Wir, liebe Sonntagsspaziergänger/Innen kennen natürlich alle Theodor Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg". Im kommenden Jahr wird die deutsche Literatur- und werden sicher auch die Brandenburger Tourismusmanager mit vielen Lorbeerkranz-Reden '150 Jahre Fontanes Wanderungen durch die Mark' feiern. Die Rednerpulte sind schon aufgestellt, wenn sich das Land Brandenburg bei seinem Fontane, mit hugenottischem Migrations-Hintergrund (!) zuge-'wandert'...., bedanken wird. Bedanken für dessen Reisenotizen auf der Suche nach den Wurzeln der Mark Brandenburg.
Berliner Spötter lästern, wenn jeder Ort, der von Fontane erwandert und damit bekannt geworden ist, seine Fahnen raushängt, dann werden manche nachruhm-süchtigen preußischen Majestäten vor Neid vom Sockel springen.
Im Jahre 1862 kommt also Fontanes erster Sammelband seiner "Wanderungen" heraus. Und so wollen wir dem Jubiläum schon etwas voraus wandern. Denn was Fontane 1862 (also vor 150 Jahren) als Buch veröffentlicht, das muss er ja vorher besucht und beschrieben haben. Und so besuchen wir genau jenes kleine Örtchen WUSTRAU, am Ruppiner See, mit dem Fontane seine feuilletonistischen Wander-Berichte beginnt. Franz Nussbaum erwartet uns mit Band "Eins" von Fontane unter dem Arm. Und er vergleicht das Vorgestern mit dem Heute in Wustrau.....
"Wir rudern quer über diesen Ruppiner See auf Wustrau zu. Genau wie es Fontane vor rund 150 Jahren auf diesem See ja auch beschrieben hat. Ich wollte eben schon den lang gezogenen See wegen seiner Form mit einer schnöden Bratwurst vergleichen. Fontane spricht viel prosaischer von der "Form eines halben Mondes". Ich könnte -hier- immerhin von den Schilf-Ufern drüben von oder Badestellen erzählen. Oder von der Entenmutter, die grade aus dem Schilf mit ihrer Kückenschar zum Sonntagsausflug startet. Eins der Entlein ist noch zu faul und hat sich auf Mamas Rücken gesetzt. Oder man könnte überlegen, welcher Kirchturm da zwischen alten Kastanien hervorlugt. Theodor Fontane sitzt -imaginär natürlich- mit in unserem Boot. Er ist 40 Jahre alt, schlägt sein Buch auf und beginnt mit seinen Reisenotizen aus der Grafschaft Ruppin, mit dem See und dem Dorf Wustrau."
Der Ruppiner See, der fast die Form eines halben Mondes hat, scheidet sich seinen Ufern nach in zwei sehr verschiedene Hälften. Die Südhälfte ist teils zugebaut, teils bewaldet und seit alten Zeiten her von vier hübschen Dörfern eingefasst. Wustrau ist berühmt geworden als Wohnsitz des alten Zieten. Wustrau, wie viele märkische Besitzungen-, bestand früher aus vier Rittergütern.
"Und da sind wir schon mitten in der Personalbesetzung einer typischen Fontane-Wanderung. Ein historischer Bezug muss her. Das ist hier einer der berühmtesten Reitergenerale des Alten Fritz. Hans Joachim von Zieten. 1699 bis 1786. Ganz schön alt geworden für ein sprichwörtliches "Schlachtross", also einer aus Friedrichs Reiterei. Eine Formation, die damals dem Adel vorbehalten ist. Jeder musste seinen Gaul selber mitbringen. Die Personalie Zieten ergänzt Fontane dann mit bildhaft beobachteten Landschaftsbeschreibungen, er stöbert gerne in versteckten Kirchlein rum. Das war der Stoff, mit dem Fontane damals hofft die explosiv angestiegene Berliner Stadtbevölkerung anzusprechen. Jedenfalls die gutbürgerliche Leserschaft. Weniger die armen, ausgequetschten Tagelöhner oder Hungerlöhner aus dem Zille-Milieu. So verfasst Fontane diese Wanderungen wie einen "Extrakt aus märkischen Wurzeln", wie ein Elixier. Außerdem wählt sich Fontane zum Einstand seiner Wanderungen ein Heimspiel. Den Ruppiner See kennt der Neuruppiner Junge, hier ist er aufgewachsen."
