Zielstrebig läuft die dreijährige Mina auf den Bücherschrank zu. Alessia Saada schiebt ein kleines Fahrrad hinter ihrer Tochter her.
"Hier ist es schön ruhig und sie kann auch Fahrradfahren, wenn sie will und es passiert nichts. Und hier kommen wir dann immer nach den Wildbienen gucken und nach den Honigbienen. Und das ist auf jeden Fall so ein Punkt, den wir immer passieren müssen", sagt sie mit einem Lachen. Einmal die Woche kommen die beiden hierher. Die Rede ist nicht etwa von einem Park, sondern vom Hauptfriedhof im Zentrum von Frankfurt am Main. Bereits seit einigen Jahren wird dieser hintere Teil des etwa 70 Hektar großen Friedhofs nicht für Grabflächen genutzt, sondern vor allem als Rückzugs- und Erholungsort, erzählt Heike Appel, Leiterin des Grünflächenamts der Stadt Frankfurt.
"Hier haben unsere Gärtner tatsächlich in Eigeninitiative ein Biotop angelegt, einen Staudengarten mit ganz vielen ökologischen Wiesen und Flächen. Wenn wir hier mal so ein bisschen durchgehen, sehen wir ganz viele Themen. Wir sehen hier Totholz-Areale, wir haben hier ein kleines Wasserbecken, das angelegt wurde. Unheimlich nett. Mit Sitzgelegenheiten für die Bevölkerung."
Den Friedhof als grüne Lunge in der Stadt zu erhalten und Biodiversität zu fördern – das ist einer der Gründe für die Umgestaltung des Hauptfriedhofs. Auch andere Friedhöfe befassen sich mit dem Thema Umnutzung. Denn Platz gibt es auf den meisten Friedhöfen inzwischen mehr als genug. Der Grund: Die Bestattungskultur befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Eine der grundlegendsten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte betrifft die Art der Bestattung: Weg von der Erd- hin zur Feuerbestattung. Urnenbestattungen machen inzwischen bundesweit mehr als 70 Prozent aus.
Urnengräber oder Urnenwände sind pflegeleichter, sagt Ralf Michal, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Bestatter: "Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Angehörigen oder auch die Familien keine Grabpflege mehr wollen oder zum Teil auch keine Grabstätte überhaupt mehr möchten, an die sie gebunden sind. Weil die Bevölkerung natürlich immer mehr nomadisiert, nennen wir es mal, das heißt wir werden mobiler, und die Kinder leben nicht mehr da, wo die Eltern bestattet wurden."
Weniger Gräberkult, Delokalisierung von Trauer
Der Gräberkult, der früher besonders in ländlichen Regionen verbreitet war, finde heute immer weniger statt. Diese Delokalisierung der Trauer beobachtet auch der Soziologe Thorsten Benkel von der Universität Passau. Er forscht zu den Themen Tod, Sterben und Trauer. Immer stärker spielten bei Bestattungen zudem auch ökonomische Überlegungen eine Rolle, stellt Benkel fest.
"Es gibt tatsächlich den Billigbestatter, den Sargdiscount und so weiter. Das sind auch Anbieter, die sich genau so nennen, also die auch sozusagen damit spielen, dass sie günstiger sind, dass sie Angebote liefern, die natürlich sozusagen 0815 sind. Aber für Menschen, die sagen 'Ich brauche ja dieses Brimborium nicht, und ich habe einen anderen Glauben. Und ich lege nicht so viel Wert darauf, was mit der Leiche geschieht, weil ich sozusagen eher an eine seelische Substanz glaube oder an was ganz anderes.' Für die ist das dann durchaus auch akzeptabel und wird genutzt."
Damit verändert sich auch das Angebot in der Branche. Teure und aufwändig verzierte Särge sind weniger gefragt. Mittlerweile gibt es in Deutschland nach Einschätzung des Bundesverbands für Bestattungsbedarf nur noch etwa 15 mittelständische Sargbauer. 1990 waren es noch 100. Nur etwa 20 Prozent der Särge stammen heute noch aus Deutschland, der Großteil wird aus dem Ausland importiert, häufig aus Osteuropa, so der Verband.
Die Corona-Pandemie hat die Branche vor weitere Herausforderungen gestellt. Weil oft nur im kleinen Kreis oder digital Abschied genommen werden konnte, haben viele Hinterbliebene auf aufwändige Trauerfeiern verzichtet – das haben auch die Hersteller von Bestattungsbedarf zu spüren bekommen, erklärt der Verband.
