Karin Fischer: Der Kunstmarkt besteht eigentlich darin, dass Kunst keine Massen-, sondern Mangelware ist, vor allem, wenn der Maler berühmt und schon tot ist. Van Gogh, Monet, Manet, Picasso, die Klassiker der Moderne provozieren, wenn sie auf Auktionen zu haben sind, regelmäßig Rekordpreise. Andy Warhol ist auch schon tot und ein Klassiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch seine Werke erzielen Hunderttausende von Dollar. Doch jetzt wird ein Vorhaben bekannt, dass die Gesetze des Marktes gelinde gesagt: aushebeln könnte. Die Warhol Foundation, also jene Stiftung, die seit 1987 sein Erbe verwaltet, hat einen Exklusivvertrag mit dem Auktionshaus Christie’s geschlossen und wirft ab November tatsächlich alle seine Warhols auf den Markt. - Frage an meinen Kollegen Stefan Koldehoff: Warum tun die das?
Stefan Koldehoff: Eigentlich aus einem ganz guten Grund, denn diese Stiftung wurde 1987 nicht gegründet, um enorme Reichtümer anzusammeln, sondern um öffentliche Kunstinstitutionen in den USA zu unterstützen. Nun muss man wissen, dass in den USA nur die aller-aller-allerwenigsten Museen öffentlich in irgendeiner Weise gefördert werden. Die meisten sind also auf private Sponsoren oder auf Stiftungen angewiesen, die sie unterstützen, und da hat natürlich auch die Banken- und später die Wirtschaftskrise und Währungskrise gnadenlos zugeschlagen. In den ersten 25 Jahren hat die Warhol Foundation 250 Millionen Dollar ausgegeben, um Institutionen zu unterstützen, also im Schnitt zehn Millionen im Jahr. Das reicht offenbar nicht mehr, also muss man weiteres Geld generieren. Das funktioniert zum einen übers Copyright, das diese Stiftung an den Werken von Warhol hält, zum anderen aber jetzt eben auch durch den Verkauf von offenbar Tausenden von Werken.
Fischer: Was haben die denn alles?
Koldehoff: Die haben von der Zeichnung für unter 10.000 bis zum Ölgemälde von über einer Million eigentlich alles, was Warhol nachgelassen hat. Das war ja ein unermüdlicher Bilderproduzent – nicht alles selbst gemalt, vieles mithilfe seiner Assistenten in der sogenannten "Factory". Die Pressemitteilung zu der bevorstehenden Zusammenarbeit mit Christie’s sagt, dass da ungeheuer viele Werke noch dabei sind, die die Welt noch nie gesehen hat - also man ist offenbar recht klug mit diesem Nachlass umgegangen, hat nicht sofort alles in Ausstellungen präsentiert -, und entsprechend hoch dürfte dann der Marktwert auch noch sein.
Fischer: Erste Reaktionen gibt es auch, die sind eher negativ. Beispielsweise Alberto Mugrabi, dessen Familie eine der weltweit größten Warhol-Sammlungen hält, sagt, das sei einfach unverantwortlich. "It’s like sending masses of cattle to be slaughtered", also so, als ob man eine ganze Rinderherde schlachtet.
Koldehoff: Da ist sicherlich was dran. Auf der anderen Seite muss man wohl davon ausgehen – so sagt das auch die Sprecherin der Stiftung -, dass da keine Dosensuppenbilder oder keine Marilyn-Porträts mehr bei sind. Die ganz ganz großen, berühmten Warhols, die sind wohl alle nicht mehr in der Stiftung, sondern längst schon in Museen und bei Privatsammlern. Dennoch muss man sich natürlich fragen, was das für den Wert eines Künstlers bedeutet, wenn da plötzlich Tausende seiner Werke auf den Markt kommen. Man hat das vor einigen Jahren bei Damien Hirst gesehen, der angefangen hat, Werke direkt aus dem Atelier an die Auktionshäuser zu geben. Es gab eigene Auktionen nur für Damien Hirst mit Hunderten von Werken, und das hat seiner Preisentwicklung und auch seinem Ansehen nicht unbedingt gut getan. Es ist also ein bisschen ein Drahtseilakt. Warhol wird wahrscheinlich durchgesetzt genug sein am Markt, ohne dass ihm das schadet. Auf der anderen Seite kann es gerade für die kleineren Werke, die Zeichnungen, die Druckgrafiken, die Fotografien, durchaus bedeuten, dass die Preise sinken, weil jetzt so viel verfügbar sein wird.
Fischer: Sie haben, Stefan Koldehoff, die strukturellen Veränderungen erwähnt, die die Stiftung vor sich hat. Was bedeutet das für die Pflege des warholschen Werkes?
Koldehoff: Das ist ehrlich gesagt die Frage, die ich mir stelle, denn bisher hatte die Stiftung dadurch, dass sie noch über einen großen Werkvorrat verfügte, die Möglichkeit, das Bild des Künstlers in der Öffentlichkeit lebendig zu halten, indem eben immer wieder neue Werkgruppen, die man noch nicht kannte, in Museen ausgestellt wurden. Vor etwa einem Jahr hat man sich entschieden, dass man nicht mehr am Werkverzeichnis weiterarbeiten will, weil zu viel Geld für Anwälte ausgegeben werden musste, wenn Sammler gegen Expertisen klagten. Jetzt entscheidet man sich, die Werke nicht mehr behalten zu wollen, damit das Ansehen in der Öffentlichkeit nicht mehr steuern zu können. Also eigentlich wandelt man sich von einer Stiftung, die für den Künstler mal da war, zu einer Stiftung, die jetzt nur noch für andere Einrichtungen da ist, und das ist zumindest bedenklich.