Und wir fragen Dr. Gotthard Erler. Er kennt seinen Fontane, bis drei Stellen hinter dem Komma. Wie war das? Fontane, ein Journalist, schriftstellert auch schöne Balladen Finanziell ist Fontane damals auch eher noch ein "Ein-Euro-Schreiber". Sucht er mit diesen Wanderungen eine Marktlücke?
"Es hing wahrscheinlich mit seinen England-Jahren zusammen. Und es ging ihm darum die Mark Brandenburg so ähnlich darzustellen wie schottisch-englische Historiker längst das eigene Land dargestellt hatten. Und das hatte er in Schottland mitgekriegt. Er besucht diese Insel in Loch Leven-See, wo Maria Stuart gefangen saß, und stellt fest, was die hier haben, das haben wir in Rheinsberg auch. Er hatte in England oder in Schottland ein Parallelerlebnis zu dem was es in Deutschland in der Mark Brandenburg auch gibt, aber nicht beschrieben worden ist. Und das zweite Element ist, glaube ich, er hat sich so herumärgern müssen mit der popeligen Unteroffizierswirtschaft der preußischen Ministerien in Berlin. Und sagt, das kann's doch wohl mit Preußen nicht gewesen sein. Das 18. Jahrhundert, die Zeit Friedrich des Großen, ist eine heroische Zeit, aus Fontanes Sicht, -damals-. Und das muss ja endlich mal dargestellt und erobert werden. Und aus diesen beiden Motiven entsteht der Plan ein solches Buch zuschreiben. Das zunächst auf einen Band begrenzt ist...., und entwickelt sich dann im Laufe von 20 Jahren ganz anders."
"Aber im Anfang war das für den doch auch ein Risiko. Es hätte doch auch sein können, dass die Preußen gesagt hätten, och nö, das wollen wir gar nicht lesen.
Erler: Fontane hat ganz genau gewusst, dass andere deutsche Landschaft
vergleichbar schöne Bücher haben. In Brandenburg gab es das nicht. Und das wollte er schon machen. Man muss dazu sagen, dass ihm die Zeitschriften- und
Zeitungsredaktionen diese Artikel schon auch gerne abgenommen haben, weil es vergleichbares eben nicht gab. Interessant ist eben, dass nicht nur die Berliner Zeitungen zugegriffen haben, sondern auch das Cotta'sche Morgenblatt in Stuttgart. Die haben auch solche Berichte gern gedruckt. Als Information aus diesem fernen Preußen."
Franz Nussbaum: "Bitte, Herr Fontane, lesen Sie doch weiter."
Wustrau liegt an der Südspitze des Sees. Das eigentliche Dorf, sauber, von Wohlstand zeugende Bauernhäuser. Zwischen Dorf und See breitet sich der Park aus, dessen Baumgruppen von dem Dache des etwas hoch gelegenen Herrenhauses überragt werden. Erdgeschoss und Beletage, Zehn-Fenster-Front, eine Rampe, das ganze Gelb getüncht.
Franz Nussbaum: "Wir erfahren also, 20 Jahre lang arbeitet, bereist, erwandert Fontane seine Bestseller-Serie "die Wanderungen". Schließlich sind es vier Bände. Alleine der Band "Eins" erfährt sechs Auflagen. Zwischendurch ist er auch weiter Journalist, sogar Kriegsberichterstatter, liegt mit der Schnauze im Preußischen Kanonendonner, ist auch Berliner Theaterkritiker. Und nun nehmen wir den Faden nach Wustrau wieder auf. Herr Fontane...."
Die Wustrauer Zieten waren nicht reich, sie litten lange unter den Nachwehen des Dreißigjährigen-Krieges und der Schwedenzeit. Erst Hans Joachim von Zieten verstand sich auf Pflug und Wirtschaft fast so gut wie auf Krieg und Säbel und machte 1766 durch Ankauf anderer Anteile ganz Wustrau zu seinem Besitztum.
