Es war einmal ... eine sternenklare Trickfilmnacht. Jiminy Grille entdeckt auf seiner Wanderschaft ein kleines verschlafenes Dorf, in dem sich die Geschichte von Pinocchio à la Walt Disney abspielen wird. Der kleine Pinocchio wird allerdings nicht als klug und wild wie im literarischen Vorbild des Italieners Carlo Collodi, sondern eher als naiv und kindlich in Szene gesetzt werden, als gefälligerer Charakter fürs amerikanische Kinopublikum. Und das Dorf, in dem die Geschichte spielt, scheint Walt Disney selber auf seiner langen Reise durch Europa 1935 entdeckt zu haben. Es ist die gut konservierte Mittelalterkulisse im bayerischen Rothenburg ob der Tauber, die den Disney-Zeichnern als Pinocchio-Ambiente im Jahre 1940 vorschwebte.
Welche Quellen haben Walt Disney und seine Mitarbeiter zu Rate gezogen? Welche literarischen Vorbilder verwendeten sie? Woran orientierten sie sich, wenn sie Dekor und Architekturen illustrierten? Die umfangreiche Ausstellung "Es war einmal Walt Disney" im Pariser Grand Palais geht jetzt diesen Fragen nach. Im Mittelpunkt stehen dabei die großen Trickfilmklassiker von "Schneewittchen und die sieben Zwerge" aus dem Jahre 1937 bis hin zum "Dschungelbuch", das 1967, ein Jahr nach Walt Disneys Tod, in die Kinos kam. Fragen zum Imperium der Disney Company, ihren Themenparks in Amerika, Europa und Japan oder ihren Filmproduktionen fürs Kino werden ebenso wenig gestellt wie auf Walt Disneys oft kritisierte Haltung im antikommunistischen Klima der MacCarthy-Ära eingegangen wird. Und das ist auch gut so, denn die Schau nimmt Auge und Ohr des Besuchers naturgemäß schon genug in Anspruch.
Minnie wehrt sich vergebens mit tapferen Fußtritten gegen den Menschenaffen, der sie im Trickfilm The Pet Shop am ausgestreckten Arm baumeln lässt. Vögel kommen ihr dabei zu Hilfe. Diese Sequenz flimmert für wenige Sekunden über eine Leinwand zu Anfang der Ausstellung. Auf der Projektionswand gegenüber hat zeitgleich soeben King Kong mit seiner weißen Frau die Spitze des New Yorker Empire State Buildings erklommen und wehrt die ihn umschwirrenden Doppeldeckerflugzeuge ab. Kaum hat der Besucher im Halbdunkel der Schau das Disneyzitat von 1937 und sein filmisches Vorbild von 1933 optisch "verdaut", da beginnt schon Charlie Chaplin als Charlot in Modern Times mit dem automatisierten Verzehr von Butterbroten. Gegenüber wird Donald Duck heftig von einer verrückt spielenden Haarwaschmaschine der spärliche Entenflaum shampooniert. Die Reihe der Beispiele setzt sich fort. Sequenzen aus Murnaus Faust korrespondieren mit Szenen aus dem Disney-Meisterwerk Fantasia und Doktor Rotwangs Haus in Fritz Langs Metropolis stand ganz offensichtlich Pate für Gepettos Werkstatt in Pinocchio. Allerdings sind diese rein formalen Parallelen schon lange bekannt, wohl aber noch nie so publikumswirksam präsentiert worden. 350 illustrierte Bücher bringt Walt Disney von seiner Europareise 1935 mit zurück nach Kalifornien. Darunter sind die Erzählungen von Perrault, die Märchen der Gebrüder Grimm, das Dschungelbuch von Kipling oder die Fabeln La Fontaines. Die Illustrationen darin stammen von Gustave Doré oder den Deutschen Ludwig Richter, Moritz von Schwind und Heinrich Kley. Die angesammelten Bücher, von denen einige in der Schau zu sehen sind, dienen als Inspirationsquellen für Walt Disneys Zeichner.
Und auch hier hat er eine sorgsame Wahl getroffen. Er engagiert an Akademien in Europa ausgebildete und daher mit der europäischen Kunstgeschichte vertraute Zeichner wie den Schweizer Albert Hurter, den Schweden Gustaf Tenggren und den Dänen Kay Nielsen. Da verwundert es in der Schau dann kaum, die böse Königin aus Schneewittchen und die sieben Zwerge mit ihrem hochgeschlagenen Mantelkragen einer Abbildung der berühmten Skulptur der Uta aus dem Naumburger Dom gegenübergestellt zu finden. Daneben will noch ein Foto die Ähnlichkeit zwischen der bösen Königin und dem damaligen Hollywoodstar Joan Crawford beweisen. Walt Disney scheint wirklich alle erdenklichen Inspirationsquellen angezapft zu haben. Wenn allerdings Doktor Rotwangs Maschinen-Kreatur Maria aus Fritz Langs Metropolis auf dem Labortisch liegend gezeigt wird und hiermit die Parallele mit Schneewittchen im gläsernen Sarg suggeriert werden soll, dann hört die seriöse Quellenerforschung auf.
Ganz am Ende meinen die Ausstellungsmacher den Spieß umdrehen zu müssen. Die Welt des Walt Disney hat moderne Künstler seit der Pop Art inspiriert. Christian Boltanski widmet sich 1972 den Fotos von Mitgliedern des Mickey-Clubs des Jahres 1955 und Gottfried Helnwein portraitiert 2000 den "American Prayer", einen Jungen, der sein Abendgebet Donald Duck widmet. Eigentlich zerstört dieser Ausklang eine Illusion. Die zeitgenössische Kunst reduziert letztlich die Welt Walt Disneys auf ihre beiden Hauptfiguren, Mickey und Donald. Sie sind es, die übrig blieben von Disneys ehrgeizigem Projekt, die Hochkultur für seine Zeichentrickwelt zu vereinnahmen wie es die Pariser Ausstellung in zum Teil verblüffenden Beispielen vorführt.
