Christiane Knoll: Das Waldsterben der 80er Jahre war ein Weckruf, seitdem schon steuert die Waldwirtschaft um. In die großen Nadelbaummonokulturen mischten sich Buchen und Eichen und das hat dem Wald auch gutgetan. Nur jetzt stößt auch diese Strategie an Grenzen. Selbst die Buche, der Hoffnungsträger zwischen den Fichten, wirft ihre Blätter ab. In Basel wurden Teile des Stadtwalds gesperrt aus Angst vor den abbrechenden Ästen. Zurück zum urdeutschen Mischwald könnte zu kurz greifen in Zeiten des Klimawandels. Aber was pflanzt man stattdessen? Eine Antwort könnte aus Freiburg kommen, wo auf kleinen Parzellen seit mittlerweile 12 Jahren verschiedenste Arten wachsen, die vielleicht besser geeignet sind für die heiße, trockene Zukunft. Verantwortlich für die Pflanzung ist Jürgen Bauhus, Forstwissenschaftler an der Universität Freiburg, gestern habe ich mit ihm telefoniert und ein paar Kandidaten konnte er mir schon nennen.
Jürgen Bauhus: Was wir sehen in den Versuchen, die wir angelegt haben, dass vor allen Dingen Eichenarten relativ gut mit der Trockenheit zurechtkommen, auch Eichen aus Südeuropa, die ungarische Eiche, die Zerreiche und besonders auch die nordamerikanische Roteiche. Weitere Baumarten, die bei uns sehr tolerant gegenüber Trockenstress sind, sind Ahorne wie zum Beispiel der Spitzahorn oder der Feldahorn. Am fremdländischsten wäre wahrscheinlich die Roteiche oder der nordamerikanische Zuckerahorn.
Knoll: Wie schauen die denn aus?
Bauhus: Gut, die meisten Laien würden wahrscheinlich nicht merken, dass es sich da um exotische Bäume handelt. Der Zuckerahorn, der sieht wahrscheinlich für viele dem Spitzahorn zum Verwechseln ähnlich, und die Roteiche würde man schon erkennen, da sie deutlich größere Blätter hat als zum Beispiel unsere heimischen Eichenarten.
Knoll: Was genau haben Sie da in der Nähe von Freiburg gepflanzt, wie muss ich mir das vorstellen?
Bauhus: Wir haben hier in der Nähe von Freiburg zwei unterschiedliche Versuchsanlagen. Das ist einmal ein Versuch mit 14 unterschiedlichen Baumarten, die in Parzellen gepflanzt worden sind, wo jeweils auf der Parzelle nur eine Baumart vorkommt. Hier geht es also um einen reinen Vergleich der Baumarten. Zum anderen haben wir eine Versuchsanlage, in der es hauptsächlich um die Frage geht, inwieweit der Baumartenreichtum an sich eine Steuerungsgröße ist für die Reaktion von so einem Waldökosystem, also zum Beispiel, ob die Produktivität höher ist in solchen Mischbeständen, aber eben auch, ob die einzelnen Baumarten in Mischungen vitaler sind als in Reinbeständen.
"Es kommt sehr auf die Kombination der Baumarten an"
Knoll: Das ist ja auch genau das, was man in den letzten Tagen viel hört. Zuletzt hat der BUND mehr Mischwald gefordert, und das testen Sie ja jetzt genau, welche Bäume können am besten miteinander. Können Sie das bestätigen, eine Mischung ist immer gut?
Bauhus: Es gibt im Prinzip zwei Effekte, auf die man hier achten muss. Das eine ist quasi der Effekt, der sich aus der Risikostreuung ergibt bei Mischbeständen. Das ist also genauso wie ein Portfolioeffekt in einer Aktienanlagestrategie. Wenn in einer Mischung dann eine Baumart ausfällt, dann sind immer noch andere da, sodass wir dann immer noch ein funktionierendes Waldökosystem haben. Das ist die Risikostreuung, und das ist auch das, was sicherlich der BUND meint und auch die meisten propagieren, wenn sie über Mischbestände reden. Der andere Effekt ist dann quasi der Mischungseffekt, und da untersuchen wir, wie durch die Wechselwirkung zwischen den Baumarten es zu Veränderungen in den Reaktionen der einzelnen Baumarten kommt. Wir haben in unserem Versuch einige Baumarten, die eher unter der Mischung leiden, und zwar dann vor allen Dingen unter Trockenstress. Und das ist auch etwas, was wir nicht nur in unseren Versuchen hier vor Ort sehen, sondern auch in Gradienten über Europa hinweg analysiert haben. Es kommt also sehr auf die Kombination der Baumarten an.