"Da ist der Zieten schon ein 67-jähriger "Alter Zieten" und Husaren, Haudegen. Sprichwörtlich mit dem Haudegen von oben, vom Pferde herab, haut er auf die Infanterie ein. Krieg war nie eine humanitäre Balkonveranstaltung. Zietens Husaren nehmen -beispielsweise- auch fahrbare österreichische Feldbäckereien mit dem Kommissbrot für 30.000 Mann im Handstreich auseinander. Nach der alten Militärregel, ohne Mampf, kein Kampf, ....die Bataille musste dann eben ausfallen. Das von Fontane erwähnte Eingangstor des Zietenhauses mit der Zehn-Fenster-Front, und Beletage, ist heutzutage verschlossen. Hier ist eine Weiterbildungsakademie des Deutschen Richterbundes mit Seminaren eingezogen. Das ist auch gut für das heutige Wustrau, es gibt Jobs. Es ist fast wie in jener Fontane Ballade vom alten Ribbeck auf Ribbeck. Der hatte sich doch eine Birne mit ins Grab erbeten, damit die späteren Kindergenerationen aus dem neuen Baum immer eine "Birn" bekommen. Und so könnte der alte Zieten hier damals sein Herrenhaus ja auch so geplant haben, dass es später mal von der Richterakademie übernommen wird und den Wustrauer Dörflern etwas Erwerb abwirft. Eine schöne Legende. Und nun wollen wir uns dem Reitergeneral annähern. Fontane schreibt ein Gedicht "Der alte Zieten" und bringt es auf den Punkt:
Sie kamen nie alleine,
der Zieten und der Fritz,
der Donner war der eine,
der andere war der Blitz
Das ist nur ein vierzeiliger Auszug. Wir folgen nun einem Storchenpaar, das mitten im Dorf Wustrau auf einem Schornstein, seit vielen Jahren schon, seine Sommerwohnung mit Beletage eingerichtet hat. Die Storcheneltern -oben- sind schwer beschäftigt, sie füttern, Anflug-Abflug...ihre Jungen mit Kinderkost, aus dem nahen See. Und die alten Störche bewachen gleichsam das Zietendenkmal unweit, schräg unter ihnen. Ein Nachguss des Zietendenkmals vom berühmten Berliner Hofbildhauer Schadow. Diese Zietenkopie - hier- ist ein Geschenk zu Zietens 300. Geburtstag -der war 1999- , von der "Stiftung Brandenburg-Preußen-Museum". Der Husarengeneral mit dieser extra hohen Mütze, in dieser etwas ungarischen Uniform, mit Schnüren und viel Schmiss dargestellt. Und mit zarten 15 Jahren wird der "kleine" Zieten damals schon Soldat. In der Zeit des sogenannten Soldatenkönigs, mit dem Tick für "lange Kerls". Zu dieser Zeit lernt grade der kleine Friedrich, Klammer auf, später "Fritz", lernt der noch in Mädchenkleidern, das war damals bei kleinen Prinzen so üblich, lernt er im Potsdamer Stadtschloss mit seinen Ammen das Laufen. Zurück zum 15-jährigen Zieten.
Günter Rieger:"Er wollte quasi auch der Enge der Häuslichkeit entkommen. Und für einen jungen Adeligen war die Armee die Möglichkeit, das Sprungbrett Kariere zu machen, Ruhm zu erwerben. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht."
Franz Nussbaum: "Abenteuerspielplatz, waren das nicht alles Kindersoldaten?"
Günter Rieger: "Der Zieten wollte unbedingt. Nun war er etwas Kleinwüchsig, seine Karriere war nicht einfach so ohne Probleme. Sondern er musste sich echt durchkämpfen. Der Soldatenkönig hatte ihn ein paar Mal auch zu Recht gewiesen. Er war ja dann auch mal ein Jahr auf Festungshaft, weil er...."
Franz Nussbaum: "...als Disziplinarstrafe?"
Günter Rieger: "Weil er sich nicht einfach bieten lassen wollte von anderen... Sein Selbstbewusstsein war eben doch so stark, dass er sich nicht gegenüber anderen, die eben lange Kerls waren, oder anderen Einfluss hatten, versuchte er sich durch zusetzten. Das macht ihn sympathisch. Er war kein Speichellecker, auch gegenüber Friedrich dem Großen nicht. Er war einer der wenigen, die auch den Mut hatten, in aller Höflichkeit natürlich, hatte aber auch Friedrich, der Kritik nicht sehr ertrug, hat er immer mal darauf hingewiesen, so nicht!"
