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Walter-Borjans (SPD) zur Krise der CDU
"Es darf nicht den Anschein einer Duldung von Rechtsextremismus geben"

Die demokratischen Parteien müssten sich darin einig sein, dass es keine politischen Mehrheiten mit der AfD geben könne, sagte der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans im Dlf. Annegret Kramp-Karrenbauer sei eine unzweifelhafte Demokratin, aber in der CDU gebe es viele Richtungen, in die gezogen werde.

Norbert Walter-Borjans im Gespräch mit Sarah Zerback |
Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD, gibt nach der Sitzung des SPD-Präsidiums eine Pressekonferenz
Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD, nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums (dpa / Kay Nietfeld)
Es dürfe bei den demokratischen Parteien nicht den Anschein einer Duldung von Rechtsextremismus geben, sagte der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans im Dlf. Und da sei es auch wichtig, wie führungsstark eine Partei geführt werde. Es müsse sicher sein, dass "rechts nichts anbrennen könne". Viele Probleme seien durch die Gleichsetzunge von AfD und Linken entstanden. "Darauf sollten wir uns nicht einlassen", sagte Walter-Borjans. Die Linke müsse man n icht mögen, aber sie bekenne sich zur Demokratie. Die AfD wolle demokratische Wahlen nur nutzen, um die Demokratie zu untergraben.

Das Interview in voller Länge:
Sarah Zerback: Wer die Union auf welchen Kurs führt, das ist auch für den Koalitionspartner ziemlich wichtig. Führungssuche, das kennt die SPD und schaut jetzt aufmerksam, wie sich die CDU da neu sortieren will, personell und auch inhaltlich. Darüber können wir jetzt sprechen mit Norbert Walter-Borjans, einem der beiden Bundesvorsitzenden der SPD. Herr Walter-Borjans, erst am Samstag hat Ihre Partei erfolgreich Druck gemacht, damit der CDU-Mann Christian Hirte als Ostbeauftragter seinen Hut nimmt. Stand der Rücktritt der CDU-Chefin auch auf dem Wunschzettel der SPD?
Norbert Walter-Borjans: Nein, das ist Angelegenheit der CDU. Auf unserem Wunschzettel stand, dass die demokratischen Parteien ganz schnell dazu zurückkommen, dass es nicht den Anschein einer Duldung von Rechtsextremismus in unserem Land gibt, und das gilt für die CDU, das gilt aber auch für die FDP. Das hat aber für uns nichts mit der Haltung von Frau Kramp-Karrenbauer zu tun. Das hat schon damit zu tun, wie weit sie sich da durchsetzt, das wirklich klarzumachen, weil an dieser Stelle darf niemand von den demokratischen Parteien wackeln.
Ein Mann reibt seine Augen. 
Wie geht es weiter in Thüringen?
Nach dem Rücktritt von Thomas Kemmerich (FDP) direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten muss sich der Landtag in Thüringen neu aufstellen. Neuwahlen stehen zur Debatte. Doch erstmal braucht das Land eine Regierung.
Zerback: Was kann ich da heraushören? Welchen Anteil trägt Annegret Kramp-Karrenbauer Ihrer Meinung nach am Tabubruch von Thüringen?
"Kramp-Karrenbauer ist eine unzweifelhafte Demokratin"
Walter-Borjans: Ganz sicher nicht, was ihre Haltung angeht. Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine unzweifelhafte Demokratin. Man hat hier nur gesehen, dass es offenbar in der CDU sehr viele verschiedene Stimmen gibt, sehr viele verschiedene Richtungen, in die gezogen wird, und sie war offenbar nicht mehr in der Lage, das soweit zu bündeln, dass die CDU als Garant dafür, dass nach rechts nichts anbrennen kann, noch gesehen werden konnte.
Zerback: Diese Sorgen vor dem vermeintlichen Rechtsruck der CDU, die hört man jetzt viel, aus Ihrer Partei vor allem auch. Dabei hat die CDU ja auch am Wochenende noch mal nachgelegt und es gibt ganz klar einen CDU-Parteitagsbeschluss von 2018, wo Zusammenarbeit mit der AfD in jeglicher Form ausgeschlossen wird. Was wollen Sie denn noch mehr?
