Biotechnik-Labor. Sie wechselt von der Handarbeits- in die Analyse-Ecke ...

    Das ist eine so genannte Hochdruckpumpe. Die ist dazu geeignet, die Carotinoide - die Carotinoid-Mischung, die wir erzeugt haben - zunächst in einzelne Komponenten zu zerlegen. Hier werden also Beta-Carotin und Lycopin beispielsweise voneinander getrennt, so dass man die dann einzeln bestimmen kann.

    Auch in Karlsruhe befasst man sich also mit den Inhaltsstoffen von Lebensmitteln. Die BfE, die Bundesforschungsanstalt für Ernährung, hat sogar den staatlichen Auftrag dazu. So soll sie gewährleisten, dass der Nährwert unserer Nahrungsmittel durch die industrielle Verarbeitung nicht geschmälert wird. Auch das glauben viele und meiden zum Beispiel Tiefkühl-Kost ...

    Der Verbraucher könnte denken, dass es nur sinnvoll wäre, frisches Gemüse oder Obst zu sich zu nehmen. Dem würden wir widersprechen wollen.

    Die Karlsruher sind keine Ketzer. Sie halten sich nur an vorliegende Untersuchungsergebnisse. Manche davon stammen aus den eigenen Labors.

    Demnach kann man davon ausgehen: Tiefkühl-Produkte sind in vielen Fällen nicht weniger nährstoffreich als frisch angebotenes Obst und Gemüse. Auch wenn ein rechteckiger Spinat-Klotz nicht gerade den naturbelassensten Eindruck macht.

    Das muss auch Heike Schuchmann zugeben. Doch davon lässt sich die Chemie-Ingenieurin und Leiterin des BfE-Instituts für Verfahrenstechnik nicht beirren:

    Beispielsweise der Spinat wird direkt am Feld gleich in einen Kühlkanal gegeben. Es wird sofort 'runtergekühlt. Es wird anschließend blanchiert. Das ist eine milde Hitzebehandlung: 60, 70, 80, 90 Grad - je nachdem, welches Gemüse oder Obst man dort hat. Und gleich danach wird’s tiefgekühlt, also auf Temperaturen gebracht, wo keine Reaktion mehr stattfindet. So dass Sie den Zustand direkt ab Feld praktisch einfrieren. So könnte man das nennen.

    Kaum ist eine Pflanze abgeerntet, setzen Abbau-Vorgänge im Gewebe ein. Auch Vitamine und Carotinoide müssen dran glauben. Das geht schneller, als man denkt ...

    Wenn Sie auf dem frischen Markt kaufen, wo jeder eigentlich so das Gefühl hat, dass er sich am besten versorgt, dann ist das Gemüse oder Obst ja erstmal geerntet worden. Es ist am Frischmarkt, ja, 24 Stunden maximal unterwegs. Man denkt, 24 Stunden ist nicht lange. Aber gerade bei Salat weiß man zum Beispiel, dass innerhalb der ersten 24 Stunden rund die Hälfte des Vitamin C schon abgebaut ist. Häufig ist es: Sie kaufen es am Freitag, um es am Samstag oder am Sonntag eben zu verbrauchen. Haben Sie zwei weitere Tage und sind dann schon bei Verlusten um 80 Prozent ungefähr. Alle diese Untersuchungen wurden gemacht. Daher sind die Zahlen auch bekannt.

    Bisweilen vergeht keine Stunde, da sind frisch geerntete Erbsen, Bohnen oder Spinat-Blätter schon tiefgefroren. Aber daraus abzuleiten, Gemüse aus dem Eisfach sei grundsätzlich gehaltvoller als Ware vom Wochenmarkt - das wäre falsch. Denn nicht jedes Produkt wird vom Feld weg gekühlt ...

    Das ist natürlich auch eine Investition, die man tätigen muss, die nicht jede Firma tätigen kann. Große Firmen, wo entsprechend viel Investment dahinter ist, und die auch entsprechend auf Qualität achten, haben solche Kühltunnel.

    Aber eben nicht alle! Deswegen kann auch tiefgekühltes Obst und Gemüse weniger Nährstoffe enthalten als zum Ernte-Zeitpunkt - wenn es erst nach dem Transport vom Feld in die Fabrik eingefroren wurde. Verbraucher sollten also die Produkte namhafter Hersteller bevorzugen. Auf den Verpackungen wird die nährstoff-schonende Schnellkühlung manchmal beworben.