Franz Nussbaum:" ...in Fragen von Charakter? Oder auch ein So-Nicht in Fragen von Taktik?"
Günter Rieger: "....in militärischen...."
Franz Nussbaum: "Also das war ja schon mutig, denn Friedrich meinte doch von sich, er sei..."
Günter Rieger: "....unfehlbar!"
Franz Nussbaum: "Und dem zu sagen, Majestät, links rum wäre besser?"
Günter Rieger: "Und da gab es immer mal wieder Konflikte zwischen beiden. Zieten hätte es einfacher haben können. Es gibt auch andere Beispiele, die Friedrich immer nach dem Munde geredet haben…"
Franz Nussbaum: "Was waren Husaren? Das war doch auch für diese Militärleute..., das war doch eine Truppe, die nicht auf Vordermann und Seitenrichtung, sondern so irgendwo aus dem Busch kamen, was zack-zack-zack-zack gemacht haben. Und bevor man recht wusste...waren die wieder weg......"
Günter Rieger: "...schnelle Eingreiftruppen. Ja und Zieten war ja nun prädestiniert, auch durch seine Körpergröße und seine Gewandtheit, er war ein hervorragender Reiter. Er war prädestiniert eben die Husarentruppe für Friedrich den Großen aufzubauen. Nach ungarischem Vorbild. "
Franz Nussbaum:"Und so steht Zieten hier auf dem Denkmal und fordert uns "denk mal ...nach". Quellen bestätigen, bei den legendären preußischen Schlachten, bei Leuthen oder bei Torgau bringt Zietens couragiertes Beispiel die Entscheidung in einer schon vom König vergeigten Bataille. Das hat Fritz, der gerne nachtragend war, dem Zieten nie vergessen."
Fontane beschreibt uns auch das Kirchlein von Wustrau, sehenswert, das heute auch mit sommerlichen Konzerten aufwartet.
Würde Fontane heute, also 150 Jahre später wieder nach Wustrau kommen, dann könnte er erstaunen. Denn am See, direkt an Zietens Herrenhaus, steht eine Seebühne...Und da proben sie ein Stück, das käme dem Fontane nach wenigen Sätzen sogar bekannt vor, aus seiner Feder. Mord und Totschlag.
Dialog aus "Unter dem Birnbaum":
....Nehmen wir doch mal an, dass es ein Mord war!
Es müsste jemand sein, der das Geld dringend braucht, jemand, der nicht ein- noch aus weiß......
... "Sie" haben das eiskalt geplant! Sie...und ihre Frau, die Schauspielerin! Aber ich sage Ihnen was, wir werden die Leiche finden, und zwar hier.....unter dem Birnbaum!
.
...eine Leiche unter dem Birnbaum? Fontane hat es geschrieben. Und daraus haben sie später also ein Theaterstück gemacht. Und das probt man auf dieser Seebühne, mit fernsehbekannten Größen. Wenn also Fontane -heute- wieder durch dieses Wustrau liefe, dann träfe er inkognito vielleicht auch den Ortsbürgermeister Kurmann. Und er würde fragen, was tut sich denn so in Ihrem Dörfchen?
Kurmann: "Wustrau, eingebunden vom Ruppiner See, und wir haben uns also geschworen, so weit wie möglich, den sanften Tourismus auszubauen. Und wir müssen sagen, dass grade durch die Richterakademie, durch das Brandenburg-Preußen-Museum und nicht zuletzt durch das Seefestival... Wustrau nicht bloß nur über die Kreisgrenzen bekannt ist...., sondern sogar über Ländergrenzen. Und deshalb gehört auch Fontane dazu und Zieten dazu, weil die ja eigentlich diese Orte belebt haben durch ihre Wanderung. Und wenn man also in den Büchern nachliest, dann trifft man auch auf solche Namen und fragt sich, wo sind denn die Standorte und wird dann auch schnell verbunden auch mit dem Ort Wustrau."
