Europas Wälder stehen in Flammen: Die Feuer wüten im Juli 2023 auf den Inseln Rhodos und Korfu sowie in zahlreichen weiteren Regionen Griechenlands. Einwohner und Touristen wurden zu Tausenden in Sicherheit gebracht. Auch auf Sizilien gibt es Ende Juli viele Brandherde.
In Spanien wurden bereits im März 2023 weitere Tausende Hektar Wald von Feuer vernichtet, im Mai folgte noch ein Großbrand. Die Ursache war Brandstiftung. Auch Kanada hat seit Monaten mit schweren Waldbränden zu kämpfen. Mehr als 100.000 Quadratkilometer Wald und andere Landschaften wurden bereits zerstört.
Der EU-Atmosphärendienst CAMS (Copernicus Atmosphere Monitoring Service) hat in beiden Ländern Rekordwerte bei Brand-Emissionen gemessen. Die Nordhalbkugel soll in diesem Frühjahr besonders schwer von Waldbränden betroffen sein.
Ein Drittel der deutschen Waldbrände in Brandenburg
In Deutschland ist Brandenburg von Waldbränden besonders betroffen. Des "Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse" wird die Mark schon seit Jahrhunderten genannt - wegen ihrer kargen Böden, von Kiefern bewachsen. Seit 2018, dem großen Hitzesommer, hat sich der Boden nicht erholt. Die Trockenheit macht der Mark zu schaffen. Der Wald brennt wie Zunder, jeder dritte Waldbrand in Deutschland wird in Brandenburg entfacht.
In Zahlen: Mehr als 200 Waldbrände hat es bis Mitte Juli 2023 in Brandenburg gegeben. Das waren nach Daten des Landesforstbetriebs allerdings deutlich weniger als im Vorjahr. 2022 gab es dort bis Mitte Juli 350 Brände. Der größte Waldbrand brach im Juni auf einem ehemaligen Truppenübungsgelände bei Jüterbog aus.
Warum brennt der Wald immer wieder?
Warum der Wald immer wieder brennt, ist einfach zu beantworten: Schuld ist fast immer der Mensch. Laut Bundesumweltamt konnte in rund der Hälfte der Fälle bei Waldbränden 2020 keine Ursache ermittelt werden. Wenn dies doch gelang, sind die Daten eindeutig. Brandstiftung und vor allem Fahrlässigkeit waren fast immer die Ursache. Phänomene wie Blitzeinschlag spielen eine untergeordnete Rolle; sie waren in dem Jahr nur für rund zwei Prozent der Brände verantwortlich.
Es ist die weggeworfene Zigarettenkippe, die den Wald in Brand setzt. Oder das Lagerfeuer am See, das nicht richtig gelöscht wird. Ab und an passen auch Landwirte oder Waldarbeiter nicht auf. Der sorglose Umgang mit Feuer kann in trockenen Waldgebieten schnell katastrophale Folgen haben. „Es gibt drei Hauptursachen für Brände“, sagt der Forstwissenschaftler Alexander Held vom European Forest Institute: „Männer, Frauen und Kinder“.
Der gesunde Menschenverstand greift nicht immer
Weit über 90 Prozent der Brände werden demnach durch Unachtsamkeit verursacht. Bei Waldbrandwarnstufe vier oder fünf sollte einem schon der gesunde Menschenverstand sagen, im Grünen nicht zu grillen oder Feuer zu machen, meint der Ökologe. Doch das Bewusstsein für das "Risiko Feuer" sei weder in der Gesellschaft noch in der Politik weit genug verbreitet.
Der Waldbrandschutzbeauftragte in Brandenburg, Raimund Engel, klagt auch über vorsätzliche Brandstiftung, "aus welchen Beweggründen auch immer". Es werde gezündelt und so dem Wald großen Schaden zugefügt. Wenn sich alle an das strikte Feuer- und Rauchverbot im Wald hielten, "wären wir ein Stück weiter", betont er.
Gibt es mehr Waldbrände als früher?
Durch die Klimadebatte sind Waldbrände in den vergangenen Jahren mehr in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Im August 2018 machte ein Waldbrand bundesweit Schlagzeilen, der ebenfalls bei Treuenbrietzen ausbrach. Winde verstärkten das Feuer, es wütete auf mehr als 300 Hektar Waldfläche.
