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Wahrnehmung ist Illusion

Das in Berlin lebende kanadische Künstlerpaar Janet Cardiff und George Bures Miller gestaltet unter dem reißerischen Titel "Killing Machine" Installationen. Gestern haben sie den diesjährigen Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste in Berlin erhalten, zugleich wurde ihre Ausstellung eröffnet.

Von Carsten Probst |
    Es ist die atmosphärische Dichte und die inszenatorische Eleganz und Suggestivkraft ihrer Installationen, die die Arbeiten von Janet Cardiff und Georges Bures Miller aus der oft eher technikverliebten Szene der Klangkünstler heraushebt. Ihr erzählerischer Ansatz kommt gut an beim Publikum, auch wenn dies des Englischen nicht mächtig sein sollte. Die physische und atmosphärische Wirkung der Soundproduktion erlaubt es, dass man ihren Hörstücken im Raum nicht vollständig folgen muss, um dennoch einen nachhaltigen Eindruck zu erhalten. Es reicht, zwischen den im Raum verteilten Lautsprechern umherzugehen oder sich das Spektakel der Installation einige Minuten lang anzusehen und die beigemischte Komposition aus Musik, Sprache, Licht und Geräusch auf sich wirken zu lassen, um einen Grundeindruck zu erhalten, der sich in der Fantasie fortsetzen lässt.

    Wie in der wahrlich bedrückenden Arbeit "Killing Machine", die 2007 erstmals unter anderem auf der Darmstädter Mathildenhöhe gezeigt wurde und nun das Herzstück der Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste ist. Literarisches Vorbild der Installation ist die perfide Tätowiermaschine in Franz Kafkas Erzählung "In der Strafkolonie". Doch Janet Cardiff und Georges Bures Miller geht es nicht um eine historische literarische Illustration, sie haben Kafkas Apparatur für ihre heutigen Zwecke weitergedacht. In einem Gerüst, das an eine Art Folterkäfig erinnert, sieht man elektronisch gesteuerte Roboterarme mit nadelartigen Geräten über einem leeren Behandlungsstuhl umherfahren und nach einem rätselhaften Rhythmus auf einen unsichtbaren Körper einstechen. Die dramatische Klanginstallation ist mehr als nur Untermalung des Geschehens, sie scheint es vielmehr voranzutreiben. Man sieht Schlagstöcke auf die Saiten einer E-Gitarre schlagen, aus einem kreisenden Megafontrichter scheppern Durchsagen, und über allem schwebt wie zum Hohn eine glitzernde Disko-Kugel. Irgendwie schwingt in diesem ganzen Arrangement die lakonische Grausamkeit von Bruce Naumans "Musical Chair" mit, einer Installation aus den frühen achtziger Jahren, in der Nauman die Allgegenwart der Folter in der (gesamt-) amerikanischen Kultur anprangert. Die Todesstrafe, Guantanamo, die diversen Entgleisungen von US-Soldaten im Irak oder bei anderen Auslandseinsätzen - leicht lassen sich hier auch bei Cardiff und Miller Assoziationen zur politischen Aktualität wecken. Aber die politische Metaphorik ist andererseits nicht das wesentliche Merkmal im Werk der beiden Kanadier. Bildmacht und Dramaturgie ihrer Installationen schöpfen eher aus dem Bereich des Irrationalen und der Traumsequenzen. Wie in "The Murder of Crows", einer komplexen Soundinstallation aus 92 im Raum verteilten Lautsprechern, die vor wenigen Jahren schon einmal im Museum Hamburger Bahnhof Berlin zu sehen und zu hören war und die ähnlich dem Soundtrack zu einem inneren Film auf verschiedenen Ebenen traumartige Visionen heraufbeschwören.

    In einer ihrer neuesten Arbeiten sieht und hört man in zwei projizierten Videobildern die beiden Künstler während einer Autofahrt die Pläne für eine neue Videoarbeit besprechen - nämlich genau jene Arbeit, die man jetzt hier sieht. Doch die Verwirrung der Realitätsebenen von Bild und Ton wird perfekt, wenn sich herausstellt, dass die Tonspur der einen Projektion sich von der anderen unterscheidet, obwohl die Bilder die gleichen sind. Mehr noch, dass die eine Tonspur die andere zu kommentieren und korrigieren scheint. Der Dialog der beiden Künstler wächst über sich hinaus zum Rollenspiel, das sich beständig aktualisiert, ohne festen Anfang oder klares Ende. Das mysteriöse Eigenleben der Tonspuren ist am Ende zugleich die treffendste Selbstbeschreibung der Zusammenarbeit dieses Künstlerduos.