Da lächelt der unerkannte Fontane verschmitzt. So setzt sich unser märkischer Wandersmann flugs hin und schreibt -hier- unter einem Birnbaum zu seiner Mördergeschichte auch noch schnell eine Theaterkritik. Alles aus einer Hand. Man sieht nur, was man weiß, soll Fontane gesagt habe. Und wer nix weiß, vergleicht den Ruppiner See halt mit einer Bratwurst und hält Wustrau für ein verlorenes Dörfchen. Und dabei ist hier so viel zu sehen, zu erschwimmen, zu erradeln, und auch zu erwandern.
Berliner Spötter lästern, wenn jeder Ort, der von Fontane erwandert und damit bekannt geworden ist, seine Fahnen raushängt, dann werden manche nachruhm-süchtigen preußischen Majestäten vor Neid vom Sockel springen.
Im Jahre 1862 kommt also Fontanes erster Sammelband seiner "Wanderungen" heraus. Und so wollen wir dem Jubiläum schon etwas voraus wandern. Denn was Fontane 1862 (also vor 150 Jahren) als Buch veröffentlicht, das muss er ja vorher besucht und beschrieben haben. Und so besuchen wir genau jenes kleine Örtchen WUSTRAU, am Ruppiner See, mit dem Fontane seine feuilletonistischen Wander-Berichte beginnt. Franz Nussbaum erwartet uns mit Band "Eins" von Fontane unter dem Arm. Und er vergleicht das Vorgestern mit dem Heute in Wustrau.....
"Wir rudern quer über diesen Ruppiner See auf Wustrau zu. Genau wie es Fontane vor rund 150 Jahren auf diesem See ja auch beschrieben hat. Ich wollte eben schon den lang gezogenen See wegen seiner Form mit einer schnöden Bratwurst vergleichen. Fontane spricht viel prosaischer von der "Form eines halben Mondes". Ich könnte -hier- immerhin von den Schilf-Ufern drüben von oder Badestellen erzählen. Oder von der Entenmutter, die grade aus dem Schilf mit ihrer Kückenschar zum Sonntagsausflug startet. Eins der Entlein ist noch zu faul und hat sich auf Mamas Rücken gesetzt. Oder man könnte überlegen, welcher Kirchturm da zwischen alten Kastanien hervorlugt. Theodor Fontane sitzt -imaginär natürlich- mit in unserem Boot. Er ist 40 Jahre alt, schlägt sein Buch auf und beginnt mit seinen Reisenotizen aus der Grafschaft Ruppin, mit dem See und dem Dorf Wustrau."
Der Ruppiner See, der fast die Form eines halben Mondes hat, scheidet sich seinen Ufern nach in zwei sehr verschiedene Hälften. Die Südhälfte ist teils zugebaut, teils bewaldet und seit alten Zeiten her von vier hübschen Dörfern eingefasst. Wustrau ist berühmt geworden als Wohnsitz des alten Zieten. Wustrau, wie viele märkische Besitzungen-, bestand früher aus vier Rittergütern.
"Und da sind wir schon mitten in der Personalbesetzung einer typischen Fontane-Wanderung. Ein historischer Bezug muss her. Das ist hier einer der berühmtesten Reitergenerale des Alten Fritz. Hans Joachim von Zieten. 1699 bis 1786. Ganz schön alt geworden für ein sprichwörtliches "Schlachtross", also einer aus Friedrichs Reiterei. Eine Formation, die damals dem Adel vorbehalten ist. Jeder musste seinen Gaul selber mitbringen. Die Personalie Zieten ergänzt Fontane dann mit bildhaft beobachteten Landschaftsbeschreibungen, er stöbert gerne in versteckten Kirchlein rum. Das war der Stoff, mit dem Fontane damals hofft die explosiv angestiegene Berliner Stadtbevölkerung anzusprechen. Jedenfalls die gutbürgerliche Leserschaft. Weniger die armen, ausgequetschten Tagelöhner oder Hungerlöhner aus dem Zille-Milieu. So verfasst Fontane diese Wanderungen wie einen "Extrakt aus märkischen Wurzeln", wie ein Elixier. Außerdem wählt sich Fontane zum Einstand seiner Wanderungen ein Heimspiel. Den Ruppiner See kennt der Neuruppiner Junge, hier ist er aufgewachsen."
Und wir fragen Dr. Gotthard Erler. Er kennt seinen Fontane, bis drei Stellen hinter dem Komma. Wie war das? Fontane, ein Journalist, schriftstellert auch schöne Balladen Finanziell ist Fontane damals auch eher noch ein "Ein-Euro-Schreiber". Sucht er mit diesen Wanderungen eine Marktlücke?