Der Soziologe Thorsten Benkel geht zwar bislang nicht davon aus, dass sich durch Corona die Trauerkultur langfristig verändern wird. Die Digitalisierung von Trauer werde jedoch unabhängig von der Pandemie sicherlich künftig noch stärker wachsen, so die Einschätzung des Wissenschaftlers. Und: Menschen würden sich zunehmend trauen, gegen bestehende Regeln zu verstoßen und die Asche von Verstorbenen zum Beispiel mit nach Hause zu nehmen oder zu verstreuen. Eine schon seit Jahren anhaltende Entwicklung, die sich auch in der Zunahme von Urnenbestattungen widerspiegelt: Glaube und religiöse Rituale treten immer mehr in den Hintergrund. Dazu Thorsten Benkel:
"Natürlich ist es so, dass im bayerischen Dorf die Rituale stärker noch forciert werden als, sagen wir mal jetzt, im Großstadtdschungel. Nicht unbedingt, weil die Menschen hier per se gläubiger sind, sondern weil es eben eine stärkere Traditionsverwurzelung gibt. Also man sagt, wir machen das so, wie wir es immer gemacht haben, ohne dass jetzt groß nachgedacht wird, ob das an sich sinnträchtig ist. Aber allmählich zeichnet sich das auch in den Dörfern ab, dass die Leute Abstand nehmen von diesen klassischen religiösen Ritualen und eben Alternativen finden."
Bestattungsdienstleistungen mehr im Fokus
Zu diesen Alternativen gehören zum Beispiel freie Trauerrednerinnen und -redner. Rund um die Bestattung stehen heute Dienstleistungen stärker im Vordergrund. Die Umsatzzahlen haben sich auch deshalb trotz Rückgang beim Verkauf gesteigert: 2019 lagen sie laut Statistischem Bundesamt für das gesamte Bestattungswesen bei mehr als zwei Milliarden Euro, ein Plus von rund 40 Prozent über 10 Jahre. Das hänge auch mit Preissteigerungen und demografischen Entwicklungen zusammen, erklärt der Bundesverband Deutscher Bestatter. Der Schweinfurter Bestatter Michal erzählt, wie sich auch die Anforderungen an seinen Beruf in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben.
"Heute ist der erste Ansprechpartner nicht mehr der Pfarrer, sondern der Bestatter, und der Bestatter stellt dann erst den Kontakt zum Pfarrer oder zum freien Redner her. Und alles andere, die ganze Begleitung der Familie über Wochen findet eigentlich beim Bestatter statt. Und das ist das, was auch so fordert und was mittlerweile auch das Berufsbild erheblich prägt. Das ist die Begleitung und Betreuung der Angehörigen."
Wichtig sei deshalb auch die verpflichtende Berufsausbildung, betont Michal. Der Beruf ist zulassungsfrei, es besteht keine Meisterpflicht.
"Es tummeln sich doch einige Marktbegleiter im Bestattungswesen, die weder eine Ausbildung noch überhaupt eine Eignung dafür haben. Wir haben in der Corona-Zeit zum ersten Mal gemerkt, dass erstens der Beruf systemrelevant ist und dass zweitens der Beruf auch eine gewisse Ausbildung braucht, um zum Beispiel auch mit infektiösen Verstorbenen umzugehen, aber auch um die Hinterbliebenen aufzufangen, in der Ausnahmesituation, in der sie sich befinden."
Immer weniger kirchliche Bestattungen
Angehörige in der Ausnahmesituation aufzufangen, das war früher Kernaufgaben der Kirchen. Doch die Zahl der kirchlichen Bestattungen geht zurück. 2019 waren es in der evangelischen Kirche rund 255.000, für 2020 liegen noch keine Zahlen vor. In der katholischen Kirche waren es im vergangenen Jahr gut 236.000. Hinzu kamen rund 1500 Bestattungen, die von den Jüdischen Gemeinden verzeichnet wurden. Die Anzahl muslimischer Bestattungen wird nicht zentral erfasst. Es ist also davon auszugehen, dass von den insgesamt rund 982.000 Sterbefällen in 2020 – eine Zunahme von rund fünf Prozent gegnüber dem Vorjahr - religiöse Bestattungen nur noch etwa die Hälfte ausmachten. Anfang der 2000er-Jahre lag der Anteil noch bei rund 70 Prozent.
Doch die Kirchen sind nicht nur für Bestattungen zuständig. Sie sind auch Träger von Friedhöfen. Gut ein Drittel der insgesamt etwa 32.000 Friedhöfe in Deutschland verwalten die Kirchen, davon wiederum den überwiegenden Teil die evangelische Kirche. Vor allem in kleinen Gemeinden bestehen auch immer noch so genannte Monopolfriedhöfe. Wenn die kirchlichen Friedhöfe die einzigen vor Ort sind, werden hier auch Nicht-Konfessionelle bestattet.
