Matthias Gierth: Herr Söding, ein kleines Stück Papyrus befeuert die Diskussion, ob der Wanderprediger Jesus von Nazareth eine Ehefrau hatte. Begründete Aufregung oder viel Lärm um Nichts?
Thomas Söding: Viel Lärm um Nichts will ich nicht sagen. Bei Jesus interessiert man sich für diese Dinge, wie er gelebt hat, ob er verheiratet gewesen ist oder zölibatär gelebt hat. Meines Erachtens spiegelt die Aufregung einfach die Bedeutung dieser Person.
Gierth: Was lässt sich aus den Schriften des Neuen Testaments über die Lebensform Jesu sagen und auch über sein Verhältnis zu Frauen?
Söding: Das Neue Testament ist in erster Linie mal am Inhalt der Botschaft Jesu interessiert – und darüber erfahren wir relativ viel. Und dann erfährt man einige Eckdaten seiner Biografie. Aber so eine richtige Lebensgeschichte Jesu, die bekommen Sie nicht zusammen im Neuen Testament. Was seine Lebensform anbelangt, Botschaft und Leben stehen in innerer Verbindung, und eines scheint mir kennzeichnend zu sein, die freiwillige Armut Jesu. Ich denke dazu gehört am Ende auch seine Ehelosigkeit.
Gierth: Und das Verhältnis zu Frauen?
Söding: Das Verhältnis zu Frauen war offensichtlich entspannter, offener, freier als man das von einem heiligen Propheten denken mochte. Er hat Frauen an sich herangelassen, viel näher als erlaubt und schicklich galt. Meines Erachtens ist das die Ausstrahlung eines tief spirituellen Menschen auf spirituelle Frauen gewesen. Eine tiefe emotionale Beziehung, die nicht in erster Linie auf der sexuellen Ebene abgelaufen ist
Gierth: Nun findet sich dort ja auch die Gestalt der Maria Magdalena in den Evangelien. Inwiefern nimmt sie eine Sonderrolle im Verhältnis zu Jesus ein?
Söding: Ja, das ist schon eine ganz besondere Persönlichkeit gewesen. Im Anfang steht eine Erinnerung, die für die männlichen Jünger Jesu gar nicht so angenehm ist, dass die nämlich Jesu alle in seiner Passion im Stich gelassen haben, und dass da einige Frauen aus Galiläa, und zu denen gehört immer Maria Magdalena in jedem Evangelium des Neuen Testaments, bei Kreuz ausgeharrt haben.
Und deswegen haben die genau an der schwierigen Schnittstelle Tod und Auferstehung Jesu eine herausragende Bedeutung. Die Maria Magdalena wird dann noch mal speziell im Johannes-Evangelium herausgehoben als die erste, die den auferstehenden Jesus selber gesehen hat und die damit zur Apostelin der Aposteln geworden ist, wie es in der Alten Kirche immer und immer wieder geheißen hat. Später hat man riesige Schwierigkeiten damit gehabt, sich vorzustellen, dass auch eine Frau zum Kreis der Apostel gehört haben sollte.
Gierth: Was über die Lebensform Jesu und auch sein Verhältnis zu Frauen im Neuen Testament gesagt wird, das ist ja zunächst einmal Glaubenszeugnis. Lässt sich davon ausgehen, dass das historisch auch tatsächlich so gewesen ist?
Söding: Wir haben vier kanonische Evangelien. Da gibt es eine Reihe von weiteren apokryphen Evangelien. Wenn man nach einem Vergleich sucht: Die haben alle unterschiedliche Standpunkte. In diesen Standpunkten werden sozusagen Spiegel aufgestellt, und da wird mit bestimmten Brechungen das Bild Jesu eingefangen. Das ist natürlich immer das Interesse derer, die von Jesus erzählen wollen, weil sie an ihn glauben.
