Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) war sich am Montag auf einer Pressekonferenz zur Unwetterkatastrophe sicher:
"Ich glaube, die Bevölkerung wusste auch schon, dass Starkregen kommt. Da haben sie doch alle drüber berichtet. Also das, glaube ich, hat jeder mitbekommen. Aber sie haben es nicht ernst genommen. Unser Problem ist, unser aller Problem, dass wir solche Gefahren nicht ernst genug nehmen, sondern glauben: das passiert woanders, wird schon gut gehen."
Wetterdienste und Behörden warnen zeitnah, Medien geben diese Informationen schnell und verlässlich weiter, Bürgerinnen und Bürger können reagieren - so sollte die Informationskette im Idealfall aussehen.
Kritik an Informationsweitergabe
In der aktuellen Überschwemmungskatastrophe scheint die Informationsweitergabe allerdings an mehreren Stellen nicht funktioniert zu haben. In den Medien, auch im Deutschlandfunk, werden die Abläufe in diesem aktuellen Katastrophenfall auf den Prüfstand gestellt. Der Journalist Thomas Lückerath kritisiert beispielsweise die Berichterstattung des WDR, und Maximilian Rieger hat das Fernseh-Programm des SWR im Vorfeld der Überschwemmungen analysiert.
"Der Ernst der Lage wurde nicht vermittelt - die Stimmung, die vermittelt wurde, war: es kommt Regen, aber es ist nicht so schlimm. Und was gefehlt hat, waren klare Handlungsempfehlungen - dass man sich auf Evakuierungen und Stromausfälle vorbereitet oder die Keller leer räumt, bevor das Wasser kommt", so Rieger gegenüber dem Deutschlandfunk.
Warnkette war lückenhaft
Ein Vorgehen, das auch Medienjournalist Stefan Fries in @mediasres kritisch sieht. Aber er gibt auch zu Bedenken, dass es bei der Informationsweitergabe über die Unwetter auch an anderer Stelle gehakt habe. Die Medien stünden nämlich an letzter Stelle der Warnkette.
"Viele Sender in Deutschland haben sich verpflichtet, im Katastrophenfall Warnmeldungen der Behörden weiterzugeben. Die kommen über das sogenannte 'Modulare Warnsystem', kurz Mowas. Dort speisen Behörden von Bund, Ländern und Kommunen eilige Warnmeldungen ein, die dann bei den Sendern ankommen. Das ist vor allem dort wichtig, wo Strom- und Handynetz ausgefallen sind und nur das batteriebetriebene Radio bleibt."
Die Warnmeldungen über Mowas werden bundesweit, landesweit, regional oder lokal ausgespielt. Und sie werden unterteilt in drei Prioritäten: hoch, mittel und niedrig. Bei einer hohen Priorität haben sich die Medien verpflichtet, die Meldung so schnell wie möglich auf den Sender zu bringen - und zwar im genauen Wortlaut der Behörde. Die beiden anderen Kategorien sind weniger eilig, hier können die Sender die Meldungen auch ausschließlich journalistisch verarbeiten, also als Nachrichtenmeldung oder Beitrag.
Kamen Gefahrenmeldungen zu spät ins System?
Kritik gibt es nun auch daran, dass Meldungen zu spät ins System eingegeben worden seien. Das wies Armin Schuster, der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, zurück.
"150 Warnmeldungen zwischen Mittwochmorgen und Samstagmittag, 16 davon mit der Warnstufe 1. Die Warnstufe 1 heißt eben Lebensgefahr. Alles passiert, das hat alles geklappt. Worauf ich keinen Einfluss habe, ist, wie vor Ort mit diesen Warnungen umgegangen wird."
Radio Wuppertal hat allerdings recherchiert, dass mit einem Überlaufen der Wuppertalsperre schon drei Stunden vor der ersten Meldung gerechnet wurde. Der Sender war schon lange vor der ersten offiziellen Warnung darüber informiert.
"Genau in dem Moment, als die erste Warnmeldung kam, haben wir schon unsere Sondersendung gestartet. Wären wir auf Mowas angewiesen, hätten wir unsere Hörerinnen und Hörer erst eine halbe Stunde später informieren können. Und 30 Minuten sind in einer solchen Gefahrensituation eine lange Zeit", so Georg Rose, der Chefredakteur des Senders, gegenüber dem Deutschlandfunk.
Abläufe werden hinterfragt
Rose kritisiert die Abläufe als zu kompliziert und zu bürokratisch, auch wenn er das System an sich richtig und wichtig findet.
"Es hat Monate gedauert, bis sich die beteiligten Behörden auf den Vertragstext mit uns, mit Radio Wuppertal, verständigt hatten. Es ging da offensichtlich einzig und allein um die juristische Absicherung und wohl auch ein bisschen um die Frage, wer wem wann was befehlen darf. Wie aber die Kommunikation zwischen den Behörden und uns als Redaktion im Ernstfall ganz praktisch am besten funktionieren könnte, dafür hat sich da niemand interessiert. Und genau an dem Punkt, meine ich, könnten wir alle gemeinsam das Warnsystem verbessern."
Medien können nur vor dem warnen, was ins Warnsystem eingespeist wurde. Beim Deutschlandfunk beispielsweise kamen keine Warnmeldungen der höchsten Kategorie an. Auf der Suche nach Verantwortlichen für Verzögerungen geht der Blick also mittlerweile nicht nur ans Ende der Warnkette, sondern auch an den Anfang.