Eine Deutschlandfunk-Umfrage unter den Bistümern und Landeskirchen ergibt regionale Unterschiede, zum Teil auch historisch bedingt. So gibt es beispielsweise in Freiburg keinen einzigen von der katholischen Kirche betriebenen Friedhof. Auch im Bistum Würzburg sind kirchliche Friedhöfe Ende des 19. Jahrhunderts so gut wie alle in kommunale Trägerschaft übergegangen. Laut Bistum Münster sind die Friedhöfe in ländlichen Regionen hingegen fast ausschließlich konfessionelle. Ähnlich sieht es im Bistum Rottenburg-Stuttgart aus. In den Gebieten der Landeskirchen Hessen-Nassau und Pfalz sind evangelische Friedhöfe fast nur im ländlichen Raum angesiedelt. Die Evangelische Landeskirche Baden betreibt überhaupt keine Friedhöfe, im Gebiet der Landeskirche Sachsen gibt es rund 1200 evangelische.
Weniger Erdbestattungen, höhere Friedhofsgebühren
Doch der Unterhalt und die Pflege von Friedhöfen kosten Geld – und so haben Kirchen wie Kommunen auch ein finanzielles Problem durch den Wandel der Bestattungskultur: Kleinere Gräber bringen weniger Gebühren, die Grünanlagen müssen trotzdem weiter gepflegt werden. Auf kirchlichen Friedhöfen sind die Gebühren teilweise zwar noch etwas niedriger als auf kommunalen – weil die Arbeit dort häufig durch Ehrenamtliche unterstützt wird. In vielen Kommunen mussten in den vergangenen Jahren jedoch die Friedhofsgebühren teilweise deutlich angehoben werden. So auch in Frankfurt. Um durchschnittlich rund 20 Prozent wurden die Gebühren im vergangenen Jahr erhöht. Heike Appel vom Grünflächenamt:
"Friedhöfe müssen ja kostendeckend arbeiten. Und in dem Moment, wo man viele Leerflächen hat und sie sehen ja die Gärtner sind da, die Flächen an sich müssen gepflegt werden, steigen natürlich die Kosten pro Grab dann an. Das ist so."
In Frankfurt kostet das Erdreihengrab für 20 Jahre beispielsweise rund 1000 Euro, das Urnenreihengrab nur knapp 400 Euro. Doch nicht nur die zunehmende günstigere Urnenbestattung sorgt für steigende Gebühren pro Grab und Leerstand auf Friedhöfen. Denn längst nicht mehr alle Menschen wollen sich auf einem regulären Friedhof beerdigen lassen. Neue Akteure sind auf den Bestattungsmarkt getreten:
"Wenn Sie Fragen haben, können Sie mich jederzeit fragen. Ich schlage vor, wenn hier jetzt keine Fragen bestehen, dass wir in den Friedpark gehen. Ich würde, damit Sie mich verstehen, Abstand wahren an den Stationen und dann meine Maske abnehmen. Wenn das für Sie in Ordnung ist, dann verstehen Sie mich vielleicht ein bisschen besser."
Der Parkplatz am Naturschutzgebiet Chorbusch in Dormagen, Rhein-Kreis Neuss. Förster Johannes Langrehr leitet eine Friedwald-Führung, an der an diesem Samstag rund ein Dutzend Interessierte teilnehmen.
"An der Station möchte ich Ihnen etwas über das Friedwald-Konzept erklären. Das ist eigentlich recht schnell gemacht, denn in einem Friedwald wird die Asche von Verstorbenen in biologisch abbaubaren Urnen im Wurzelbereich von Bäumen, von ausgewählten Bestattungsbäumen beigesetzt."
Der Friedwald Dormagen umfasst insgesamt gut 60 Hektar, von denen bislang aber nur rund acht für Bestattungen erschlossen sind. Der Standort ist erst seit etwa einem Jahr in Betrieb. Der erste Friedwald wurde schon vor 20 Jahren eröffnet – inzwischen gehört die Friedwald GmbH neben dem Betreiber Ruheforst zu den marktdominierenden Anbietern von Bestattungswäldern. Insgesamt gibt es in Deutschland mittlerweile mehrere Hundert davon. Es handelt sich dabei offiziell um Friedhöfe – das ist rechtlich so vorgeschrieben. Deshalb sind an Bestattungswäldern drei Akteure beteiligt: Der Waldbesitzer, die Kommune als Trägerin des Friedhofs und die Firma, in diesem Fall die Friedwald GmbH, die sich um Vertrieb und Marketing kümmert. Für den Erwerb eines so genannten Bestattungsbaums gibt es drei Wege, erklärt Johannes Langrehr bei der Waldführung.
