Britta Fecke: Über die immensen Waldschäden in Deutschland durch zwei zu trockene Sommer und viele zu niederschlagsarme Winter haben wir an dieser Stelle schon oft berichtet. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat heute Mittag zum nationalen Waldgipfel geladen, bei dem sie einen Elf-Punkte-Plan zur Bewältigung von Waldschäden und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel vorstellen will. Welche Maßnahmen sinnvoll wären, darüber möchte ich aber jetzt schon mit Professor Pierre Ibisch, Waldökologe an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, sprechen. – Herr Ibisch, im vergangenen Jahr sind durch die Dürre und die Folgen wie Brände und Borkenkäferbefall mehr als 110.000 Hektar Wald abgestorben. Dieses Jahr war ja wieder sehr heiß und in weiten Teilen Deutschlands auch sehr, sehr trocken. Wie beziffern Sie ungefähr die Zahl oder die Fläche der sterbenden Bäume?
Pierre Ibisch: Da kann ich mich im Moment auch nur auf die Zahlen berufen, die vom Landwirtschaftsministerium herausgegeben werden. Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr über ganz andere Werte reden. Das muss man leider sagen, weil viele Bäume, die in diesem Jahr stark geschädigt wurden oder abstarben, wahrscheinlich das taten als Reaktion auf den letzten Sommer. Dieser Sommer war noch einmal vielerorts tatsächlich sehr heiß, sehr trocken. Das wird weitergehen und insofern sprechen wir über nennenswerte Flächen in Deutschland, vollkommen klar.
"Es kommt zu massiver Befahrung von Waldböden"
Fecke: Landwirtschaftsministerin Klöckner hat gesagt, dass sie 700 bis 800 Millionen Euro bereitstellen will für Wiederaufforstungsmaßnahmen und dafür, dass der Wald klimafest gemacht wird. Wie kann denn dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden?
Ibisch: Im Moment machen wir uns Sorgen, dass das Geld tatsächlich eingesetzt wird, um dem Wald noch zu schaden – insofern, dass jetzt wirklich das Schadholz der abgestorbenen Bäume, wie das genannt wird, aus dem Wald geräumt wird. Häufig kommt es da zu Kahlschlägen. Es kommt zu einer massiven Befahrung von Waldböden und es ist zu befürchten, dass dadurch jetzt tatsächlich das Ökosystem weiter geschwächt wird, anstatt eigentlich jetzt das Gegenteil zu tun, wo man sicherlich auch mal durchhalten muss, dass Schädlinge da sind und sich vielleicht weiter ausbreiten. Aber wir brauchen wirklich nichts mehr in Zukunft als einen funktionalen Boden in diesen Wäldern, die auch wieder aufwachsen sollen. Das heißt vor allem, wir dürfen ihn nicht zurücksetzen auf den Sand oder auf das Rohmaterial, sondern wir brauchen Humus, wir brauchen organisches Material, was Wasser speichert, was kühlt, was auch dieses Totholz jetzt genau tut, etwas Schatten noch spendet, damit der Wald sich regenerieren kann. Auf keinen Fall sollten wir jetzt einfach irgendwelche Baumarten auf kahle Flächen pflanzen, was schon begonnen hat.
"Würde mir wünschen, dass wir Waldbesitzer entschädigen"
Fecke: Aber Sie können doch ohnehin in diese Fichtenforste jetzt keine Buchen setzen, weil der PH-Wert durch diese ganzen Nadeln doch sowieso für die Buchen nicht geeignet ist.
Ibisch: Ich denke, im Moment schlägt auch niemand vor, Buchen aufzuforsten, allemal nicht auf Kahlschläge. Das würde nicht funktionieren. Es sind Pionier-Baumarten, die sich immer einstellen. Wenn Bestände zusammenbrechen, auch nach Schadereignissen, nach Windwurf oder nach Insektenfraß und so weiter, kommen Bäume zum Zuge, die dann lichtere Orte besiedeln, und das passiert natürlich auch jetzt und das ist ganz wichtig hervorzuheben. Diese Aufforstung, die unternimmt das Ökosystem Wald auch im Moment von allein und ziemlich kostengünstig, praktisch gratis. Ich würde mir wünschen, dass wir tatsächlich Geld hernehmen und Waldbesitzer dafür entschädigen, dass sie auch darauf verzichten, jetzt noch das letzte Schadholz irgendwie zu verkloppen, sage ich einfach mal - im Moment wird ja gar kein ordentlicher Preis mehr erzielt dafür – und gegebenenfalls auch weitere Schäden in Kauf zu nehmen, dafür aber jetzt wirklich dieses Geld nehmen, Waldbesitzer kompensieren und damit in den Boden und in den Wald investieren.
"Alte Birken leiden gerade sehr stark unter der Trockenheit"
Fecke: Diese Pionier-Baumarten, von denen Sie sprachen, die diese toten Flächen oder die Flächen mit abgestorbenen Bäumen neu besiedeln, sind das die Baumarten, die auch angepasster wären an die Dürre, die wir zu erwarten haben?
Ibisch: Nicht unbedingt. Das sind Baumarten – das sehen wir jetzt auf den Flächen – wie Birke zum Beispiel, wo wir gleichzeitig beobachten, alte Birken leiden gerade sehr stark unter der Trockenheit, vielleicht auch unter der Hitze. Es sind Pappeln, die auch schwächeln. Im Moment sehen wir sehr viele Probleme. Aber darum geht es gar nicht. Im Moment geht es darum, dass sehr schnell diese Baumarten mit dem Standort wieder arbeiten und tatsächlich sehr schnell Laub auf diese Flächen kommt, das im Herbst auf den Boden fällt, sich zersetzt und dadurch der Boden entwickelt wird. Ob dann in 20, 30 Jahren diese Birken und Pappeln da noch stehen, oder welche anderen Arten sich unter dem Schirm eingestellt haben –gleichzeitig sehen wir ja, erste Ahorne fliegen ein, Hainbuchen und so weiter -, das geht sehr schnell. Nach einem Jahr hat man da schon einiges. Wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt, wird man sehen, es wird ein organisch wachsender Wald entstehen. Im Moment können wir nicht garantieren, für keine Baumart, dass die in 100 Jahren noch auf diesen Flächen stehen, aber tatsächlich auch nicht für keinen einzigen der jetzt gepflanzten Bäume, auch von anderen Kontinenten.
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