Portugals Staatspräsident ist zurück im Waldbrandgebiet rund um den Ort Pedrógão Grande, rund 200 Kilometer nördlich von Lissabon. Bereits am späten Samstagabend war Marcelo Rebelo de Sousa in das hügelige, dicht bewaldete Gebiet gefahren, in dem mindestens 63 Menschen in den Flammen ums Leben kamen und über 130 verletzt wurden. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um über die Gründe der Waldbrände nachzudenken, sagte Rebelo de Sousa, denn die Feuerwehr kämpfe weiter gegen die Flammen an, und die Menschen vor Ort wären auf Hilfe angewiesen.
Die Diskussion über die Ursachen der schlimmsten Waldbrandkatastrophe in der portugiesischen Geschichte ist jedoch längst in vollem Gange. Vor allem eine Frage steht im Raum: Warum haben die Behörden eine Nationalstraße, auf der 47 Menschen in oder neben ihren Autos verbrannten, nicht rechtzeitig gesperrt?
Kritik an Feuerwehr und Zivilschutz: Fehl am Platze
Der unabhängige Brandschutzexperte António Gomes hält nichts von dieser Kritik an Feuerwehr und Zivilschutz. Gomes, ein ehemaliger Feuerwehrhauptmann, sagt, er habe bei der Bekämpfung von Waldbränden in seiner 25-jährigen Dienstzeit noch nie derartig extreme Wetterbedingungen erlebt, wie sie in dem Ort in Zentralportugal am vergangenen Samstag geherrscht haben: extreme Trockenheit, Temperaturen von über 44 Grad, Blitzeinschläge ohne Niederschlag und ein sehr starker Wind, der ständig seine Richtung wechselte.
Mit seinen 30.000 Feuerwehrleuten sei Portugal sehr gut bedient, sagt Gomes. Das Problem läge nicht bei der Feuerbekämpfung:
"Portugal hat in den vergangenen Jahrzehnten alles getan, um eine Infrastruktur aufzubauen, die auf Waldbrände reagieren kann. Doch wir hätten viel mehr in die Prävention investieren müssen. Wir brauchen eine nationale Strategie, um den Wald und die Forstwirtschaft für die Menschen wieder attraktiver zu machen. Es gibt ein großes Ungleichgewicht zwischen den entwickelten Küstenregionen Portugals und den abgeschiedenen Waldregionen im Landesinneren. Früher haben sich die Leute um ihre privaten Waldstücke gekümmert, es gab eine funktionierende Gemeinde. Heute leben nur noch die Alten in der Region, und die können irgendwann den Wald nicht mehr richtig pflegen."
Der Wald bedeckt 39 Prozent des portugiesischen Staatsgebietes, doch nur drei Prozent des Waldes sind in staatlicher Hand. Um die Forstwirtschaft für die vielen Privateigentümer rentabler zu machen, hat die vorherige konservative Regierung vor knapp vier Jahren ein Gesetz verabschiedet, dass den Anbau von Eukalyptusbäumen auf kleinen Flächen erleichtert.
Privateigentümer in abgeschiedenen Waldgebieten unterstüzen
Der Eukalyptusanbau müsse nicht zwangsläufig ein Grund für die vielen Waldbrände sein, sagt der Umweltschützer und Agrarwissenschaftler Eugénio Sequeira und zeigt auf eine Zeichnung: Ein ausgeklügeltes Eukalyptusanbaugebiet, unterbrochen von Schneisen und ein paar Reihen gepflanzter Eichen. Die in Portugal einflussreiche Papierindustrie, so Sequeira, würde sich auf ihren großen Anbauflächen an solchen Ideen orientieren - und dort gäbe es auch keine Waldbrände. Der Umweltschützer glaubt, dass gerade in Gegenden wie dem Katastrophengebiet um Pedrógão Grande die Eigentümer kleiner Waldgrundstücke gezwungen werden müssten, sich zusammenzutun, um eine rentable Forstwirtschaft auch nachhaltig betreiben zu können:
"Wenn die Waldbesitzer sich in einer Kooperativen oder in einer beschränkten Aktiengesellschaft zusammenschließen würden, könnten sie gemeinsam viel mehr aus ihrem Besitz rausholen. Wir brauchen Versuchs- und Demonstrationszentren, wo diese Modelle in der Region umgesetzt werden, damit die Waldbauern dem guten Beispiel folgen."
Der portugiesische Staat muss härter durchgreifen
Die sozialistische Minderheitsregierung hat im März die Grundpfeiler für eine Waldreform verabschiedet. Danach sollen verlassene Waldgrundstücke leichter vom Staat enteignet werden können, und gleichzeitig die lokalen Behörden mehr Macht erhalten, damit sie das Gebiet, für das sie zuständig sind, effizienter verwalten können. Dem Umweltschützer Eugénio Sequeira geht das trotzdem nicht weit genug. Er sagt:
"Die Regierungen haben immer wieder eine Reihe von losen Gesetzen verabschiedet, um den Eindruck zu erwecken, dass das Problem nun gelöst werde. Aber keiner hat den Mut, richtig tief einzugreifen und den Waldbesitzern zu sagen: Entweder ihr schließt euch zusammen, oder wir enteignen euch. Wir brauchen eine Revolution in den Köpfen, funktionierende Gesetze und einen Staat, der endlich richtig eingreift."