Aber sie haben halt eine feste Überzeugung, dass man Jesu von seinem Gottesverhältnis her verstehen muss, auch was sein Verhältnis zu Frauen anbelangt. Das wird sehr, sehr stark akzentuiert. Das kann man kritisch registrieren, dass man halt über Eckdaten der Biografie relativ wenig weiß, das muss man ehrlich zugestehen. Aber ich bin doch relativ zuversichtlich, dass in diesen vier Spiegeln sich das, was Jesus wirklich wichtig und heilig gewesen ist, dass sich das erkennen lässt.
Gierth: Wenn wir noch mal auf den Papyrus schauen, wenn die Datierung von Karen King stimmt, dann stammt das Papyrus aus dem vierten Jahrhundert. Damals war die Kanonbildung des Neuen Testaments abgeschlossen. Es gab neben den kanonisierten Texten eine Fülle von Schriften, die die frühchristlichen Gemeinden sofort ausgesondert haben. Etwa das so genannte Phillippus-Evangelium. Dort gibt es die Stelle, in der es heißt: "Der Heiland liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger und küsste sie oftmals auf den Mund." Ging die Beziehung von Jesus mit Maria Magdalena also doch weiter?
Söding: Naja, das ist keine historische Aussage in unserem Sinne. Aber vielleicht ein ganz kurzes Wort vorweg, um in der Tat die in den Kanon aufgenommenen Evangelien, das sind am Ende diejenigen gewesen, die letztendlich bei allen Gemeinden im frühen Christentum anerkannt gewesen sind. Aber da gab es immer Gruppen, die hatten ihre Spezialliteratur. Das sind dann die sogenannten apokryphen Evangelien. Viele haben unserer Frömmigkeit tief beeindruckt: ob so ein Esel an der Krippe und so weiter, das ist alles aus den apokryphen Traditionen. Aber die haben nie die Anerkennung gefunden. Das Philipps-Evangelium gehört dazu.
Und in diesen kleineren Gruppen, oppositionellen Gruppen da war häufig auch das Verhältnis Jesu zu Frauen, das Geschlechterverhältnis, das Verständnis der Sexualität ein anderes, aber nicht unbedingt in unserem modernen Sinne des Wortes. Was dort als Kuss bezeichnet wird, als Ehe bezeichnet wird, das würden wir vielleicht eher so als eine spirituelle Lebensgemeinschaft ansehen. Es ist so eine Art Allegorie der Sexualität, die uns hier in diesen Gruppen begegnet. Die waren nämlich im Durchschnitt leibfeindlicher als der Mainstream dieser Anfangszeit.
Gierth: Vielen Evangelien, die nicht kanonisiert wurden, ist gemeinsam, dass sie von Anhängern der Gnosis geschrieben wurden. Was zeichnet diese Anhänger aus und warum wurden ihre Schriften, etwa ja auch das Evangelium des Judas, nicht kanonisiert?
Söding: Gnosis heißt Wissen, heißt Erkenntnis. Gnosis war eine breite Bewegung in der Antike. Im Wesentlichen steht dahinter so ein gewisser Dualismus, also das Leibliche ist vergänglich, und nur das Geistige, Spirituelle ist unvergänglich. Das war diese Gnosis. Und die wurde kritisiert in erster Linie deswegen, weil sie nicht das wahre Menschsein Jesu richtig betonen. Da ist Jesus immer mehr oder weniger so eine ätherische Figur. Dagegen hat man sozusagen streng gesagt: Nein, Jesus ist wahrhaft Mensch geworden. Und das war im Grunde der Kernpunkt. Ob man diese Gnostiker immer richtig verstanden hat, das habe ich meine Zweifel, weil man eben halt diese Verständigungsprobleme, diese Sprachprobleme in der Antike auch schon häufig gesehen hat und über diesen spirituellen, diesen allegorischen Sinn der gnostischen Schriften viel zu schnell hinweg gegangen ist.
Gierth: Wir haben über die apokryphen Evangelien gesprochen. Sind nicht all diese Texte doch geeignet, am Ende die heutige Lehrposition der katholischen Kirche etwa zum Zölibat oder zur Frauenordination zu erschüttern? Denn dabei wird ja immer wieder auf die Ehelosigkeit Jesu verwiesen und darauf, dass der Zwölferkreis der Apostel eben keine Frau umfasste, weswegen – wie es immer so schön heißt – die Kirche nicht befähigt sei, Frauen zu Priestern zu weihen?
