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War Mona Lisa schwanger?

Das Leben eines florentinischen Seidenhändlers, der vor 500 Jahren in der Via della Stuffa wohnte, beschäftigt die Kunsthistoriker bis heute. Und noch mehr interessieren sie sich für seine Frau, die er von einem befreundeten Maler namens Leonardo da Vinci porträtieren ließ. Denn das Gemälde ist schlicht und einfach das berühmteste der Welt geworden - und zugleich das rätselhafteste. Trotz aller Forschungsanstrengungen bleibt nämlich nach wie vor die Frage offen, warum die Gemahlin von Francesco del Giocondo auf dem Bild so seltsam lächelt.

Ein Beitrag von Katja Lückert |
    Lisa, heute bekannt als Mona Lisa, war Francescos dritte Frau. Die ersten beiden waren im Kindbett gestorben. Lisa hatte, als ihr Mann sie malen ließ, bereits einen Sohn und eine Tochter zur Welt gebracht. Im Dezember 1502 folgte das dritte Kind, ein Sohn mit Namen Andrea, dessen Geburtsakten erst vor ein paar Jahren entdeckt wurden. Daher liegt die Vermutung, dass die Porträtierte gerade in anderen Umständen war, nicht ganz fern.

    Die Theorie von der schwangeren Mona Lisa stammt aus England und macht bereits in Fachkreisen Furore. Der Oxforder Professor Martin Kemp, einer der größten Leonardo-Spezialisten, hat sich ihr angeschlossen, und medizinisch Gebildete wollen auf dem Bild jetzt auch die typischerweise geschwollenen Finger der werdenden Mutter erkennen. Außerdem: Drückt sie die Hände nicht genau so auf den Bauch, wie es Frauen tun, die das werdende Leben darin spüren?

    Doch die Theorie ist nur eine weitere in der langen Reihe von Erklärungsversuchen und Mystifikationen, welche sich seit langem um Lisas Lächeln ranken. Manche Forscher tippten auf eine Gesichtslähmung, andere diagnostizierten eine Geisteskrankheit. Ein amerikanisches Wissenschaftlerteam kam aufgrund von Computeranalysen sogar zu dem Schluss, in Wirklichkeit sei auf dem Gemälde ein verkleideter Mann dargestellt.

    Der deutsche Kunsthistoriker Frank Zöllner ist gegenüber der Schwangerschaftstheorie jedoch skeptisch. Für ihn passt sie schon zeitlich nicht: Das Porträt wurde erst 1503 gemalt; da war das Kind Andrea längst geboren. Und das weiß Zöllner mit Sicherheit, schließlich war er es, der die Geburtsurkunde entdeckte. Nicht die erwartete Niederkunft, sondern etwas anderes muss daher Anlass für den Malauftrag gewesen sein:

    Meine Argumentationslinie war, dass das Portrait bestellt wurde im April 1503 als die ein neues Haus bezogen haben, das ist damals häufig so gelaufen, dass man so was zu bestimmten Anlässen in Auftrag gibt und das hat er dann nicht fertig gekriegt und dann hat der das die ganze Zeit mit sich rum geschleppt wie viele andere Gemälde übrigens auch.

    In der Tat lieferte Leonardo das Bild niemals an seinen Auftraggeber ab. Es fand sich im Nachlass seines Freundes Salai und hatte bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt. Denn zweifellos ist es ein besonders schönes und gelungenes Porträt. Die Vertreter der Schwangerschaftstheorie hingegen deuten es als eine Art Manifest, mit dem Leonardo, der gleichzeitig auch Leichen sezierte und den ersten Fötus im Mutterleib malte, seine Erkenntnisse vom Geheimnis des Lebens zur Darstellung habe bringen wollen. Das hält Frank Zöllner für ganz abwegig:

    Das Gemälde hat ja einen sehr starken Einfluss sofort ab 1504 als Portraitformel gehabt, das heißt also von Raffael bis ins 19. Jahrhundert ist dieses Portrait immer wieder als Vorbild für Portraits genommen worden und das heißt darin besteht ja auch seine Bedeutung und angesichts dieses Umstandes, das eine unumstößliche Tatsache ist - das können sie mit Hunderten von Bildern belegen - fragt man sich, warum man behauptet, das Portrait, das für andere Portraits Vorbild war, sei gar kein Portrait.

    Seine magische Karriere als Mutter aller Porträts trat das Werk jedoch erst an, nachdem der französische König Franz I. es gekauft hatte und nachdem es in den Louvre kam. Dort wurde es 1911 gestohlen, zwei Jahre später fand man es in Italien wieder. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde es einmal nach Amerika ausgeliehen und in einer Ausstellung gezeigt, wo jeder Besucher es ganze zehn Sekunden lang betrachten durfte.

    Schon das wäre Grund genug für das geheimnisvolle Lächeln dieser überzeitlichen Erscheinung. Frank Zöllner hat dafür indes noch eine andere handfeste Erklärung:

    Ich habe die Dokumente gelesen, auch das Testament des Francesco del Giocondo, wie er dafür sorgt, dass seine Frau ordentlich behandelt wird nach seinem Tod, sie kommt auch aus einer etwas ärmeren Familie als er, deshalb hat sie übrigens auch Grund zum Lächeln gehabt, das ist meine These.

    Mona Lisa, ein Mädchen aus ärmerer Familie, hatte durch die Heirat mit dem Seidenhändler Francesco del Giocondo ausgesorgt. Geld macht zwar nicht glücklich, aber es kann einen zum Lächeln bringen.

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