"Es hing wahrscheinlich mit seinen England-Jahren zusammen. Und es ging ihm darum die Mark Brandenburg so ähnlich darzustellen wie schottisch-englische Historiker längst das eigene Land dargestellt hatten. Und das hatte er in Schottland mitgekriegt. Er besucht diese Insel in Loch Leven-See, wo Maria Stuart gefangen saß, und stellt fest, was die hier haben, das haben wir in Rheinsberg auch. Er hatte in England oder in Schottland ein Parallelerlebnis zu dem was es in Deutschland in der Mark Brandenburg auch gibt, aber nicht beschrieben worden ist. Und das zweite Element ist, glaube ich, er hat sich so herumärgern müssen mit der popeligen Unteroffizierswirtschaft der preußischen Ministerien in Berlin. Und sagt, das kann's doch wohl mit Preußen nicht gewesen sein. Das 18. Jahrhundert, die Zeit Friedrich des Großen, ist eine heroische Zeit, aus Fontanes Sicht, -damals-. Und das muss ja endlich mal dargestellt und erobert werden. Und aus diesen beiden Motiven entsteht der Plan ein solches Buch zuschreiben. Das zunächst auf einen Band begrenzt ist...., und entwickelt sich dann im Laufe von 20 Jahren ganz anders."
"Aber im Anfang war das für den doch auch ein Risiko. Es hätte doch auch sein können, dass die Preußen gesagt hätten, och nö, das wollen wir gar nicht lesen.
Erler: Fontane hat ganz genau gewusst, dass andere deutsche Landschaft
vergleichbar schöne Bücher haben. In Brandenburg gab es das nicht. Und das wollte er schon machen. Man muss dazu sagen, dass ihm die Zeitschriften- und
Zeitungsredaktionen diese Artikel schon auch gerne abgenommen haben, weil es vergleichbares eben nicht gab. Interessant ist eben, dass nicht nur die Berliner Zeitungen zugegriffen haben, sondern auch das Cotta'sche Morgenblatt in Stuttgart. Die haben auch solche Berichte gern gedruckt. Als Information aus diesem fernen Preußen."
Franz Nussbaum: "Bitte, Herr Fontane, lesen Sie doch weiter."
Wustrau liegt an der Südspitze des Sees. Das eigentliche Dorf, sauber, von Wohlstand zeugende Bauernhäuser. Zwischen Dorf und See breitet sich der Park aus, dessen Baumgruppen von dem Dache des etwas hoch gelegenen Herrenhauses überragt werden. Erdgeschoss und Beletage, Zehn-Fenster-Front, eine Rampe, das ganze Gelb getüncht.
Franz Nussbaum: "Wir erfahren also, 20 Jahre lang arbeitet, bereist, erwandert Fontane seine Bestseller-Serie "die Wanderungen". Schließlich sind es vier Bände. Alleine der Band "Eins" erfährt sechs Auflagen. Zwischendurch ist er auch weiter Journalist, sogar Kriegsberichterstatter, liegt mit der Schnauze im Preußischen Kanonendonner, ist auch Berliner Theaterkritiker. Und nun nehmen wir den Faden nach Wustrau wieder auf. Herr Fontane...."
Die Wustrauer Zieten waren nicht reich, sie litten lange unter den Nachwehen des Dreißigjährigen-Krieges und der Schwedenzeit. Erst Hans Joachim von Zieten verstand sich auf Pflug und Wirtschaft fast so gut wie auf Krieg und Säbel und machte 1766 durch Ankauf anderer Anteile ganz Wustrau zu seinem Besitztum.