Söding: Ja gut, das ist natürlich einer der heißen Punkte, um dessen Willen das Thema "War Jesus verheiratet oder war er nicht verheiratet" so viele Wellen schlägt. Worüber wir jetzt hier sprechen bei dem Papyrus-Fund, das ist nicht eine neue Facette des historischen Jesus, sondern das ist ein Stück Mentalitätsgeschichte des frühen Christentums. Und das ist natürlich schon sehr wichtig. Es gibt sozusagen die große Mehrheit, und in der zeigt sich dann, dass bestimmte Formen von Askese und Zölibat wahnsinnig populär gewesen sind, viel populärer als wir uns das in der Gegenwart vorstellen können. Gerade die Reformer, die Revolutionäre und so weiter, und die Christen, die sind diesen Weg gegangen.
Meines Erachtens wird die Lehrposition durch solche Funde nicht erschüttert, denn das ist kein historisches Argument in unserem traditionellen Sinne des Wortes, sondern es ist eben halt ein Argument, was die katholische Kirche aus ihrer langen Geschichte heraus entwickelt, dass sie sagt: Nein, wir wollen nicht anders, wir können nicht anders, wir müssen dieses Riesenthema Frauenemanzipation, das in der Neuzeit aufgekommen ist, anders lösen als durch die Öffnung des Priestertums für Frauen. Jedenfalls ist das die offizielle Position der katholischen Kirche. Wie weit sie damit durchkommt und dass sie erhebliche Glaubwürdigkeitsprobleme hat, das liegt natürlich auf der Hand.
Gierth: Was kann uns der Papyrus-Schnipsel also summa summarum sagen?
Söding: Der erweitert einfach unser Bild, nicht vom historischen Jesus, aber eben halt von oppositionellen Gruppen in der Antike. Und ich meine gerade, wenn man sozusagen zum Mehrheitskatholizismus damals und heute gehörte, dann sollte man durchaus ein Herz für die oppositionellen Gruppen haben.
Thomas Söding: Viel Lärm um Nichts will ich nicht sagen. Bei Jesus interessiert man sich für diese Dinge, wie er gelebt hat, ob er verheiratet gewesen ist oder zölibatär gelebt hat. Meines Erachtens spiegelt die Aufregung einfach die Bedeutung dieser Person.
Gierth: Was lässt sich aus den Schriften des Neuen Testaments über die Lebensform Jesu sagen und auch über sein Verhältnis zu Frauen?
Söding: Das Neue Testament ist in erster Linie mal am Inhalt der Botschaft Jesu interessiert – und darüber erfahren wir relativ viel. Und dann erfährt man einige Eckdaten seiner Biografie. Aber so eine richtige Lebensgeschichte Jesu, die bekommen Sie nicht zusammen im Neuen Testament. Was seine Lebensform anbelangt, Botschaft und Leben stehen in innerer Verbindung, und eines scheint mir kennzeichnend zu sein, die freiwillige Armut Jesu. Ich denke dazu gehört am Ende auch seine Ehelosigkeit.
Gierth: Und das Verhältnis zu Frauen?
Söding: Das Verhältnis zu Frauen war offensichtlich entspannter, offener, freier als man das von einem heiligen Propheten denken mochte. Er hat Frauen an sich herangelassen, viel näher als erlaubt und schicklich galt. Meines Erachtens ist das die Ausstrahlung eines tief spirituellen Menschen auf spirituelle Frauen gewesen. Eine tiefe emotionale Beziehung, die nicht in erster Linie auf der sexuellen Ebene abgelaufen ist
Gierth: Nun findet sich dort ja auch die Gestalt der Maria Magdalena in den Evangelien. Inwiefern nimmt sie eine Sonderrolle im Verhältnis zu Jesus ein?
