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Warnstreiks in Kitas
"Arbeit von Erziehern muss existenzsichernd sein"

Die Warnstreiks in den Kitas gehen heute weiter. Die Forderungen der Kinderpfleger, Erzieher und Sozialarbeiter nach einer Höherbewertung ihrer Arbeit seien berechtigt, sagte Marion von Wartenberg, Staatssekretärin im Kultusministerium in Baden-Württemberg, im DLF. Das Einkommen müsse existenzsichernd sein - auch für junge Männer.

Marion von Wartenberg im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Auch heute hat Verdi wieder zu einem - wie es heißt - "sehr eingeschränkten" Warnstreik aufgerufen. Es geht um eine bessere Bezahlung und die Höhergruppierung der rund 240.000 Kinderpfleger, Erzieher und Sozialarbeiter.
    Die Arbeit von Erziehern müsse mehr wert sein, sagte Marion von Wartenberg, Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, im DLF. Die Anforderungen hätten sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, da in der Gesellschaft ein anderes Verständnis von Bildung und Kindererziehung vorherrsche. Auch seien die Anforderungen an Erzieher durch den Rechtsanspruch von Kindern ab einem Jahr deutlich gestiegen.
    "Eine zeitgemäße Einigung erreichen"
    Ziel müsse es sein, diese "enorme Arbeit" anders zu bewerten. Ausschlaggebend sei, dass die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern "so viel wert ist, dass sie existenzsichernd ist für eine Familie". Dann sei dieser Arbeitsbereich auch für junge Männer attraktiver.
    Von Wartenberg unterstrich, als Staatssekretärin könne sie an der aktuellen Situation nichts ändern. Die Sozialparteien müssten sich entsprechende Gedanken machen und eine zeitgemäße Einigung erreichen.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Am Telefon begrüße ich Marion von Wartenberg, SPD-Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Guten Morgen!
    Marion von Wartenberg: Guten Morgen, Frau Schulz!
    Schulz: Warum ist die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern nicht mehr wert?
    von Wartenberg: Ich finde, die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern ist mehr wert, die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern prägt die frühe Kindheit. Die frühe Kindheit ist die lernintensivste Zeit, die wir überhaupt kennen. Und – Sie haben es gerade in Ihrem Einspieler gebracht – die Anforderungen an diejenigen, die in diesem Feld tätig sind, haben sich grundlegend verändert, die haben sich grundlegend verändert, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich verändert haben, aber sie haben sich auch grundlegend verändert, weil unser Verständnis der frühen Kindheit, unser Verständnis von Bildung und Erziehung sich auch verändert haben.
    "Erzieherinnen und Erzieher haben Enormes zu leisten"
    Schulz: Ja, das heißt, die Arbeitgeberseite liegt falsch jetzt in diesen Tarifverhandlungen?
    von Wartenberg: Es ist nicht an mir, die Arbeitgeberseite zu bewerten, sondern es liegt an mir, zu bewerten: Was haben Erzieherinnen und Erzieher, was haben Kinderpfleger in diesem Feld zu leisten? Und sie haben Enormes zu leisten.
    Als Beispiel möchte ich nennen: In Baden-Württemberg haben wir seit 2011 den Bildungs- und Orientierungsplan für die schulkindliche Bildung, der beschreibt sehr genau, was wir erwarten, was in diesem Feld geschehen soll, wie sich die einzelnen Entwicklungsfelder durch die Arbeit der Erzieherinnen, Erzieher, der Kindheitspädagogen in den Einrichtungen entsprechend entwickeln sollen.
    Schulz: Ja, aber Sie sind ja, Frau von Wartenberg, Sie sind ja in dem zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg. Wieso können Sie nichts dazu sagen, warum die Erzieherinnen nicht mehr Geld bekommen?
    von Wartenberg: Die Frage der Eingruppierung – und das sage ich jetzt als ehemalige DGB-Landesvize –, die Frage der Eingruppierung ist eine Frage der Tarifvertragsparteien.
    Da mischen Sie sich als Regierungsmitglied nicht ein. Aber die Frage der Bewertung der Arbeit und die Frage, die Sie eingangs gestellt haben, nämlich, ob es zu einer Aufwertungskampagne kommen soll, die hat ja die Gesellschaft, als wir den Rechtsanspruch für jedes Kind ab dem ersten Lebensjahr entwickelt haben, bewertet – da haben die Menschen gesagt: Diese Arbeit muss mehr wert sein. Und ich sage auch: Diese Arbeit muss so viel wert sein, dass sie a) existenzsichernd ist, und zwar für eine Familie existenzsichernd ist und nicht nur für eine Person. Wir beklagen ja immer, dass das Feld der Erzieherinnen und Erzieher eine Frauendomäne ist. Das hat mit entscheidend damit zu tun, dass junge Männer sich nicht vorstellen können, mit dieser Einkommenssituation zukünftig zu leben. Junge Männer entscheiden noch viel stärker wie junge Frauen: Kann ich von solch einem Einkommen irgendwann meine Familie ernähren? Und wenn sie das verneinen, können wir das beklagen, dann müssen wir aber auch konstatieren: Sie verneinen das, weil sie vor dem Hintergrund der von Ihnen genannten Zahl sich nicht vorstellen können, dass damit eine Familie existieren kann.
