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Warnen vor der Monsterwelle

Ozeanographie. - Nach dem verheerenden Tsunami Weihnachten 2004 haben sich deutsche Forscher am Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystems im Indischen Ozean beteiligt. Am Dienstag soll das ausgeklügelte System offiziell eingeweiht werden - auch wenn noch Komponenten fehlen. Jörn Lauterjung vom deutschen Projektteam am Geoforschungszentrum Potsdam erläutert das System im Gespräch mit Uli Blumenthal.

10.11.2008
    Jörn Lauterjung: Wir haben im Moment überhaupt nur zwei Bojen im Wasser, die seit Anfang 2006 dort liegen. Es sind vier weitere Systeme im Hafen von Merak und warten darauf, dass wir sie mit einem indischen Forschungsschiff rausbringen können. Weitere Bojen sind auf dem Seeweg von Hamburg nach Jakarta und werden auch noch Ende November eintreffen. Dass da vier Bojen gestohlen worden sind, ist richtig. Das sind allerdings keine deutschen Systeme, sie sind auch nicht gestohlen worden, sondern sie sind zum Teil, wie das mit Bojen schon mal passieren kann, von ihrer Verankerung abgerissen, an den Strand getrieben worden. Und von einer Boje Anfang 2006 im Norden von Sumatra wissen wir, dass sie von Piraten vandalisiert worden ist. Das ist eine Boje aus Malaysia gewesen.

    Uli Blumenthal: Wann wird das System denn voll funktionsbereit sein und mit wie vielen Bojen geht das System an den Start?

    Lauterjung: Das System ist voll funktionsbereit, es hat seine Bewährungsprobe schon bestanden bei einem Erdbeben im letzten September vor der Küste von Sumatra, wo in weniger als fünf Minuten eine Warnung ausgesprochen werden konnte. Es wird die gesamte Küste des Indischen Ozeans von Indonesien im ersten Quartal 2009 abdecken.

    Blumenthal: Können Sie erklären, wie die Funktionalität der Bojen aussieht, welche Werte werden von welcher Boje erfasst, wie erfolgt die Datenübertragung, wie erfolgt die Datenverarbeitung?

    Lauterjung: Die Bojen bedienen sich auf der einen Seite einer Ozean-Bodeneinheit, dort werden Druckänderungen gemessen, die hervorgerufen werden durch Meeresspiegeländerungen, also eben auch durch Tsunamis, die über so einen Sensor hinweg laufen. Diese Daten werden mit einem akustischen Modem, so eine Art Ultraschall, wenn Sie so wollen an die Boje übertragen und von dort aus per Satellit an das Warnzentrum übertragen. Die Boje selber ist noch ausgerüstet mit einer GPS-Station und kann ihrerseits verwendet werden, um Meeresspiegeländerungen nachzuweisen. Also wir haben in dem Gesamtsystem eine Sicherheit drin, dass zwei unterschiedliche Sensoren das gleiche Phänomen messen. Diese Daten werden dann an das Datenzentrum übertragen und können quasi so wie sie ankommen verwendet werden, um in der Simulation dann zu einem Gesamtlagebild zusammengefasst zu werden.

    Blumenthal: Bei einem solchen System ist natürlich immer wieder die Frage der letzten Meile - also wer ist verantwortlich für die Benachrichtigung der Bevölkerung und wie kann man ausschließen, dass es zu Fehlalarmen kommt und damit zu einer gewissen Abnutzung der Benachrichtigungssysteme und dieser Frühwarneinrichtung?

    Lauterjung: Also die letzte Meile und die Benachrichtigung der Bevölkerung ist und bleibt eine hoheitliche Aufgabe, das kann den Indonesiern nicht abgenommen werden. Was wir in diesem Projekt auch seit bereits drei Jahren machen, ist ein so genanntes Capacity Building Programme, das heißt, die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit arbeitet in ausgewählten Testgebieten mit der lokalen Bevölkerung und der Administration zusammen, um zum einen das Bewusstsein in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Man geht in Schulen, man diskutiert mit den Verantwortlichen über Evakuierungspläne, um so die Vorbereitung der Bevölkerung auf eine mögliche Naturgefahr dann am besten machen zu können.

    Blumenthal: Wenn das Tsunami-Frühwarnsystem in Betrieb gegangen ist, wer ist für den Betrieb, wer ist für die Wartung, wer ist für die weiteren Kosten dann verantwortlich?

    Lauterjung: Der Betrieb des Systems nach der endgültigen Übergabe in 2010 wird zurzeit noch diskutiert, wie man das finanzieren und regeln kann. Es wird auf jeden Fall letztlich in der Verantwortung der Indonesier bleiben, denn es ist und bleibt eine hoheitliche Aufgabe, die zu erledigen ist.