Söding: Ja, das ist schon eine ganz besondere Persönlichkeit gewesen. Im Anfang steht eine Erinnerung, die für die männlichen Jünger Jesu gar nicht so angenehm ist, dass die nämlich Jesu alle in seiner Passion im Stich gelassen haben, und dass da einige Frauen aus Galiläa, und zu denen gehört immer Maria Magdalena in jedem Evangelium des Neuen Testaments, bei Kreuz ausgeharrt haben.
Und deswegen haben die genau an der schwierigen Schnittstelle Tod und Auferstehung Jesu eine herausragende Bedeutung. Die Maria Magdalena wird dann noch mal speziell im Johannes-Evangelium herausgehoben als die erste, die den auferstehenden Jesus selber gesehen hat und die damit zur Apostelin der Aposteln geworden ist, wie es in der Alten Kirche immer und immer wieder geheißen hat. Später hat man riesige Schwierigkeiten damit gehabt, sich vorzustellen, dass auch eine Frau zum Kreis der Apostel gehört haben sollte.
Gierth: Was über die Lebensform Jesu und auch sein Verhältnis zu Frauen im Neuen Testament gesagt wird, das ist ja zunächst einmal Glaubenszeugnis. Lässt sich davon ausgehen, dass das historisch auch tatsächlich so gewesen ist?
Söding: Wir haben vier kanonische Evangelien. Da gibt es eine Reihe von weiteren apokryphen Evangelien. Wenn man nach einem Vergleich sucht: Die haben alle unterschiedliche Standpunkte. In diesen Standpunkten werden sozusagen Spiegel aufgestellt, und da wird mit bestimmten Brechungen das Bild Jesu eingefangen. Das ist natürlich immer das Interesse derer, die von Jesus erzählen wollen, weil sie an ihn glauben.
Aber sie haben halt eine feste Überzeugung, dass man Jesu von seinem Gottesverhältnis her verstehen muss, auch was sein Verhältnis zu Frauen anbelangt. Das wird sehr, sehr stark akzentuiert. Das kann man kritisch registrieren, dass man halt über Eckdaten der Biografie relativ wenig weiß, das muss man ehrlich zugestehen. Aber ich bin doch relativ zuversichtlich, dass in diesen vier Spiegeln sich das, was Jesus wirklich wichtig und heilig gewesen ist, dass sich das erkennen lässt.
Gierth: Wenn wir noch mal auf den Papyrus schauen, wenn die Datierung von Karen King stimmt, dann stammt das Papyrus aus dem vierten Jahrhundert. Damals war die Kanonbildung des Neuen Testaments abgeschlossen. Es gab neben den kanonisierten Texten eine Fülle von Schriften, die die frühchristlichen Gemeinden sofort ausgesondert haben. Etwa das so genannte Phillippus-Evangelium. Dort gibt es die Stelle, in der es heißt: "Der Heiland liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger und küsste sie oftmals auf den Mund." Ging die Beziehung von Jesus mit Maria Magdalena also doch weiter?
Söding: Naja, das ist keine historische Aussage in unserem Sinne. Aber vielleicht ein ganz kurzes Wort vorweg, um in der Tat die in den Kanon aufgenommenen Evangelien, das sind am Ende diejenigen gewesen, die letztendlich bei allen Gemeinden im frühen Christentum anerkannt gewesen sind. Aber da gab es immer Gruppen, die hatten ihre Spezialliteratur. Das sind dann die sogenannten apokryphen Evangelien. Viele haben unserer Frömmigkeit tief beeindruckt: ob so ein Esel an der Krippe und so weiter, das ist alles aus den apokryphen Traditionen. Aber die haben nie die Anerkennung gefunden. Das Philipps-Evangelium gehört dazu.
Und in diesen kleineren Gruppen, oppositionellen Gruppen da war häufig auch das Verhältnis Jesu zu Frauen, das Geschlechterverhältnis, das Verständnis der Sexualität ein anderes, aber nicht unbedingt in unserem modernen Sinne des Wortes. Was dort als Kuss bezeichnet wird, als Ehe bezeichnet wird, das würden wir vielleicht eher so als eine spirituelle Lebensgemeinschaft ansehen. Es ist so eine Art Allegorie der Sexualität, die uns hier in diesen Gruppen begegnet. Die waren nämlich im Durchschnitt leibfeindlicher als der Mainstream dieser Anfangszeit.
