Archiv

Wanderarbeiter
Die Rumänen vom Rummel

Schausteller beschäftigen gerne junge Männer aus Rumänien für den Auf- und Abbau der Fahrgeschäfte und das Einsammeln der Fahrchips. Deutsche wollten für so wenig Geld nicht so hart arbeiten, lautet ihr Argument. Die Rumänen seien dagegen unkompliziert.

Von Murat Koyuncu |
    Eine bunt beleuchtete Kirmes mit einem Riesenrad in den Abendstunden.
    Schätzungsweise 90 Prozent der Gehilfen auf der Kirmes sind Rumänen. (picture-alliance / dpa / Roland Scheidemann)
    Der Kirmesplatz ist voll. Kinder laufen mit Zuckerwatte und Kuscheltieren in den Händen herum. Aus den Boxen schallt laute Musik, überall flackern bunte Lichter und Lämpchen. Kirmes ist ein Ort der guten Laune, hier kommt man hin, um Spaß zu haben. Am beliebtesten sind die Fahrgeschäfte, auf denen ist immer was los. Zwischen den gut gelaunten Fahrgästen fallen drei junge Männer am Rande des Karussells auf: Sie tragen Jogginghosen, Kapuzenpullis, Baseballkappen und sehen sehr müde aus. Immer wieder werfen sie einen Blick auf ihre Armbanduhren.
    Die drei sind nicht zum Spaß hier -sie arbeiten: Sammeln Fahrchips ein und kontrollieren, ob die Bügel in den Fahrgondeln richtig eingerastet sind. Die jungen Männer stammen aus Rumänien und sprechen kaum Deutsch. Das ist ihrem Chef Michael aber nicht so wichtig.
    "Hauptsache billig und gut! Wenn die Jungs ihre Arbeit perfekt meistern und auch noch verantwortungsvoll sind."
    Michael ist in der vierten Generation Schausteller und betreibt als Juniorchef ein Rundfahrgeschäft. Sechs rumänische Mitarbeiter hat er, die mit ihm und seiner Familie in der Saison auf etwa 30 Volksfesten halt machen und das Karussell zum Laufen bringen. Michael und seine Familie sind mit ihren Arbeitskräften sehr zufrieden.
    "Die Geschäfte werden immer schlechter, deshalb sind wir auch irgendwo auf billige Arbeitskräfte angewiesen. Die Jungs sind ganz unkompliziert, machen echt alles, was man denen sagt und nehmen das, was wir an Geld bieten, dankbar an. Da wär ein Deutscher absolut undankbar und problematisch. Ich mein, die Leute müssen es ja nicht machen."
    "Ein Deutscher macht das für das Geld definitiv nicht"
    Aber sie machen es. Es ist ein Fulltime-Job, der von morgens bis in die tiefe Nacht geht, erklärt sein Schausteller-Kollege Simon.
    "Das geht los mit Reinigungs- und Wartungsarbeiten, mit Fahrchips einsammeln. Aber die eigentliche harte Arbeit ist, wenn das Karussell auf- und abgebaut werden muss, auch bei Regen und Schnee. Kann auch nicht jeder - die Jungs sind echt unkompliziert und packen sich drei Balken, anstatt nur eins. Ein Deutscher würde nur eins nehmen. Ein Deutscher macht das für das Geld definitiv nicht. Dafür sind die super."
    Denn zum Auf- und Abbau der tonnenschweren Fahrgeschäfte braucht man Kraft und Ausdauer. Die Arbeit kann durchaus gefährlich sein. Dafür gibt es durchschnittlich etwa 1000 Euro netto, die die Rumänen im Monat verdienen. Einige Schausteller zahlen auch weniger, etwa 800 Euro. Eine Summe, für die viele deutsche Arbeitnehmer wahrscheinlich nicht arbeiten würden, die für die rumänischen Helfer aber ein Segen ist, meint Schausteller Hermann, der auch ein Karussell betreibt.
    "Sie verdienen hier den harten Euro und das ist Zuhause das drei bis vierfache wert und ich übernehme alle anderen Kosten, wie Krankenkasse und versichert sind sie auch. Das muss."
    90 Prozent Rumänen
    Dazu gehört auch eine spartanische Wohnmöglichkeit in einem Waggon, sie können ihre Wäsche waschen und - je nach Schaustellerfamilie - ist auch für Verpflegung gesorgt. Doch das ist nicht die Regel, denn viele Wanderarbeiter müssen dafür selbst aufkommen. Hermann würde aber auch junge Arbeitskräfte aus Deutschland beschäftigen, weiß aber dass sich für diesen Job und dieses Geld schwer Interessierte finden würden.
    "Es gibt ja genug 18- bis 25-Jährige, man hört ja immer, dass sie keinen Ausbildungsplatz haben, die würde ich gerne zu mir nehmen und die dann erst mal mit durch die Gegend fahren und wenn sie dann natürlich einen Ausbildungsplatz bekommen, dann sollen sie das natürlich sehr gerne machen. Aber es gibt ja genug, die so nichts zu tun haben, wenn ich das mal so sagen darf."
    Dann gäbe es aber noch ein ganz anderes Problem, erzählt Hermann weiter:
    "Wenn man zum Arbeitsamt geht, weil wir haben auch einen Dauerauftrag für deutsche Mitarbeiter, dann ist das Problem, dass man sie nicht aus ihrem Umfeld reißen kann. Sie sollen nicht von Zuhause weg, es wäre unzumutbar, wenn sie jetzt drei oder vier Monate am Stück in Deutschland unterwegs sind. Dann würde man sie aus ihrem Umfeld reißen und das ist das Hauptproblem, was wir haben."
    Und so sind schätzungsweise 90 Prozent der Gehilfen auf der Kirmes Rumänen. Ob das tatsächlich daran liegt, dass die Schausteller keine deutschen Arbeitskräfte finden oder ob sie bewusst billige Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern für sich arbeiten lassen, darüber lässt sich streiten.