    "Die Tarifvertragsparteien sind gefordert"
    Schulz: Frau von Wartenberg, das ist doch aber alles jetzt auch schon sehr oft gesagt worden, das ist auch, ehrlich gesagt, schon lange bekannt. Daran ändern können Sie nichts oder das Ministerium?
    von Wartenberg: Daran ändern kann ich als Staatssekretärin nichts, daran ändern kann ich als Regierungsmitglied nichts. Wie gesagt, es ist eine Frage der Sozialparteien. Und wenn Sie jetzt noch einen Schritt zurückgehen und schauen, wie sieht es in diesem Bereich aus, dann beklagen wir doch alle, dass uns die Fachkräfte fehlen. Uns fehlen in Baden-Württemberg, wenn wir den Rechtsanspruch umsetzen, wenn wir die Ganztagsbetreuungsangebote ausbauen wollen, nach wie vor Fachkräfte, wie in allen anderen Bundesländern auch. Und wenn Fachkräfte fehlen und sie begründet fehlen und sie äußern, warum sie das Berufsfeld gegebenenfalls nach kurzer Zeit wieder verlassen, dann müssen wir uns doch Gedanken machen, dann müssen sich die Tarifvertragsparteien Gedanken machen, wie ich da Abhilfe schaffe. Und Sie haben in Ihrem Einspieler auch gebracht: Die Eltern suchen jetzt im Moment natürlich Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder, da, wo Warnstreiks die Eltern zwingen, andere Betreuungsmöglichkeiten zu suchen. Das heißt aber auch, Eltern müssen Bescheid wissen über die Rahmenbedingungen, in denen die Erziehung, Betreuung stattfindet ihrer Kinder.
    Schulz: Ja, deswegen sprechen wir da ja auch drüber. Aber ich wollte noch mal wirklich konkret aufs Geld kommen. Die Kommunen argumentieren ja damit, dass, wenn die Erzieherinnen sich jetzt durchsetzen würden mit dieser Höhergruppierung, dass das eine halbe Milliarde Euro kosten würde. Es geht ja ums Geld. Brauchen die Kommunen da nicht auch finanziell eine bessere Ausstattung vom Land?
    von Wartenberg: Also da kann ich als baden-württembergische Staatssekretärin nur sagen: Wir statten die Kommunen sehr gut aus. Wir finanzieren 68 Prozent der Betriebsausgaben bei den Unter-Dreijährigen und 63 Prozent der Betriebsausgaben bei den Über-Dreijährigen.
    Das heißt, die grün-rote Landesregierung ist im Jahr 2011 damit angetreten und hat die Grunderwerbssteuer erhöht zugunsten der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Und es ist jetzt eine Sache der Tarifvertragsparteien, das auch entsprechend umzusetzen.
    Schulz: Wenn die Erzieherinnen bei einem Einstiegsgehalt von 2.366 Euro liegen und in Baden-Württemberg, Sie haben es gerade gesagt, die Gelder durchaus fließen in den Ausbau von Betreuungsangeboten, ...
    von Wartenberg: Ja.
    Schulz: ... wo bleiben die Gelder denn dann?
    von Wartenberg: Zunächst mal in Baden-Württemberg: Wir waren ja das Bundesland mit dem schlechtesten Betreuungsangebot für die Unter-Dreijährigen. Wir hatten platzmäßig schon keine entsprechenden Angebote. Die Kommunen haben sich auf den Weg gemacht, zunächst mal quantitativ, ich sage dazu immer leicht salopp, in Beton auszubauen, rein Plätze zu schaffen und dann qualitativ Fachkräfte auszubilden. Wir sind in Baden-Württemberg da einen Sonderweg gegangen, wir haben die sogenannte praxisintegrierte Ausbildung etabliert, das heißt, wir haben zum ersten Mal die Ausbildung dualisiert, und die Kommunen und die freien Träger finanzieren damit diese ehemalige fachschulische Ausbildung, die wir durchaus auch noch haben, aber parallel, eben dazu die praxisintegrierte. Das heißt, allein in den Ausbildungsbereich fließen bei uns auch entsprechende Mittel.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.