Dass es grundsätzlich mehr Waldbrände gibt als früher, lässt sich allerdings nicht sagen. Ein Trend zur Zahl der Brände und der betroffenen Fläche ist über die vergangenen drei Jahrzehnte nur schwer abzulesen.
1992 über 3000 Waldbrände in Deutschland
So waren 1992 beispielsweise mehr als 4.900 Hektar betroffen, das ist der absolute Spitzenwert in diesem Zeitraum. 2020 waren es rund 368, im Jahr davor wiederum 2711 Hektar. Am wenigsten Waldfläche wurde 2014 mit 120 Hektar vernichtet.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Anzahl der Brände. 2020 waren es 1360, im Jahr 2017 nur 424. Auch hier liegt der Spitzenwert im Jahr 1992: Damals wurden 3012 Waldbrände in Deutschland gezählt.
Im internationalen Vergleich erscheinen die Waldbrände in Deutschland klein. Im Jahr 2022 verbrannten allein in Spanien laut Europäischem Waldbrandinformationssystem EFFIS rund 330.000 Hektar Wald. 2021 waren vor allen Italien und Griechenland stark betroffen.
Noch weit größere Ausmaße hatten in der Vergangenheit Waldbrände in den USA und Kanada, Buschfeuer vernichten immer wieder große Flächen in Australien. 2019 standen Teile des Amazonas-Regenwaldes in Flammen: Die zerstörte Fläche wird auf 36.000 Quadratkilometer geschätzt.
Noch weit größere Ausmaße hatten in der Vergangenheit Waldbrände in den USA und Kanada, Buschfeuer vernichten immer wieder große Flächen in Australien. 2019 standen Teile des Amazonas-Regenwaldes in Flammen: Die zerstörte Fläche wird auf 36.000 Quadratkilometer geschätzt.
Wird es künftig mehr Waldbrände geben?
Vermutlich ja, aber sicher sagen lässt sich das nicht. Wahrscheinlich ist vor allem, dass die Waldbrände noch heftiger werden. Die deutsche Forstwirtschaft verweist auf Risikountersuchungen, die für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandrisiko voraussagen. Dies liege wesentlich an erhöhten Temperaturen und rückläufigen Niederschlägen in den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmonaten. Wegen des Klimawandels wird es wärmer und trockener. Dadurch gibt es im Wald mehr brennbares Material.
Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. "Das spitzt sich offenkundig zu. Jetzt hatten wir Extrembedingungen schon im Juni. Und ja, wir wissen, dass alles viel zu trocken ist." Die Brände in Brandenburg haben auch sein Forschungsprojekt zum Thema Waldbrand getroffen.
Ein weiteres Problem ist laut dem Forscher Johann Goldammer das ökologisch sinnvolle Ziel der Förderung von Biodiversität. Dafür lässt man etwa Totholz länger im Wald. Dort finden bestimmte Lebensformen ihr Habitat. Viel Totholz bewirke aber, so der Professor für Feuerökologie, dass sich die Feuer vor Ort festfressen. Eigentlich sei das gut. Denn dann breiteten sie sich weniger schnell aus. Das Problem bestehe darin, dass sich die Feuer durch die veränderte Bewirtschaftung mit mehr Totholz länger halten und auch tiefer greifen, bis zum Stammfuß und den Wurzeln der Bäume. "Dann ist die Mortalität groß. Im Grunde genommen kann sie sehr schnell hundert Prozent erreichen", so Goldammer. Auch das ökologische Bemühen, möglichst viel Kohlenstoff terrestrisch zu speichern, bewirke eine hohe Last an potenziellem Brennmaterial.
Wie kann man Waldbränden vorbeugen?
Der Forstwissenschaftler Alexander Held kritisiert: Eigentlich würden die Feuerwehren immer wieder in die gleiche Schlacht geschickt, nämlich auf unvorbereitetes Gebiet. Das sei ungefähr so, als würde man einen Industriekomplex bauen, aber auf Rauchmelder, Sprinkleranlagen, Feuerschutztüren und Fluchtwege verzichten.
Sein Rat, der seit langer Zeit in der Wissenschaft Usus ist: naturnäher denken. Dem Wald zu höherer Widerstandskraft verhelfen, ihn umbauen. Viele zu lange habe der Fokus beim Thema Waldbrand vor allem auf der Feuerbekämpfung gelegen, dort seien 90 Prozent von Energie und Geld hineingeflossen, sagt Held.