Welche Quellen haben Walt Disney und seine Mitarbeiter zu Rate gezogen? Welche literarischen Vorbilder verwendeten sie? Woran orientierten sie sich, wenn sie Dekor und Architekturen illustrierten? Die umfangreiche Ausstellung "Es war einmal Walt Disney" im Pariser Grand Palais geht jetzt diesen Fragen nach. Im Mittelpunkt stehen dabei die großen Trickfilmklassiker von "Schneewittchen und die sieben Zwerge" aus dem Jahre 1937 bis hin zum "Dschungelbuch", das 1967, ein Jahr nach Walt Disneys Tod, in die Kinos kam. Fragen zum Imperium der Disney Company, ihren Themenparks in Amerika, Europa und Japan oder ihren Filmproduktionen fürs Kino werden ebenso wenig gestellt wie auf Walt Disneys oft kritisierte Haltung im antikommunistischen Klima der MacCarthy-Ära eingegangen wird. Und das ist auch gut so, denn die Schau nimmt Auge und Ohr des Besuchers naturgemäß schon genug in Anspruch.
Minnie wehrt sich vergebens mit tapferen Fußtritten gegen den Menschenaffen, der sie im Trickfilm The Pet Shop am ausgestreckten Arm baumeln lässt. Vögel kommen ihr dabei zu Hilfe. Diese Sequenz flimmert für wenige Sekunden über eine Leinwand zu Anfang der Ausstellung. Auf der Projektionswand gegenüber hat zeitgleich soeben King Kong mit seiner weißen Frau die Spitze des New Yorker Empire State Buildings erklommen und wehrt die ihn umschwirrenden Doppeldeckerflugzeuge ab. Kaum hat der Besucher im Halbdunkel der Schau das Disneyzitat von 1937 und sein filmisches Vorbild von 1933 optisch "verdaut", da beginnt schon Charlie Chaplin als Charlot in Modern Times mit dem automatisierten Verzehr von Butterbroten. Gegenüber wird Donald Duck heftig von einer verrückt spielenden Haarwaschmaschine der spärliche Entenflaum shampooniert. Die Reihe der Beispiele setzt sich fort. Sequenzen aus Murnaus Faust korrespondieren mit Szenen aus dem Disney-Meisterwerk Fantasia und Doktor Rotwangs Haus in Fritz Langs Metropolis stand ganz offensichtlich Pate für Gepettos Werkstatt in Pinocchio. Allerdings sind diese rein formalen Parallelen schon lange bekannt, wohl aber noch nie so publikumswirksam präsentiert worden. 350 illustrierte Bücher bringt Walt Disney von seiner Europareise 1935 mit zurück nach Kalifornien. Darunter sind die Erzählungen von Perrault, die Märchen der Gebrüder Grimm, das Dschungelbuch von Kipling oder die Fabeln La Fontaines. Die Illustrationen darin stammen von Gustave Doré oder den Deutschen Ludwig Richter, Moritz von Schwind und Heinrich Kley. Die angesammelten Bücher, von denen einige in der Schau zu sehen sind, dienen als Inspirationsquellen für Walt Disneys Zeichner.
Und auch hier hat er eine sorgsame Wahl getroffen. Er engagiert an Akademien in Europa ausgebildete und daher mit der europäischen Kunstgeschichte vertraute Zeichner wie den Schweizer Albert Hurter, den Schweden Gustaf Tenggren und den Dänen Kay Nielsen. Da verwundert es in der Schau dann kaum, die böse Königin aus Schneewittchen und die sieben Zwerge mit ihrem hochgeschlagenen Mantelkragen einer Abbildung der berühmten Skulptur der Uta aus dem Naumburger Dom gegenübergestellt zu finden. Daneben will noch ein Foto die Ähnlichkeit zwischen der bösen Königin und dem damaligen Hollywoodstar Joan Crawford beweisen. Walt Disney scheint wirklich alle erdenklichen Inspirationsquellen angezapft zu haben. Wenn allerdings Doktor Rotwangs Maschinen-Kreatur Maria aus Fritz Langs Metropolis auf dem Labortisch liegend gezeigt wird und hiermit die Parallele mit Schneewittchen im gläsernen Sarg suggeriert werden soll, dann hört die seriöse Quellenerforschung auf.
Ganz am Ende meinen die Ausstellungsmacher den Spieß umdrehen zu müssen. Die Welt des Walt Disney hat moderne Künstler seit der Pop Art inspiriert. Christian Boltanski widmet sich 1972 den Fotos von Mitgliedern des Mickey-Clubs des Jahres 1955 und Gottfried Helnwein portraitiert 2000 den "American Prayer", einen Jungen, der sein Abendgebet Donald Duck widmet. Eigentlich zerstört dieser Ausklang eine Illusion. Die zeitgenössische Kunst reduziert letztlich die Welt Walt Disneys auf ihre beiden Hauptfiguren, Mickey und Donald. Sie sind es, die übrig blieben von Disneys ehrgeizigem Projekt, die Hochkultur für seine Zeichentrickwelt zu vereinnahmen wie es die Pariser Ausstellung in zum Teil verblüffenden Beispielen vorführt.