"Zum einen können Sie über die Firma Friedwald, über den Kundenservice, einen individuellen Baumauswahltermin vereinbaren. Dann würden Sie einen meiner Kollegen oder mich wieder in der Fläche hier wiederfinden und dann würden wir gemeinsam nach Ihren Wünschen einen Friedwald-Baum suchen, einen Bestattungsbaum, der Ihren Wünschen entspricht. Sie können aber auch, das ist hier am Standort Dormagen möglich, im Online-Shop tatsächlich auch Bestattungsbäume erwerben."
Bestattungswald - Grabpflege durch die Natur
Die dritte Möglichkeit ist, sich beim Spaziergang im Wald interessante Bäume auszugucken. Zu erkennen sind die Bestattungsbäume an gelben und blauen Bändern um den Stamm. Teilweise sind kleine Tafeln mit Namen der Verstorbenen oder anderen Texten angebracht – ansonsten erinnert nichts an einen Friedhof.
"Viele Leute erkennen auch gar nicht, dass es sich hier um einen Friedwald handelt, wenn sie hier spazieren gehen, das ist auch so gewollt. Denn die Grabpflege und den Grabschmuck, das übernimmt die Natur. Also im Herbst sieht der Friedwald hier ganz anders aus als im Sommer und im Frühjahr. Und wir haben hier keine Grabgestecke oder keinen Grabschmuck am Grab selber, sondern es ist der gewachsene Boden."
"Und besonders keine Lampen", sagt ein Teilnehmer des Rundgangs. Förster Langrehr: "Genau, und besonders keine Lampen."
Naturnah – das ist für viele Menschen ein wichtiges Argument für den Bestattungswald. Auch für Johanna Haake, die sich bei der Führung über das Friedwald-Konzept informiert.
"Ein Friedhof hat für mich so etwas Förmliches. Quadratisch, rechteckig, die Gräber so nebeneinander. Und dies ist so eine natürliche Sache. Die mir von meiner Einstellung sehr entgegenkommt."
Naturnahe Ruhestätten statt Friedhofsparzellen in Reih und Glied
Das wachsende Angebot von Bestattungswald-Firmen stellt traditionelle Friedhöfe vor Herausforderungen.
"Ja sicherlich ist das eine Konkurrenz, das muss man ganz klar so sehen", sagt Heike Appel vom Grünflächenamt Frankfurt. Die bestehe nicht nur durch Bestattungswälder, sondern zum Beispiel auch durch Seebestattungen. In Frankfurt hat man, wie in anderen Kommunen auch, auf die Nachfrage nach naturnahen Bestattungen reagiert.
"Wir haben mehrere Waldfriedhöfe und da können wir Bestattungen am Baum durchführen, ähnlich den Friedwäldern. Mit dem Vorteil allerdings, dass man die Annehmlichkeiten eines Friedhofes hat. Das heißt: Ältere, gebrechliche Leute können immer noch mit ihrem Rollator bequem fahren. Wir haben auf den Friedhöfen die Toiletten. Das heißt es ist für die Angehörigen, ältere Angehörige, deutlich einfacher auch an die Bestattungsorte zu kommen."
Auch Werner Kentrup sieht beim traditionellen Friedhof Vorteile gegenüber Bestattungswäldern. Zum Beispiel, dass sie in der Regel mit dem ÖPNV oder Fahrrad erreichbar sind und dadurch weniger CO2 verbraucht wird. Der Bestatter aus Bonn hat sich auf nachhaltige Bestattungen spezialisiert.
Mehr Nachhaltigkeit - bei Sarg und Grabbeigaben
Vor vier Jahren hat Kentrup eine eigene "grüne Linie" entwickelt - rund 80 Bestatter in Deutschland haben sich ihm angeschlossen. Die Idee: Möglichst nachhaltig bestatten – allerdings immer unter Berücksichtigung der Wünsche der Verstorbenen. Verschiedene Aspekte spielten bei der Nachhaltigkeit eine Rolle, erzählt Werner Kentrup bei der Führung durch sein Bestattungshaus.
"Sie sehen hier an dieser Sargausstellung, dass es fast keine lackierten Flächen mehr gibt, sondern nur noch Särge mit Bienenwachs oder einer leicht geölten Oberfläche. Wobei die Farbgestaltung in hellen und dunklen Tönen auch möglich ist."
