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Wann hat Munchs "Schrei" ein neues Heim?

Die Skischanze Holmenkollen in Oslo neu zu bauen, dauerte vier Jahre. An einem neuen Munchmuseum arbeiten sich die Kommunalpolitiker schon mehr als doppelt so lange ab – bei gleichem Investitionsvolumen.

Von Agnes Bührig |
    Ein langer voll gestellter Raum im Keller des Munchmuseums im Norden der Innenstadt von Oslo. Inger Grimstadt hat sich eine Brille mit starken Vergrößerungsgläsern aufgesetzt und tunkt ihren feinen Pinsel in schonend erwärmten Spezialleim, um abfallende Farbpartikel zu sichern. Von einem neuen Museum erhofft sich die Konservatorin vor allem bessere Transportwege für die Bilder. Das verringere Vibrationen und schone die Kunstwerke, sagt Inger Grimstad:

    "Die Kunst hängt im Magazin, dann transportieren wir sie zu den Ateliers der Konservatorabteilung und in die Ausstellung. Weil das Museum ausgebaut wurde, liegen diese nicht ideal im Verhältnis zueinander. Wir müssen treppauf und treppab, und hohe Schwellen überwinden. Nach dem Sicherheitsumbau nach dem Raub der Werke Madonna und Schrei wurde das noch schlimmer."

    Im Museumsentwurf Lambda des Architekturbüros Herreros hätten sie eine ganze Etage nur für die Konservatoren, schwärmt Grimstad. Unter der bürgerlichen Koalition von Konservativen und Fortschrittspartei im Stadtrat gewannen die Spanier 2009 die internationale Ausschreibung für einen Neubau gegenüber der neuen Oper am Oslofjord. Doch dessen Chef sowie der oberste Denkmalschützer des Landes kritisierten die Klotzigkeit des Baus, den Rechtspopulisten wurde das Projekt zu teuer. Ihr Nein zu Lambda kostete sie nach den Kommunalwahlen im letzten Herbst die Regierungsbeteiligung. Und Norwegen ein Stück seines internationalen Ansehens, kritisierte der Architekturprofessor Karl Otto Ellefsen, Mitglied der Jury:

    "Von außen betrachtet ist es kein würdiges Vorgehen. Man beschließt einen Standort, hat Einigkeit über ein neues Museum und dann wird dieses im Kielwasser einer Kommunalwahl beerdigt. Wir haben hoch gepokert, eine Menge internationale Architekten eingeladen, am Prozess teilzunehmen und dann enden wir im Nichts."

    Dabei geht es auch anders. 40 km südlich der Innenstadt investiert Petter Olsen, Millionär und Munchsammler, derzeit einen Teil der 120 Millionen Dollar, die die Auktion seiner Version von Munchs Schrei im Frühjahr in New York einbrachte. Dass ein privater Sammler schneller zum Zuge kommt, verwundert Stein Olav Henrichsen, Direktor des kommunal geführten Munchmuseums, nicht:

    "Als privater Akteur musst du weniger Faktoren berücksichtigen. Das sehen wir nicht nur bei Olsen, sondern auch am Beispiel des Astrup Fearnley Museums für Gegenwartskunst, das diesen Monat in einem spannenden Bau von Renzo Piano am Oslofjord eröffnet. Beim Munchmuseum geht es jedoch um eine kommunale Investitionssumme von umgerechnet 240 Millionen Euro. Dass die Politiker Zeit für eine solide Mehrheit in der Stadtverwaltung brauchen, versteht sich von selbst."

    Nicht nur das Hick-Hack um ein adäquates Museum, auch die Gestaltung des großen Munch-Jubiläumsjahres 2013 vermittelt den Eindruck, Munch werde in seiner Heimat nicht angemessen gewürdigt. Gerade einmal umgerechnet eine Million Euro soll für die Feierlichkeiten anlässlich seines 150. Geburtstags ausgegeben werden – ein Bruchteil des Budgets des Jubiläumsjahres für den Dramatiker Henrik Ibsen 2006. Doch die zuständigen Politiker verweisen gern darauf, dass diese Summe im Verlauf der Zeit noch wachsen könne. Und dass sich der Museumsneubau hinzieht, auch das habe seine Gründe, sagt Anne Siri Koksrud von den Liberalen, die in Oslo das Kulturressort besetzen:

    "Das Wichtigste ist, dass wir ein Munchmuseum in der Qualität bekommen, die Munch verdient. Zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis. Munch ist ein sehr wichtiger Künstler, sein Werk gehört zum Weltkulturerbe und ich kann verstehen, dass das sehr unterschiedliche Gefühle und Meinungen hervorruft. Von der Idee her ist es gut, wenn sich viele über Munch den Kopf zerbrechen. "

    Die Skischanze Holmenkollen in Oslo neu zu bauen, dauerte gerade einmal vier Jahre. An einem neuen Munchmuseum arbeiten sich die Kommunalpolitiker nun schon mehr als doppelt so lange ab – bei gleichem Investitionsvolumen. Wo es endgültig zu stehen kommen sollte, hat ein weiterer Bericht beleuchtet, der nächste Woche vorgestellt wird. Ende des Jahres entscheidet die Skination Norwegen dann, wann und wo das Werk ihres Weltkulturbürgers Munch zukünftig präsentiert wird. Es wird hoffentlich eine Entscheidung mit Bestand.