    Von den Karlsruher Forscherinnen darf man in diesem Fall keine Offenheit erwarten. Sie wollen keine Werbung für einzelne Anbieter machen. In jedem Fall ist Tiefkühl-Kost nach Heike Schuchmanns Auffassung aber eine bessere Alternative als Obst und Gemüse aus der Dose:

    Dieses hat eben den Nachteil, weil es sehr stark thermisch behandelt werden muss, dass es eben deutlich geringere Vitamin-Gehalte hat zum Beispiel. Also, in der Entwicklung der Tiefkühlware stand mit im Vordergrund und steht heute mit im Vordergrund, dass man Inhaltsstoffe erhalten möchte.

    Zurück ins Biotechnik-Labor. Der Mörser ruht inzwischen. Aus den Mohrrüben ist endgültig alle Farbe gewichen. Eine Institutsmitarbeiterin bereitet inzwischen Messungen am Photometer vor.

    Tiefkühl-Gemüse mag bei der Analyse im Labor gut abgeschneiden. Aber es gibt ja noch viel stärker konfektionierte Kost. Convenience Food hat sich als Begriff dafür eingebürgert. Das heißt so viel wie "bequeme Lebensmittel". Ihre Zubereitung macht keinen großen Aufwand. Man schiebt sie 'mal eben in den Ofen. Oder besser noch in die Mikrowelle. Das geht schneller.

    Solche Fertiggerichte kannte man vor Jahrzehnten noch gar nicht. Heute bestimmen sie häufig den Speiseplan. Bei ihnen seien Zweifel am ausreichenden Nährwert berechtigt, sagt Verfahrenstechnikerin Schuchmann:

    Gehen wir in den Bereich - Pizza, Nudelgerichte mit Sauce und so weiter - da ist mit Sicherheit der Einwand gerechtfertigt, dass es häufig sehr fettreich ist, unausgewogen ist. Auch deswegen, weil hier das Verbraucherverhalten dazukommt. Wenn ich mir eine Pizza schnell kaufe und in der Mikrowelle warm mache, mache ich mir nicht mehr parallel den Salat an. Weil mir das dann im Zeitverhältnis nicht mehr übereinstimmt. Die Pizza hab’ ich in fünf Minuten, Salat bräuchte ich noch mal 15 Minuten. Also mach’ ich das nicht mehr. Aus der Sicht der Ernährung zum Beispiel müssten Sie Gerichte mit verschiedenen Einheiten zusammen einfrieren. Und die zusammen anbieten. Die Pizza allein wird es nicht schaffen, beispielsweise eben die Menge an Gemüse, die man pro Tag zu sich nehmen sollte, abzudecken.

    Auch hier wieder die Hygienewanne. Gehen wir mit unseren Stiefeln durch. Um Keime abzutöten, die wir möglicherweise von draußen hier reinschleppen.

    Wir können von hier oben 'rein. Oder von vorne. Gehen wir hier 'mal ... ... über diese Kante 'rüber in Stall C. In diesem Bereich - jetzt wieder die Wanne vor uns -, da werden die Fütterungsversuche durchgeführt." "Also, Stall C ist unser Versuchsstall. Wir füttern hier dreimal täglich. Es wird morgens um sieben Uhr gefüttert, dann um 13 Uhr, und abends um 18 Uhr noch mal.

    Ulrich Kuhlmann und Gerhard Stalljohann auf Visite bei ihren Probanden. Es sind Mastschweine, 300 an der Zahl. Klaglos schlucken sie seit Wochen, was ihnen in den Futtertrog rauscht. Es ist nicht die übliche Mischung aus Weizen, Gerste und einer Eiweiß-Ergänzung wie Sojabohnen. Sondern ein Testfutter. Darin ist der Anteil von Roggen erhöht. Um zu sehen, wie viel von dem Getreide den Tieren noch mundet. Es gilt als bitter.

    Der Versuchsstall C steht in Bad Sassendorf bei Soest. Er gehört zum Landwirtschaftszentrum "Haus Düsse", einer Einrichtung der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe. Hier wird angewandte Forschung für die Tierhaltung betrieben.

    Zum Beispiel von Gerhard Stalljohann. Er ist zuständig für die Fütterungsversuche. Der Agrar-Ingenieur leitet das Referat "Schweinehaltung" in "Haus Düsse". Ulrich Kuhlmann betreut als Versuchstechniker die Ställe.

    Der Besuch im Westfälischen hat seine Gründe. Denn neben Obst und Gemüse ist es vor allem Fleisch, dem viele Verbraucher nachsagen, es sei nicht mehr so hochwertig wie früher ...

    Man sieht’s auch beim Braten, wie viel davon noch übrig bleibt. Das war vor Jahren nicht so. Da hat man auch noch Fleisch gehabt. Und jetzt hat man von so einem Stück nur noch so viel. Und der ganze Rest ist nur noch Wasser, verdunstet und Sonstiges.