Knoll: Können Sie da mal konkret werden, können Sie uns ein Beispiel nennen?
Bauhus: Ja, was wir hier zum Beispiel sehen, ist, dass einige der Nadelbaumarten, insbesondere die wir in unserem Versuch hier haben, wie zum Beispiel eine Fichte oder eine Kiefer, im Reinbestand deutlich weniger von Mortalität betroffen sind, als wenn ich sie mit Birke oder Ahorn gemischt habe. Dort fallen sie dann im Wachstum vergleichsweise zurück und stehen dann unter dem Kronendach der anderen Baumarten und erleben einen deutlich stärkeren Stress, deutlich stärkeren Wasserstress, werden somit anfälliger für Borkenkäfer.
Knoll: Das klingt ja doch recht kompliziert. Außerdem ist es ja so, dass es, den Wald für den Klimawandel zu rüsten, auch lange dauert. Haben wir überhaupt so viel Zeit?
Bauhus: Ja, also das ist tatsächlich ein Problem, dass uns die Zeit davonläuft, dass wir eigentlich für die Probleme, die wir jetzt sehen, schon viel früher und in viel stärkerem Maße unsere Wälder hätten umbauen müssen.
Knoll: Sie sagen, Sie hätten vor 30 Jahren schon reagieren können, aber stimmt das denn wirklich? Sie haben ja im Vorgespräch auch erzählt, dass Hoffnungsträger, die mal als solche galten, heute gar keine mehr sind, dass Sie doch Überraschungen erlebt haben.
Bauhus: Ja, ich meine, das kommt natürlich hinzu, dass auch unser Wissen begrenzt war, immer noch begrenzt ist.
Die Hoffnungsträger unter den Baumarten
Knoll: Ja, auch überholt wird von den Realitäten.
Bauhus: Und überholt wird von den Realitäten, genau. Also Hoffnungsträger wie die Buche, die deutsche Baumart, gemessen an der potenziellen Verbreitung, beginnt auch zunehmend unter diesen Bedingungen zu leiden und an vielen Orten auch mit deutlicher Mortalität zu reagieren. Andere Baumarten, die bis vor Kurzem auch mal als Hoffnungsträger galten, insbesondere im Nadelholzbereich, um die Fichte zu ersetzen, wie zum Beispiel die Tanne oder auch die Lärche, da sehen wir auch auf großer Fläche Ausfallerscheinungen. Das hat viel damit zu tun, dass wir diese Interaktion zwischen Klimawandel und dann eben doch biotischen Schaderregern bei den Nadelhölzern – Borkenkäfer, aber auch pilzliche Erkrankungen – offensichtlich nicht wirklich abschätzen konnten.
Knoll: Ist das Problem mit einer neuen Artenauswahl denn überhaupt zu lösen, oder ist das Problem viel größer? Wie schätzen Sie das ein?
Bauhus: Das Problem ist sehr groß, mit einer neuen Auswahl von Arten können wir das Problem alleine nicht lösen. Das ist ja auch ein langfristiger Prozess. Wir können uns ja nicht einfach so in der Welt umgucken und überlegen, ja, die Art können wir da mal ausprobieren. Bevor man hier eine Art einführt, braucht man ja auch eine umfängliche Prüfung einer solchen Art: auf welchen Standorten sie wachsen kann, wie sie auf die hier vorkommenden Schädlinge und Pathogene reagieren wird, welche Eigenschaften sie auch mit sich bringt, was ihre Nutzung angeht, welche Arten auch auf ihr vorkommen können. Das ist ja eine Frage, die man aus vielen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchten muss, bevor man quasi einer Baumart eine Unbedenklichkeitsbescheinigung mit auf den Weg geben kann. Und so was passiert natürlich nicht von heute auf morgen. Wir haben natürlich schon eine ganze Reihe von Baumarten, die vor langer Zeit, zum Teil vor über 100 oder 200 Jahren, eingeführt worden sind, wir müssen nicht bei jeder nicht einheimischen Baumart quasi bei null anfangen. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von wenig erprobten Baumarten oder eben auch heimischen Baumarten, die bisher nur auf sehr geringer Fläche vorkommen, wo wir unseren Wissensstands deutlich verbessern müssen.
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