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Wahrscheinlichkeit überall

Statistik.- Statistische Methoden werden meistens von Mathematikern entwickelt, die sie dann anderen Wissenschaften zur Verfügung stellen – etwa der Soziologie. Obwohl die mathematische Statistik ihre Werkzeuge stark verbessert hat, werden alte Methoden oft über Jahrzehnte hinweg angewandt.

Von Maximilian Schönherr |
    Claudia Klüppelberg leitet den Lehrstuhl für mathematische Statistik. Die Professorin genießt im Moment eine Auszeit, die ihr der Exzellenzstatus der TU München beschert hat. Dank der extra Gelder konnte die Hochschule ein übergreifendes "Institute for Advanced Study" gründen, und genau das brachte Claudia Klüppelberg auf Ideen, die sie im normalen Lehrbetrieb nicht gehabt hätte:

    "In dieser dreijährigen Auszeit kann man ganz neue Dinge anstoßen. Diese neuen Dinge führen mich von meinen bisherigen Forschungen, die sich in Finanz-/Versicherungsmathematik orientiert haben, mehr in Richtung Ingenieurswissenschaften, Klimaforschung, biologische Probleme – ich möchte mich also in diese Richtung erweitern."

    Bereits in den letzten Monaten hatte sich die Mathematikerin von den statistischen Geldflüssen wegbewegt. Zwei ihrer Doktoranden sind dafür prototypisch. Florian Ülzhöfer zum Beispiel erforscht sehr Theoretisches, etwas ganz Grundsätzliches, was mit der Güte von Aussagen über zukünftige Ereignisse zu tun hat, damit, wie man messen muss, um aus einem statistischen Prozess verlässliche Schlüsse ziehen zu können:

    "Es gibt in der sogenannten asymptotischen Statistik die zwei Möglichkeiten: Man kann sich überlegen, was passiert, wenn ich meine Beobachtungszahlen dadurch erhöhe, dass ich die Frequenz der Beobachtung erhöhe."

    Also häufiger hingucke und messe.

    "Oder dass ich immer länger, über längere Zeit beobachte. Im praktischen Leben ist natürlich beidem eine Grenze gesetzt."

    Christina Steinkohl promoviert dagegen über ein ganz praktisches Thema, nämlich die Steuerung von Windkraftwerken. Sie hat über 100.000 Winddaten gesammelt und wertet sie mit der sogenannten Extremwerttheorie aus. Im Moment werden in der Praxis die Rotoren ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit aus dem Wind gedreht und abgeschaltet, um sie nicht zu beschädigen. Es dauert dann lang, um sie wieder anzuwerfen, und häufig wäre die Abschaltung gar nicht nötig gewesen. Energieverlust.
    "Man könnte zum Beispiel vorhersagen, dass in den nächsten sieben Sekunden, also in sieben Sekunden das Risiko, dass ein extremer Wind passiert, relativ hoch ist. Dann könnte man die Rotoren von Windturbinen darauf einstellen. Denn diese brauchen ungefähr sieben Sekunden, um sich neuen Situationen anzupassen, und wenn man das Risiko schon sieben Sekunden vorher bestimmen könnte, dann kann man das verwenden, um das Risiko zu minimieren."

    Die Krönung einer solchen Forschung wäre natürlich, dass die Extremwertmodellierung von Christina Steinkohl in die Steuerung künftiger Windfarmen eingebaut würde. Die Energieersparnis liegt auf der Hand. Ihre Professorin Claudia Klüppelberg freut sich nach dem heutigen Workshop über statistische Methoden und Modelle auf viel interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die stille Wissenschaft Statistik steckt heute fast überall drin, auch in der Klimamodellierung.

    "Also wir haben in der letzten Zeit öfter mit unserer Klimaforscherin, Frau Professor Menze, gesprochen. Die beschäftigt sich ebenfalls mit Extremwertproblemen, einem klassischen Klimaproblem. Und die Methoden, die wir hier entwickelt und auch im Bereich Finanzen und Versicherungen angewandt haben, können wir jetzt auf Probleme und Modelle übertragen, die Frau Menze benutzt. Was den Workshop betrifft, den wir hier veranstalten, ist das teilweise Neuland. Der Zweck ist ja, Leute zusammenzubringen, die sonst nichts miteinander zu tun haben. Das ist einfach spannend, zu sehen, inwieweit man Methoden vergleichen und auch austauschen kann. Das geht sicherlich nicht immer, weil die Datenlage natürlich von Modell zu Modell und von Problem zu Problem verschieden ist."