Walter-Borjans: Wir haben diesen Beschluss ja im Wesentlichen durch den Koalitionsausschuss am vergangenen Samstag noch mal gefasst. Wir haben gesagt, wir wollen ganz klar sicherstellen, dass es keine Regierungen und keine politischen Mehrheiten mit der AfD gibt. Das schließen wir aus auf allen Ebenen. Das hat die CDU/CSU im Koalitionsausschuss noch einmal unterstrichen mitgetragen. Aber Sie müssen ja nur anschließend die Kommentare aus einigen Bundesländern sehen und dann sehen Sie, wieviel dieses Papier möglicherweise wert ist. Dann kommt es extrem darauf an, wie führungsstark eine Partei geführt wird, damit das auch durchgesetzt wird, und das war insofern auch ein unverzeihlicher Fehler – so hat es die Kanzlerin selbst ja genannt -, dass sich Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen mit Christian Lindner darauf eingelassen hat, ein Experiment einzugehen, das am Ende ja nur mit AfD-Stimmen zum Erfolg geführt werden konnte. Das ist ein Punkt, der war für uns auch absolut nicht hinnehmbar.
Zerback: Vielleicht ist es aber auf der anderen Seite des Spektrums – auch darüber wird viel diskutiert – die Quittung dafür, dass so vehement versucht wurde, aus Berlin, auch aus Ihrer Partei, aus der SPD versucht wurde, der CDU einen Linken-Kandidaten in Thüringen reinzudrücken. War das ein Fehler?
"Die CDU war überhaupt nicht gezwungen, einen Linken-Kandidaten zu wählen"
Walter-Borjans: Erst mal war die CDU überhaupt nicht gezwungen, einen Linken-Kandidaten zu wählen. Man kann zu Herrn Ramelow stehen wie man will. Man kann zu der Linken stehen wie man will. Aber es gibt einen großen Unterschied: Die Linke will mit demokratischen Wahlen Mehrheiten gewinnen. Und wenn sie sie gewonnen hat, dann verteidigt sie auch die Demokratie. Da hat es bei Bodo Ramelow nie einen Zweifel gegeben.
Die AfD, die will mit demokratischen Wahlen Mehrheiten gewinnen, um die Demokratie zu untergraben. Die Gleichsetzung alleine schon, die hat schon viele Probleme geschaffen. Wir sollten uns jetzt wirklich nicht darauf einlassen, dass das auf beiden Seiten gleich ist. Die Linke, die muss man nicht mögen, man muss die Personen, man muss das Programm nicht mögen, aber dass die sich zu dieser Demokratie bekennt, das darf niemand bezweifeln, während das bei der Rechten absolut nicht der Fall ist. Da beginnt die Gefahr für unsere Demokratie.
Zerback: Wen würden Sie sich denn jetzt an der Spitze der CDU wünschen, der Ihnen diese Sorgen nehmen könnte? Da sind ja ein paar Namen im Spiel.
Walter-Borjans: Das erste, was wichtig ist, ist, dass auch vom politischen Wettbewerber an dieser Stelle weder Häme kommt, noch irgendein Taktikspielchen, so nach dem Motto, wer ist denn der für die Chancen der SPD oder der anderen Parteien beste Kandidat oder die beste Kandidatin. Es geht jetzt wirklich darum, dass wir Stabilität bekommen, dass die CDU sich über ihren Kurs im Klaren wird. Das muss sie selbst entscheiden, das ist nicht unsere Entscheidung.
Zerback: Aber es muss ja keine Häme sein. Sie können ja eine Meinung haben, Herr Walter-Borjans.
"Bei Merz wären schon ziemlich viele Klärungen nötig"
Walter-Borjans: Ja, ich habe auch eine Meinung, aber ich mache jetzt keine Wahlwerbung für einen der Kandidaten, die im Moment genannt werden, sondern das ist Angelegenheit der CDU.