Zu den regionalen Hölzern gehören zum Beispiel Kiefernholz, Fichtenholz und Lärchenhölzer. Auch die Sarggriffe sind aus Holz oder Seilen, damit tatsächlich alle Bestandteile in der Erde nach einer gewissen Zeit zersetzt sind. Gerade bei der Kleidung gilt es darauf ebenfalls zu achten, erklärt Kentrup.
"Wir erleben leider sehr häufig, dass Kunststoffteile mit beerdigt worden sind. Wir erleben leider aber auch – ohne da jemandem einen Vorwurf zu machen – dass Verstorbene umgebettet werden sollen und noch nach vielen Jahrzehnten der Anzug noch fast völlig erhalten ist. Und das ist für uns ein Ansporn zu sagen: Leute, wir haben da alle was falsch gemacht. Wir müssen darauf achten, dass das jetzt anders ist."
Das heißt zum Beispiel: Kleidung aus Naturstoffen und nicht aus Polyester. Aber auch die Innenausstattung des Sargs ist aus Baumwollstoff, der Sargschmuck besteht aus Blumen der jeweiligen Jahreszeit. Und: Alle Produkte sind möglichst regional. Das gilt auch für den Grabstein. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die Steine unter fairen Arbeitsbedingungen abgebaut wurden. Der Bundesverband Deutscher Steinmetze teilt mit, dass die Nachfrage nach Steinen aus nachhaltigem Abbau gestiegen sei und soziale Standards wichtiger würden.
Umweltbilanz spricht für Erdbestattung
Bezüglich der Energiebilanz ist die Erdbestattung im Sarg umweltverträglicher als die Feuerbestattung, betont Kentrup. Außerdem gingen bei der Erdbestattung viele Liter Wasser und zum Beispiel im Körperfett gespeicherte Energien in die Erde zurück.
Und wie steht es um die Umweltbilanz von Asche in der Erde? Das Umweltbundesamt hat diese Frage mit Blick auf Bestattungswälder vor zwei Jahren untersucht. Denn die menschliche Asche enthält Schwermetalle und Pflanzennährstoffe. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass in der Regel keine schädlichen Bodenveränderungen oder eine Gefährdung des Waldökosystems zu erwarten seien. Empfohlen wird aber, nur in geeigneten Böden, sowie in ausreichendem Abstand zum Baum beizusetzen, damit die Urnen nicht in Kontakt mit dem Grundwasser kommen.
Als Alternativen zur Einäscherung werden in anderen Ländern auch weitere Bestattungsformen angeboten. Kompostieren, in einer Lauge auflösen oder in Stickstoff eintauchen zu Beispiel. Solche Methoden sind weniger energieintensiv und umweltfreundlicher als Kremation. Für Werner Kentrup gehört zur nachhaltigen Bestattung auch, Friedhöfe zu erhalten. Er betont den ökologischen Faktor.
"Wir reden da ja von – wenn wir jetzt an den heißen Sommer denken – an Temperatursenkungen, Staubbindung und wo wir vor einigen Wochen drüber nachgedacht haben, über Lichtverschmutzung. Der Friedhof ist ja eine Grünfläche, die nachts stockdunkel ist. Da sind keine Wege beleuchtet und nichts. Was ja für die Tiere und Umwelt sensationell gut ist, endlich mal einen dunklen Fleck zu finden."
Friedhöfe als Biotop und Naherholungsgebiet
Kentrup fürchtet, dass zu viel Leerstand auf Friedhöfen dazu führen könnte, dass sie für die Bebauung freigegeben werden. Tatsächlich sind zum Beispiel in Berlin nach Angaben der Senatsverwaltung in den vergangenen Jahren etwa drei Hektar ehemaliger Friedhofsflächen bebaut worden. Solche Formen der Umnutzung sind aber bislang die Ausnahme.
Offiziell und zentral erhoben wird die Zahl an so genannten Überhangflächen nicht. Aeternitas, eine Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, schätzt, dass in Deutschland grob die Hälfte der Friedhofsflächen nicht mehr für Bestattungen genutzt wird. Auf vielen Friedhöfen werden die freien Grünanlagen wie in Frankfurt vor allem als Rückzugsorte genutzt.
Frank Köpp etwa geht regelmäßig auf dem Hauptfriedhof und vor allem im Bereich des Staudengartens spazieren. Der Friedhof als Erholungsort – bleibt das nicht etwas ungewöhnlich?
"Sie meinen, dass das - wie soll man sagen - das es makaber ist, auf dem Friedhof spazieren zu gehen? Nö, das gar nicht. Tod gehört zum Leben."