    Dieser Eindruck täuscht nicht einmal. Das bestätigen sogar Agrarwissenschaftlerinen wie Martina Henning. Sie arbeitet am Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee bei Hannover:

    Es ist so, dass bei vielen Tieren, die heutzutage als sehr magere Produkte auf dem Markt landen, natürlich Wasser und Protein überwiegen. Das sind die Dinge, die natürlich die Leute dann auch zu den Annahmen veranlassen: Also, es ist heute alles schlechter als früher. Aber das ist in dem Fall dann auch durchaus nicht so falsch, weil eben Fettgehalte nicht mehr so toleriert werden. Man schlachtet die Tiere einfach eher, damit sie noch gar kein Fett in die Muskulatur, in diesem Fall also in das Produkt Fleisch, einlagern können. Weil man das einfach nicht möchte. Oder weil man meint, es sei auf irgendeine Art und Weise schädlich.

    Fleisch ist ein wichtiger Eiweiß-Lieferant und reich an Eisen, Zink und weiteren Mineralstoffen. Auch seinen Bedarf an Vitaminen aus der B-Gruppe kann man damit gut decken. Allerdings stecken diese Nährstoffe im Muskelgewebe, nicht im Fettanteil. Der ist mit rund einem Prozent heutzutage ohnehin sehr gering. Deswegen hört man von Fleischexperten meistens: "Das stimmt schon, Fleisch ist magerer geworden. Aber seinen Nährwert hat es dadurch nicht eingebüßt! Der ist noch immer der alte!"

    Das mag für Proteine, Vitamine und Mineralstoffe tatsächlich stimmen. Aber Fleisch liefert auch Fettsäuren, darunter "essentielle", also lebensnotwendige, die unser Körper nicht herstellen kann. Hier zeigt sich neuerdings: Entscheidenden Einfluss auf Fett-Gehalt und Fett-Zusammensetzung im Fleisch hat das Futter ...

    Das bestätigten auch Experimente in "Haus Düsse" ...

    Wir haben in der Vergangenheit auch Versuche laufen lassen, wo wir gezielt über die Fütterung versucht haben, die Fleischbeschaffenheit positiv zu beeinflussen, indem wir so gefüttert haben, dass sich der intramuskuläre Fettgehalt, also Fette, die sich zwischen den Muskelsträngen im Prinzip befinden, erhöht haben. Wir haben’s letztendlich über die Fütterung geschafft. Wir konnten über den Einsatz von Lupinen, waren’s insbesondere, den intramuskulären Fettgehalt im Fleisch positiv beeinflussen.

    Die Lupine zählt zu den "Leguminosen" oder "Hülsenfrüchtlern", so wie Erbsen und Ackerbohnen. Ihr Eiweiß enthält viel "glukogene" Aminosäuren, erläutert Gerhard Stalljohann nach dem Kontrollgang durch die Versuchsställe. Das sind Eiweiß-Bausteine, ...

    "... die in Glukose umgewandelt werden können, also in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden können. Aber diese Glukose kann natürlich dann auch wiederum in Fett umgewandelt werden. Wo dann die Aminosäuren hätten abgelagert werden können im Fleisch, dort wird dann quasi Fett abgelagert - eben dieses intramuskuläre Fett zwischen den Muskelsträngen.

    Wenn man wollte, könnte man durch eine gezielte Eiweiß-Zufuhr also wieder mehr Fett ins Muskelfleisch bringen. Und dadurch auch mehr Geschmack. Eine Option für die Zukunft.

    Allerdings wird die Fett-Qualität in der Praxis schon längst über die Fütterung beeinflusst. Unbemerkt, durch die moderne Intensiv-Mast.

    Schweine und Rinder stehen heute kaum mehr auf der Weide. Sie verbringen ihre Zeit vornehmlich - oder ausschließlich - im Stall. Statt Wiesen-Kräuter und Gräser kaut das Vieh nunmehr Getreide, Soja und Mais. Das macht sich im Fett der Tiere bemerkbar. Und zwar deutlich. Denn die Futterquellen steuern unterschiedliche "Omega-Fettsäuren" bei: Gräser und Kräuter viel vom Typ 3, Getreide dagegen fast nur Typ 6.

    Beide sind zwar essentiell, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Doch nach den Erkenntnissen der Ernährungsforschung nehmen wir zu wenig vom Omega-3-Typ auf. Und viel zu viel vom Typ 6. Deswegen werden inzwischen auch Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren angereichert. In Studien zeigte sich, dass sie das Risiko für koronare Herzerkrankungen vermindern können.