Fischer: Dank an Stefan Koldehoff für diese Einschätzungen zu den vielen Warhols, mit denen jetzt der Kunstmarkt geflutet wird – ab November.
Stefan Koldehoff: Eigentlich aus einem ganz guten Grund, denn diese Stiftung wurde 1987 nicht gegründet, um enorme Reichtümer anzusammeln, sondern um öffentliche Kunstinstitutionen in den USA zu unterstützen. Nun muss man wissen, dass in den USA nur die aller-aller-allerwenigsten Museen öffentlich in irgendeiner Weise gefördert werden. Die meisten sind also auf private Sponsoren oder auf Stiftungen angewiesen, die sie unterstützen, und da hat natürlich auch die Banken- und später die Wirtschaftskrise und Währungskrise gnadenlos zugeschlagen. In den ersten 25 Jahren hat die Warhol Foundation 250 Millionen Dollar ausgegeben, um Institutionen zu unterstützen, also im Schnitt zehn Millionen im Jahr. Das reicht offenbar nicht mehr, also muss man weiteres Geld generieren. Das funktioniert zum einen übers Copyright, das diese Stiftung an den Werken von Warhol hält, zum anderen aber jetzt eben auch durch den Verkauf von offenbar Tausenden von Werken.
Fischer: Was haben die denn alles?
Koldehoff: Die haben von der Zeichnung für unter 10.000 bis zum Ölgemälde von über einer Million eigentlich alles, was Warhol nachgelassen hat. Das war ja ein unermüdlicher Bilderproduzent – nicht alles selbst gemalt, vieles mithilfe seiner Assistenten in der sogenannten "Factory". Die Pressemitteilung zu der bevorstehenden Zusammenarbeit mit Christie’s sagt, dass da ungeheuer viele Werke noch dabei sind, die die Welt noch nie gesehen hat - also man ist offenbar recht klug mit diesem Nachlass umgegangen, hat nicht sofort alles in Ausstellungen präsentiert -, und entsprechend hoch dürfte dann der Marktwert auch noch sein.
Fischer: Erste Reaktionen gibt es auch, die sind eher negativ. Beispielsweise Alberto Mugrabi, dessen Familie eine der weltweit größten Warhol-Sammlungen hält, sagt, das sei einfach unverantwortlich. "It’s like sending masses of cattle to be slaughtered", also so, als ob man eine ganze Rinderherde schlachtet.
Koldehoff: Da ist sicherlich was dran. Auf der anderen Seite muss man wohl davon ausgehen – so sagt das auch die Sprecherin der Stiftung -, dass da keine Dosensuppenbilder oder keine Marilyn-Porträts mehr bei sind. Die ganz ganz großen, berühmten Warhols, die sind wohl alle nicht mehr in der Stiftung, sondern längst schon in Museen und bei Privatsammlern. Dennoch muss man sich natürlich fragen, was das für den Wert eines Künstlers bedeutet, wenn da plötzlich Tausende seiner Werke auf den Markt kommen. Man hat das vor einigen Jahren bei Damien Hirst gesehen, der angefangen hat, Werke direkt aus dem Atelier an die Auktionshäuser zu geben. Es gab eigene Auktionen nur für Damien Hirst mit Hunderten von Werken, und das hat seiner Preisentwicklung und auch seinem Ansehen nicht unbedingt gut getan. Es ist also ein bisschen ein Drahtseilakt. Warhol wird wahrscheinlich durchgesetzt genug sein am Markt, ohne dass ihm das schadet. Auf der anderen Seite kann es gerade für die kleineren Werke, die Zeichnungen, die Druckgrafiken, die Fotografien, durchaus bedeuten, dass die Preise sinken, weil jetzt so viel verfügbar sein wird.
Fischer: Sie haben, Stefan Koldehoff, die strukturellen Veränderungen erwähnt, die die Stiftung vor sich hat. Was bedeutet das für die Pflege des warholschen Werkes?
Koldehoff: Das ist ehrlich gesagt die Frage, die ich mir stelle, denn bisher hatte die Stiftung dadurch, dass sie noch über einen großen Werkvorrat verfügte, die Möglichkeit, das Bild des Künstlers in der Öffentlichkeit lebendig zu halten, indem eben immer wieder neue Werkgruppen, die man noch nicht kannte, in Museen ausgestellt wurden. Vor etwa einem Jahr hat man sich entschieden, dass man nicht mehr am Werkverzeichnis weiterarbeiten will, weil zu viel Geld für Anwälte ausgegeben werden musste, wenn Sammler gegen Expertisen klagten. Jetzt entscheidet man sich, die Werke nicht mehr behalten zu wollen, damit das Ansehen in der Öffentlichkeit nicht mehr steuern zu können. Also eigentlich wandelt man sich von einer Stiftung, die für den Künstler mal da war, zu einer Stiftung, die jetzt nur noch für andere Einrichtungen da ist, und das ist zumindest bedenklich.
Fischer: Dank an Stefan Koldehoff für diese Einschätzungen zu den vielen Warhols, mit denen jetzt der Kunstmarkt geflutet wird – ab November.