"Ist eine körperlich komplett andere Situation. Für die Motorsägen-Führer ist es eine gute Art, ihre Fertigkeiten, die sie für die Bundeswehr erworben haben, hier zu trainieren, zu üben. Also, ich habe eine positive Resonanz von den Soldaten erhalten."
Bundeswehr-Oberstleutnant Mario Knappe ist in Strassberg, einem Ortsteil von Harzgerode, im Ost-Harz im Einsatz. Der Feind: Der kaum sichtbare Borkenkäfer. Mit Motorsäge, Axt und Rindenschäler geht Knappe zusammen mit zwei Dutzend Soldaten – demnächst könnten es bis zu 100 Einsatzkräfte sein - gegen den fünf bis zwölf Millimeter großen, etwas haarigen Mini-Feind vor. Der bohrt sich unter die Rinde, legt seine Eier ab und ernährt sich vom Bast, dem Gewebe unter der Borke, wodurch der Baum in der Regel abstirbt. Die Bundeswehr fällt die kranken Bäume, schafft sie aus dem Wald, damit der Borkenkäfer nicht noch mehr Unheil anrichten kann, erklärt Oberst Halvor Adrian, der Kommandeur des Landeskommandos, so was wie der oberste Befehlshaber der Bundeswehr in Sachsen-Anhalt.
Operation "Helfende Hände"
"Wir gehen hier nicht mit Panzern rein. Hier, an diesem Ort geht es darum, dass man beim Entästen, beim Schälen der Rinde und beim Zerkleinern des befallenen Holzes hilft. Das läuft unter der Rubrik "helfende Hände"."
Grundgesetzlich sei der Einsatz völlig bedenkenlos, sagt Oberst Adrian.
Auf die Hilfe der Bundeswehr greifen Kommunen und Privat-Wald-Besitzer zu, die Landesforste haben abgelehnt. Das schaffe man schon selber, heißt es süffisant seitens der Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert von den Grünen in Richtung des eigenen Koalitionspartners, des CDU-Innenministers Holger Stahlknecht. Er hat die Bundeswehr gerufen, damit man noch in Zukunft durch Harz-Wälder wandern könne und nicht durch tote Landschaften laufen müsse, wie Stahlknecht sagt.
Soldaten sind nicht so einfach als Förster einzusetzen
Geplant ist ein Bundeswehr-Einsatz in Zerbst, in der Gegend um Wittenberg/Dessau – also in der Dübener Heide - und eben im Ostharz. Im Westharz wird es allerdings zu keinem Einsatz der Bundeswehr kommen, weder für Privatwaldbesitzer noch für die staatlichen Forste. Man könne Soldaten nicht einfach so als Förster einsetzen, heißt es in Hannover. Anders in Sachsen-Anhalt. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Sorge um den Harz.
"Dem Wald geht es schlecht. Wir sind seit zwei Jahren am Stärksten von den Witterungsverhältnissen betroffen. Und es ist eine Situation, die sich nicht alleine regulieren lässt."
Weshalb man auch die Bundeswehr dringend benötige, so Haseloff weiter.
Eine Katastrophe, die an den Nerven zehrt
Die aktuelle Borkenkäferplage sei die schlimmste und verheerendste Katastrophe für unseren Wald, ergänzt Franz Prinz zu Salm Salm. 1999 gründete er einen Forstbetrieb in Sachsen-Anhalt, seit 2007 ist er der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, der 15.000 Waldbesitzer mit einer Gesamtfläche von knapp 93.000 Hektar vertritt.
"Bin heute morgen noch – mittlerweile zum 40. Mal in meinem Betrieb unterwegs gewesen – um Käferbäume auszuzeichnen. Wissen Sie, das zehrt an den Nerven."
Ganze Waldbestände würde der Borkenkäfer dahinraffen. Die schlimmste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg, so etwas hätte man noch nicht erlebt. Das Waldsterben der 1980er Jahren war dagegen lächerlich, meint Waldbesitzer Franz Prinz zu Salm Salm noch, dem kein Superlativ zu wenig ist, um die aktuelle Situation des Waldes zu beschreiben.
Das Epizentrum der Borkenkäferplage in Sachsen-Anhalt liegt im Harz. Seit zwei Jahren hat es dort kaum geregnet. Ideal für den Borkenkäfer, dessen Opfer sind die durch Trockenstress geschädigten Fichten.
Benötigt wird ein Umdenken in der Waldwirtschaft
Ob man aber mit der Bundeswehr den Borkenkäfer stoppen kann? Bei so manchem erzeugt das nur ein irritiertes Kopfschütteln. Auch bei Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert von Bündnis 90/Die Grünen.
"Da kann die Bundeswehr nicht helfen."
Dalbert ergänzt, ein Bundeswehr-Einsatz sei keineswegs nachhaltig. Das könne lediglich eine ad-hoc Hilfe sein. Denn sobald die Truppen abziehen, würde der Borkenkäfer wieder kommen. Was es dagegen dringend brauche: Einen Waldumbau.
"Das erfüllt mich mit großer Sorge. Weil man sich fragt, was ist der Wald der Zukunft? Welche Baumarten können überhaupt überleben. Deswegen setzen wir auf Mischwald, weil dann hoffentlich in dem Mischwald mit fünf, sechs Baumarten auch Baumarten dabei sind, die mit den extremen klimatischen veränderten Bedingungen gut zurecht kommen."
Beim Waldumbau erlebe Ministerin Dalbert die Waldbesitzer allerdings doch recht zögerlich, sagt sie noch.
Ein Umdenken müsse her: Andernfalls würde man der Borkenkäfer-Plage nicht Herr werden und werde die kleinen Tierchen als ständige Begleiter im Wald haben und die Bundeswehr ebenso. Das die Soldaten am Ende die Waldbewohner in ihrer Ruhe stören, davor hat Oberst Halvor Adrian keine Bedenken.
"Na, ich hab noch nicht so viele Waldbewohner gesehen. Aber ich habe unter einer Rinde Borkenkäfer gesehen, die mögen etwas verstört sein. Ansonsten werden wir den Frieden des Waldes nicht stören."