Doch nach Ansicht des Waldbrandmanagers müssten diese Mittel nicht dort, sondern in den Waldumbau investiert werden. Trockene Fichten brennen quasi von selbst, Mischwälder sind deutlich gewappneter gegen Feuer und möglicherweise auch gegen den einen entscheidenden Funken, der die Katastrophe auslöst.
Naturnahe Wälder sind am besten gewappnet
Ihre Böden speichern Wasser sehr viel besser, ihr Binnenklima ist kühler. Ein Mischwald mit relativ viel Laub und seiner typischen Flora am Boden sei deswegen stabiler bei Trockenheit, halte Stürmen besser stand und sei auch weniger anfällig gegen Schädlinge, so Held. Wenn man es ernst meine mit der Anpassung an den Klimawandel, müsse der Waldumbau mit sehr viel mehr Nachdruck betrieben werden, fordert er.
So sieht es auch der Naturschutzbund Deutschland: Naturnahe Wälder mit einer großen Vielfalt und überwiegend standortheimischen Baumarten seien am besten für die Zukunft gewappnet, heißt es. Doch viele Waldbesitzer setzten noch auf Fichte oder Kiefer, weil diese einfach zu pflegen seien und das Holz leicht zu verarbeiten sei. „Zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen aber eindeutig, dass die Fichte an vielen Standorten zu den großen Verlierern der Klimakrise zählen wird“, betonen die Umweltschützer.
Noch machen Fichte und Kiefer rund die Hälfte des Baumbestandes in Deutschland aus. Der Waldumbau wird seit längerer Zeit betrieben, kommt aber nicht besonders schnell voran. In Brandenburg wurden laut Umweltministerium in Potsdam zwischen 1990 und 2021 rund 91.500 Hektar Wald neugestaltet. Insgesamt gibt es allerdings rund 1,1 Millionen Hektar Wald auf mehr als einem Drittel der Landesfläche. Und die Kiefer ist die dominierende Baumart, sie wächst auf rund 70 Prozent der Gesamtwaldfläche.
Kann man die Brandbekämpfung noch verbessern und die Bevölkerung besser schützen?
Experten wie Alexander Held empfehlen vor allem, in den Wäldern Schutzschneisen als Pufferzonen etwa entlang von Wegen einzurichten. Auf diese Weise habe die Feuerwehr „Auffang- und Kontrolllinien“. Das Feuer verliert an Kraft, wenn es keine neue Nahrung findet, und kann so leichter bekämpft werden.
Auch Ortschaften in Brandenburg sollen nun durch solche Schneisen geschützt werden. Um ehemalige Truppenübungsplätze mit munitionsverseuchten Böden gibt es sie nach Angaben der Landesregierung bereits. Forstminister Axel Vogel (Grüne) will die Pufferzonen um diejenigen Orte anlegen, die von Wald umgeben sind.
„Wenn ein Feuer in diese Orte springt, ist es dort kaum zu stoppen“, warnt Vogel: „Aber ich glaube, jetzt haben alle das Problem erkannt und begriffen, dass Waldbrände immer stärker, größer und gefährlicher werden. Und man kann nicht bis zum letzten Augenblick warten, um so eine Schneise zu schlagen.“
Der Feuerökologe Goldammer sprach sich zudem für das Ziehen von Gräben aus. Die Feuerwehren schaffen solche Gräben bereits. Das sei "Ausdruck dafür, dass die Feuer sich in die tieferen Rohhumus-Schichten, in die organischen Auflagen des Waldes hineingefressen haben". Solche Brände seien sehr schwer zu bekämpfen, weil man große Mengen von Wasser benötige, was in felsigen oder Steilhang-Lagen schwierig sei. "Aber wenn man einen solchen Brand in organischen Auflagen isolieren möchte, muss man Gräben ziehen. Das ist eine Technik, die wird weltweit in dieser Form angewendet", so Goldammer.
Darüber hinaus wächst unter den Ländern die Einsicht, beim Thema Waldbrand besser zusammenarbeiten zu müssen. Die Agrarministerkonferenz beriet auf ihrer letzten Sitzung über die Waldbrandgefahr und wandte sich mit dem Vorschlag an die Bundesregierung, gemeinsam eine Präventionsstrategie zum Schutz der Wälder vor Bränden auf den Weg zu bringen.
Quellen: ahe, tmk, dpa, epd