"Da ist der Zieten schon ein 67-jähriger "Alter Zieten" und Husaren, Haudegen. Sprichwörtlich mit dem Haudegen von oben, vom Pferde herab, haut er auf die Infanterie ein. Krieg war nie eine humanitäre Balkonveranstaltung. Zietens Husaren nehmen -beispielsweise- auch fahrbare österreichische Feldbäckereien mit dem Kommissbrot für 30.000 Mann im Handstreich auseinander. Nach der alten Militärregel, ohne Mampf, kein Kampf, ....die Bataille musste dann eben ausfallen. Das von Fontane erwähnte Eingangstor des Zietenhauses mit der Zehn-Fenster-Front, und Beletage, ist heutzutage verschlossen. Hier ist eine Weiterbildungsakademie des Deutschen Richterbundes mit Seminaren eingezogen. Das ist auch gut für das heutige Wustrau, es gibt Jobs. Es ist fast wie in jener Fontane Ballade vom alten Ribbeck auf Ribbeck. Der hatte sich doch eine Birne mit ins Grab erbeten, damit die späteren Kindergenerationen aus dem neuen Baum immer eine "Birn" bekommen. Und so könnte der alte Zieten hier damals sein Herrenhaus ja auch so geplant haben, dass es später mal von der Richterakademie übernommen wird und den Wustrauer Dörflern etwas Erwerb abwirft. Eine schöne Legende. Und nun wollen wir uns dem Reitergeneral annähern. Fontane schreibt ein Gedicht "Der alte Zieten" und bringt es auf den Punkt:
Sie kamen nie alleine,
der Zieten und der Fritz,
der Donner war der eine,
der andere war der Blitz
Das ist nur ein vierzeiliger Auszug. Wir folgen nun einem Storchenpaar, das mitten im Dorf Wustrau auf einem Schornstein, seit vielen Jahren schon, seine Sommerwohnung mit Beletage eingerichtet hat. Die Storcheneltern -oben- sind schwer beschäftigt, sie füttern, Anflug-Abflug...ihre Jungen mit Kinderkost, aus dem nahen See. Und die alten Störche bewachen gleichsam das Zietendenkmal unweit, schräg unter ihnen. Ein Nachguss des Zietendenkmals vom berühmten Berliner Hofbildhauer Schadow. Diese Zietenkopie - hier- ist ein Geschenk zu Zietens 300. Geburtstag -der war 1999- , von der "Stiftung Brandenburg-Preußen-Museum". Der Husarengeneral mit dieser extra hohen Mütze, in dieser etwas ungarischen Uniform, mit Schnüren und viel Schmiss dargestellt. Und mit zarten 15 Jahren wird der "kleine" Zieten damals schon Soldat. In der Zeit des sogenannten Soldatenkönigs, mit dem Tick für "lange Kerls". Zu dieser Zeit lernt grade der kleine Friedrich, Klammer auf, später "Fritz", lernt der noch in Mädchenkleidern, das war damals bei kleinen Prinzen so üblich, lernt er im Potsdamer Stadtschloss mit seinen Ammen das Laufen. Zurück zum 15-jährigen Zieten.
Günter Rieger:"Er wollte quasi auch der Enge der Häuslichkeit entkommen. Und für einen jungen Adeligen war die Armee die Möglichkeit, das Sprungbrett Kariere zu machen, Ruhm zu erwerben. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht."
Franz Nussbaum: "Abenteuerspielplatz, waren das nicht alles Kindersoldaten?"
Günter Rieger: "Der Zieten wollte unbedingt. Nun war er etwas Kleinwüchsig, seine Karriere war nicht einfach so ohne Probleme. Sondern er musste sich echt durchkämpfen. Der Soldatenkönig hatte ihn ein paar Mal auch zu Recht gewiesen. Er war ja dann auch mal ein Jahr auf Festungshaft, weil er...."
Franz Nussbaum: "...als Disziplinarstrafe?"
Günter Rieger: "Weil er sich nicht einfach bieten lassen wollte von anderen... Sein Selbstbewusstsein war eben doch so stark, dass er sich nicht gegenüber anderen, die eben lange Kerls waren, oder anderen Einfluss hatten, versuchte er sich durch zusetzten. Das macht ihn sympathisch. Er war kein Speichellecker, auch gegenüber Friedrich dem Großen nicht. Er war einer der wenigen, die auch den Mut hatten, in aller Höflichkeit natürlich, hatte aber auch Friedrich, der Kritik nicht sehr ertrug, hat er immer mal darauf hingewiesen, so nicht!"
Franz Nussbaum:" ...in Fragen von Charakter? Oder auch ein So-Nicht in Fragen von Taktik?"
Günter Rieger: "....in militärischen...."
Franz Nussbaum: "Also das war ja schon mutig, denn Friedrich meinte doch von sich, er sei..."