Gierth: Vielen Evangelien, die nicht kanonisiert wurden, ist gemeinsam, dass sie von Anhängern der Gnosis geschrieben wurden. Was zeichnet diese Anhänger aus und warum wurden ihre Schriften, etwa ja auch das Evangelium des Judas, nicht kanonisiert?
Söding: Gnosis heißt Wissen, heißt Erkenntnis. Gnosis war eine breite Bewegung in der Antike. Im Wesentlichen steht dahinter so ein gewisser Dualismus, also das Leibliche ist vergänglich, und nur das Geistige, Spirituelle ist unvergänglich. Das war diese Gnosis. Und die wurde kritisiert in erster Linie deswegen, weil sie nicht das wahre Menschsein Jesu richtig betonen. Da ist Jesus immer mehr oder weniger so eine ätherische Figur. Dagegen hat man sozusagen streng gesagt: Nein, Jesus ist wahrhaft Mensch geworden. Und das war im Grunde der Kernpunkt. Ob man diese Gnostiker immer richtig verstanden hat, das habe ich meine Zweifel, weil man eben halt diese Verständigungsprobleme, diese Sprachprobleme in der Antike auch schon häufig gesehen hat und über diesen spirituellen, diesen allegorischen Sinn der gnostischen Schriften viel zu schnell hinweg gegangen ist.
Gierth: Wir haben über die apokryphen Evangelien gesprochen. Sind nicht all diese Texte doch geeignet, am Ende die heutige Lehrposition der katholischen Kirche etwa zum Zölibat oder zur Frauenordination zu erschüttern? Denn dabei wird ja immer wieder auf die Ehelosigkeit Jesu verwiesen und darauf, dass der Zwölferkreis der Apostel eben keine Frau umfasste, weswegen – wie es immer so schön heißt – die Kirche nicht befähigt sei, Frauen zu Priestern zu weihen?
Söding: Ja gut, das ist natürlich einer der heißen Punkte, um dessen Willen das Thema "War Jesus verheiratet oder war er nicht verheiratet" so viele Wellen schlägt. Worüber wir jetzt hier sprechen bei dem Papyrus-Fund, das ist nicht eine neue Facette des historischen Jesus, sondern das ist ein Stück Mentalitätsgeschichte des frühen Christentums. Und das ist natürlich schon sehr wichtig. Es gibt sozusagen die große Mehrheit, und in der zeigt sich dann, dass bestimmte Formen von Askese und Zölibat wahnsinnig populär gewesen sind, viel populärer als wir uns das in der Gegenwart vorstellen können. Gerade die Reformer, die Revolutionäre und so weiter, und die Christen, die sind diesen Weg gegangen.
Meines Erachtens wird die Lehrposition durch solche Funde nicht erschüttert, denn das ist kein historisches Argument in unserem traditionellen Sinne des Wortes, sondern es ist eben halt ein Argument, was die katholische Kirche aus ihrer langen Geschichte heraus entwickelt, dass sie sagt: Nein, wir wollen nicht anders, wir können nicht anders, wir müssen dieses Riesenthema Frauenemanzipation, das in der Neuzeit aufgekommen ist, anders lösen als durch die Öffnung des Priestertums für Frauen. Jedenfalls ist das die offizielle Position der katholischen Kirche. Wie weit sie damit durchkommt und dass sie erhebliche Glaubwürdigkeitsprobleme hat, das liegt natürlich auf der Hand.
Gierth: Was kann uns der Papyrus-Schnipsel also summa summarum sagen?
Söding: Der erweitert einfach unser Bild, nicht vom historischen Jesus, aber eben halt von oppositionellen Gruppen in der Antike. Und ich meine gerade, wenn man sozusagen zum Mehrheitskatholizismus damals und heute gehörte, dann sollte man durchaus ein Herz für die oppositionellen Gruppen haben.