    Am Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere bei Rostock fand man nun heraus: Im Muskelfett von Weide-Rindern herrscht ein "gesundes Verhältnis" von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren. Es liegt bei 1,5:1. Bei Stall-Rindern dagegen beträgt es 10:1 und mehr. Entsprechend liefert auch ihr Fleisch nur wenig von den wertvollen Omega-3-Fettsäuren. Das Gleiche wird für Schweine aus der Intensivmast gelten.

    Am Nährstoff-Status von Fleisch hat sich also schon etwas geändert. Aber ist das wirklich Anlaß zur Sorge? fragt sich Agrarforscherin Henning:

    Wenn wir nun bestimmte essentielle Fettsäuren zu uns nehmen wollen, dann können wir das ja doch gerne über das Salat-Öl machen. Und lassen das Schweinefleisch mit seinem wenigen Fett so beschaffen wie es ist. Und können auf diese Art und Weise ja bei einer Mischkost uns wirklich gar nichts Negatives antun, sondern eher was Positives.

    Doch was ist mit Fleisch-Verarbeitungsprodukten? Mit Wurst und Speck etwa? Auch die haben hohe Verzehrsraten, ...

    "... und gerade Wurst ist immer noch eine bedeutende Quelle der Aufnahme an tierischen Fetten. Und es wäre jetzt falsch, das Bild abzugeben, dass nur noch mageres Fleisch verzehrt wird.

    Insofern spiele die Art von Fettsäuren in Fleischwaren schon eine Rolle, meint Bernhard Watzl aus dem Institut für Ernährungsphysiologie der Bundesforschungsanstalt für Ernährung ...

    Je nachdem, was Sie für 'ne Wurst haben: 50, 60 Prozent Fett ist sicherlich leicht zu erreichen.

    Martina Henning kann sich einen Schwenk zur ernährungsphysiologisch wertvolleren Wurst gleichwohl nicht vorstellen. Sie denkt dabei an Produkte wie Salami und Bauchspeck. Bei ihnen brächten mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie die Omega-3-Fettsäuren technische Probleme mit sich:

    Da kann man zum Beispiel keine Fette verwenden, die jetzt, ja, so den flüssigen Charakter haben, also ungesättigte, langkettige, so ölige Fette. Denn die würden einfach die Stabilität der Produkte nicht gewährleisten. Und deswegen ist es auch wirklich zu überlegen: Muss man nun von dem Schweinefleisch all diesen Gesundheitswert verlangen, den wir zum Beispiel, ja, genauso über die Beilagen zu uns nehmen könnten?

    Diese Überlegung führt zu der eigentlich entscheidenden Frage: Es mag einzelne Lebensmittel geben, bei denen der Nährstoff-Gehalt über die Jahre oder Jahrzehnte leicht abgenommen hat. Aber ist das wirklich ein so großes Problem?

    Aus der Sicht von Ernährungsforscher Watzl ist es das nicht, ...

    "... weil sie über ein Produkt an sich nicht den Nährstoffbedarf decken. Ihr Nährstoffbedarf wird gedeckt, indem Sie eine sinnvolle Auswahl verschiedenster Lebensmittel zu sich nehmen. Und diese Vielfalt war früher nötig. Und die ist auch heute noch nötig. Und ich kann ganz klar mit den Lebensmitteln, die es gibt, wenn ich entsprechend sinnvoll auswähle, mich wunderbar perfekt ernähren.

    Nur gelingt das den wenigsten. Wer stellt schon seine Ernährung auf den Prüfstand? Und ändert sie im Zweifelsfall auch?

    Das ist etwas, was sehr vielen Verbauchern schwerfällt. Und man verfällt dann leicht in diese andere Position und sagt dann: ,Ja, die Qualität dieser Lebensmittel! Die sind ja so schlecht, dass ich mich ja gar nicht mehr gesund ernähren kann.’ Letztendlich dient es dazu, sich selbst davon abzuhalten, aktiv seine persönlichen Ernährungsgewohnheiten in die Richtung zu verändern, dass ich mehr Gemüse und Obst aufnehme, weniger tierische Produkte esse. Wichtig ist zu wissen, dass wenn ich viel Obst und Gemüse esse, bei der Qualität, wie ich sie jetzt kaufen kann, dann kann ich ganz klar etwas dafür tun, um Krankheitsrisiken langfristig zu verringern.

    Erdbeeren heute hier! Schale Erdbeeren für 1,99! Bananen heute hier! Händchen Bananen hier für 1 Euro! Tüte Champignons 1 Euro hier! Blumenkohl hier für nur 2,50. Sonst noh jet?