Günter Rieger: "....unfehlbar!"
Franz Nussbaum: "Und dem zu sagen, Majestät, links rum wäre besser?"
Günter Rieger: "Und da gab es immer mal wieder Konflikte zwischen beiden. Zieten hätte es einfacher haben können. Es gibt auch andere Beispiele, die Friedrich immer nach dem Munde geredet haben…"
Franz Nussbaum: "Was waren Husaren? Das war doch auch für diese Militärleute..., das war doch eine Truppe, die nicht auf Vordermann und Seitenrichtung, sondern so irgendwo aus dem Busch kamen, was zack-zack-zack-zack gemacht haben. Und bevor man recht wusste...waren die wieder weg......"
Günter Rieger: "...schnelle Eingreiftruppen. Ja und Zieten war ja nun prädestiniert, auch durch seine Körpergröße und seine Gewandtheit, er war ein hervorragender Reiter. Er war prädestiniert eben die Husarentruppe für Friedrich den Großen aufzubauen. Nach ungarischem Vorbild. "
Franz Nussbaum:"Und so steht Zieten hier auf dem Denkmal und fordert uns "denk mal ...nach". Quellen bestätigen, bei den legendären preußischen Schlachten, bei Leuthen oder bei Torgau bringt Zietens couragiertes Beispiel die Entscheidung in einer schon vom König vergeigten Bataille. Das hat Fritz, der gerne nachtragend war, dem Zieten nie vergessen."
Fontane beschreibt uns auch das Kirchlein von Wustrau, sehenswert, das heute auch mit sommerlichen Konzerten aufwartet.
Würde Fontane heute, also 150 Jahre später wieder nach Wustrau kommen, dann könnte er erstaunen. Denn am See, direkt an Zietens Herrenhaus, steht eine Seebühne...Und da proben sie ein Stück, das käme dem Fontane nach wenigen Sätzen sogar bekannt vor, aus seiner Feder. Mord und Totschlag.
Dialog aus "Unter dem Birnbaum":
....Nehmen wir doch mal an, dass es ein Mord war!
Es müsste jemand sein, der das Geld dringend braucht, jemand, der nicht ein- noch aus weiß......
... "Sie" haben das eiskalt geplant! Sie...und ihre Frau, die Schauspielerin! Aber ich sage Ihnen was, wir werden die Leiche finden, und zwar hier.....unter dem Birnbaum!
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...eine Leiche unter dem Birnbaum? Fontane hat es geschrieben. Und daraus haben sie später also ein Theaterstück gemacht. Und das probt man auf dieser Seebühne, mit fernsehbekannten Größen. Wenn also Fontane -heute- wieder durch dieses Wustrau liefe, dann träfe er inkognito vielleicht auch den Ortsbürgermeister Kurmann. Und er würde fragen, was tut sich denn so in Ihrem Dörfchen?
Kurmann: "Wustrau, eingebunden vom Ruppiner See, und wir haben uns also geschworen, so weit wie möglich, den sanften Tourismus auszubauen. Und wir müssen sagen, dass grade durch die Richterakademie, durch das Brandenburg-Preußen-Museum und nicht zuletzt durch das Seefestival... Wustrau nicht bloß nur über die Kreisgrenzen bekannt ist...., sondern sogar über Ländergrenzen. Und deshalb gehört auch Fontane dazu und Zieten dazu, weil die ja eigentlich diese Orte belebt haben durch ihre Wanderung. Und wenn man also in den Büchern nachliest, dann trifft man auch auf solche Namen und fragt sich, wo sind denn die Standorte und wird dann auch schnell verbunden auch mit dem Ort Wustrau."
Da lächelt der unerkannte Fontane verschmitzt. So setzt sich unser märkischer Wandersmann flugs hin und schreibt -hier- unter einem Birnbaum zu seiner Mördergeschichte auch noch schnell eine Theaterkritik. Alles aus einer Hand. Man sieht nur, was man weiß, soll Fontane gesagt habe. Und wer nix weiß, vergleicht den Ruppiner See halt mit einer Bratwurst und hält Wustrau für ein verlorenes Dörfchen. Und dabei ist hier so viel zu sehen, zu erschwimmen, zu erradeln, und auch zu erwandern.