Zerback: Aber Friedrich Merz – das hat man gestern schon in einem Statement von Ihnen gehört -, der scheidet da aus auf Ihrer Hitliste?
Walter-Borjans: Na ja. Friedrich Merz hat einfach Positionen, sowohl in der Wirtschaftspolitik wie in vielen anderen Bereichen, auch so, wie er agiert. Ich sage jetzt mal, es geht ja nicht nur um die Frage zwischen Staat und Privat, sondern wirklich riesige Finanzinvestoren, denen ich nicht sehr großen Einfluss auf unsere Republik und auf die Politik zulassen würde. Da wären schon ziemlich viele Klärungen nötig, wo er denn steht und was er will. Aber auch das ist eine Frage, das ist eine politische Auseinandersetzung. Ich kenne Friedrich Merz. Wir haben uns an dieser Stelle schon oft genug auseinandergesetzt. Was in der Partei entschieden wird, wer die Partei führt, das müssen die Delegierten oder die Mitglieder dieser Partei wissen.
Zerback: Was sich jetzt abzeichnet – und das ist wiederum auch durchaus wichtig für Sie, für Ihre Partei, für die Große Koalition, auch für die Regierungsarbeit -, das ist, dass die CDU den Parteivorsitz wieder an die Kanzlerkandidatur knüpfen will. Es könnte ja sein, dass dann einer der Kandidaten sagt, aber nur, wenn sich die Kanzlerin dann auch schneller verabschiedet als geplant. Was heißt das denn für die Regierungsarbeit? Steht dann die Große Koalition auf der Kippe? Stehen Neuwahlen an?
"Wir haben eine Grundlage in dieser Regierung mit der Kanzlerin Merkel"
Walter-Borjans: Die Frage ist ja erst mal, ob das so kommt. Wenn es so kommt, dann muss man wissen, bei der CDU war es immer so, dass weniger das Programm im Mittelpunkt stand als die Macht zu sichern. Das hat natürlich immer Auswirkungen auch darauf, wie sie mit Partnern umgeht und wie Partner mit ihr auskommen. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass diese Koalition, als sie gebildet wurde, gebildet worden ist mit einer Kanzlerin Angela Merkel. Ich sehe im Augenblick nicht, dass Angela Merkel mit dem Gedanken spielt, deswegen ihre Kanzlerschaft niederzulegen. Aber wenn sie das täte, dann hätten wir sicher eine Situation, in der es viel nachzudenken und viel zu bereden gäbe.
Zerback: Sprechen Sie es aus! Wenn es so wäre, dann würden Sie die GroKo noch mal zur Debatte stellen?
Walter-Borjans: Zur Debatte natürlich, weil es um Inhalte geht, weil es auch um Vertrauensgrundlagen geht. Es geht nicht darum, auch hier noch mal, nicht Taktik, nicht irgendeine Form von Spiel zu machen. Dazu ist die Situation zu ernst. Ich gehöre selber zu denen, die immer deutlich gemacht haben, ich bin sehr skeptisch, dass das, was getan werden muss in diesem Land, mit der Großen Koalition auf Dauer gut zu erreichen ist. Ich bin aber auch Realist. Wir sind in dieser Koalition. Wir kommen mit unseren Inhalten. Wir haben auch eine Menge Punkte durchgesetzt. Wir haben eine Grundlage, die in dieser Regierung da ist, mit der Kanzlerin Angela Merkel.
Zerback: Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Es ist die Frage, ob das natürlich in den nächsten kommenden Monaten möglich ist, konstruktive Politik ohne CDU-Spitze.
Walter-Borjans: Ja! Ich habe nie einen Freifahrtsschein ausgestellt. Ich bin aber auch der, dem gesagt worden ist, wieso sagst Du eigentlich nicht, Du willst das brechen. Das will ich auch nicht. Ich will, dass wir Inhalte weiter betreiben, und wir haben in unserer Kandidatensuche deutlich gemacht, dass man auch gut regieren kann, während man einen neuen Vorsitz sucht, und das sollte die CDU auch so machen.
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