Stefan Römermann: Die Nachrichten und Bilder über die schweren Waldbrände in Portugal, die sind bedrückend. Zwar sind einige Brandherde inzwischen unter Kontrolle, doch an anderen Stellen versuchen Feuerwehr und Katastrophenschutz bisher noch vergeblich, die Flammen zu bekämpfen. Bisher sind mindestens 64 Menschen durch die Waldbrände ums Leben gekommen und inzwischen warnt der Deutsche Wetterdienst auch in Deutschland vor einer erhöhten Waldbrandgefahr. Darüber spreche ich jetzt mit Johann Goldammer. Er ist Waldbrandexperte beim Zentrum für globale Feuerüberwachung in Freiburg. – Herr Goldammer, wie ernst ist denn die Situation in Deutschland? Sind bei uns auch solche Feuerwalzen wie in Portugal denkbar, oder doch eher kleine Minifeuer?
Johann Goldammer: Schönen guten Tag! – Die Statistik hier in Deutschland zeigt zunächst einmal, dass wir im Prinzip in einer recht günstigen Situation sind. Die Anzahl und die Flächen der Waldbrände in den vergangenen Jahren waren relativ klein. Mit drei bis 500 Hektar Waldbrand pro Jahr, verteilt auf tausend Fälle, liegen wir bei etwa einem halben Hektar pro Waldbrand. Da könnte man sich theoretisch entspannt zurücklehnen. Da ist aber Vorsicht geboten, denn der Klimawandel, der sieht auch hier schon einige Änderungen in unserem Wetterverlauf vor, und damit verbunden sind auch das häufige Auftreten von längeren Trockenperioden. Das haben wir ja in diesen Jahren mehrfach erlebt.
Manche Regionen in Deutschland besonders gefährdet
Römermann: Das heißt, der Klimawandel sorgt dafür, dass doch bei uns auch größere Waldbrände möglicherweise ein Problem werden können.
Goldammer: Das ist vor allen Dingen der Fall in den Kiefernwälder Niedersachsens und vor allen Dingen Brandenburgs. Die haben sich zwar seit der letzten Waldbrandkatastrophe von 1975/76 – damals hatte es ja in Niedersachsen erhebliche Probleme gegeben, die vielleicht sogar vergleichbar mit Portugal in diesem Jahr sind -, da hat sich schon etwas geändert durch den Waldumbau – mehr Laubholzarten. Aber in Brandenburg haben wir doch eine sehr extreme Situation, trockene Sandböden, sehr kontinentales Klima. Da kann es schon mal recht heiß brennen.
Römermann: Das heißt, Kiefernwälder sind besonders anfällig? Buchen- und Mischwälder, denen kann ein Waldbrand eigentlich kaum was anhaben?
Goldammer: Ja, und da sehen wir auch schon Änderungen, dass zu solchen extremen Trockenzeiten wie auch jetzt dann doch das Unterholz leicht austrocknet, vor allen Dingen an den Südhanglagen, die lange der Sonne ausgesetzt sind, und da besteht jetzt auch in den deutschen Mittelgebirgen zum Beispiel, die ja in der Regel wenig von Waldbrand betroffen sind, oder auch im Alpenraum, da besteht jetzt ganz hohe Waldbrandgefahr, und hier müssen wir uns doch vorbereiten auf eine Situation, die in den kommenden Jahren regelmäßig zu solchen schweren und gefährlichen Lagen führen kann.
Umbau der Wälder
Römermann: Das heißt, was müssen wir da tun? Müssen wir unsere Wälder umbauen, oder geht es einfach nur darum, die Feuerwehr auszustatten?
Goldammer: Ich denke, der Umbau der Wälder ist eine ganz, ganz große Herausforderung für die Forstwirtschaft, auch für die Forstwissenschaft in Deutschland, weil es ja darum geht, die Baumarten zu identifizieren, die mit dem künftigen Klima klarkommen können, und darunter auch die Klimaschwankungen.
Römermann: Wissen wir denn schon, welche das sind, welche Baumarten da besonders resistent sind?
Goldammer: Paradoxerweise - es mag paradox klingen – ist es ausgerechnet die Kiefer, die heimische Waldkiefer, die im Prinzip am allerbesten mit Klimaextremen zurechtkommt. Sie kommt auch mit einem gewissen Maß an Feuer zurecht, wenn diese Kiefern alt sind und eine starke Borke haben. Sie sind sehr resistent gegen Trockenheit und haben ein hohes Standvermögen, weil sie im Gegensatz zu anderen Baumarten eine tiefe Pfahlwurzel haben und gut verankert sind.
Von anderen Ländern lernen
Römermann: Aber wieso sind denn dann besonders die Kiefernwälder gefährdet? Das verstehe ich nicht.
Goldammer: Die muss man entsprechend bewirtschaften, und zwar mit dem Blickwinkel, der nicht nur auf Produktivität, also Holzproduktion gerichtet ist, oder auf Biodiversität und Naturschutz, sondern auch im Hinblick auf den Waldbrandschutz und die Waldbrandvorbeugung, und das bedarf eines gewissen Umdenkens, weil das bisher hier nicht so notwendig war. Da können wir tatsächlich von anderen Ländern lernen.
Notwendigkeit einer sauberen Waldwirtschaft
Römermann: Das heißt, was muss dann tatsächlich ganz konkret getan werden? Wie sieht der Wald dann aus?
Goldammer: Wir müssen zum Beispiel in einem klassischen Kiefernwald, wie er vielleicht aus solchen Standorten wie in Brandenburg und Niedersachsen nicht wegzudenken ist, sehr stark das Augenmerk auf den Waldboden richten, denn dort ist es, wo die Feuer entstehen, sich ausbreiten, und dort ist es, je nach Menge des Brennmaterials, was dort unter den Bäumen liegt, welche Energie sich entwickelt. Hier sehen wir die Parallelen zu Portugal. Diese Wälder, die dort ja zur Zellstoffproduktion – das sind reine Industriewälder – aufgebaut wurden, diese Wälder werden quasi nicht gepflegt. Hier ist tatsächlich das Augenmerk in Zukunft wieder die gute alte saubere Waldwirtschaft, die aber auch neue Technologien und auch neue Möglichkeiten wie Biomasse-Gewinnung zur Energieerzeugung und so weiter beinhalten kann.
Römermann: Johann Goldammer vom Zentrum für globale Feuerbekämpfung. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.