Archiv

Warren Haynes neues Album
Bluesrock, Folk und filigrane Gitarrensoli

Er hat mit den Allman Brothers gespielt, mit der Dave Matthews Band oder mit Garth Brooks. Warren Haynes gilt als einer der besten Gitarristen der Welt. Und neben seinen "Auftragsarbeiten" macht er immer mal wieder Soloalben – allerdings eher selten. "Ashes & Dust" ist das dritte Album des 55-Jährigen: Keine typische Platte - aber sie macht großen Spaß.

Von Tim Schauen |
    Gitarrist Warren Haynes bei einem Auftritt am 04.07.2015 in Milwaukee, Wisconsin.
    "Diese Platte jetzt wollte ich schon seit langer, langer Zeit machen! Mein ganzes Leben habe ich schon Stücke in dieser Richtung geschrieben", erzählt Warren Haynes im Interview mit dem DLF. (imago / ZUMA Press)
    Gitarrenlegende. Grammygewinner. Mitglied der Allman Brothers, von Gov't Mule und Greatful Dead. Tausende Konzerte, Millionen verkaufte Alben. Blues. Rock. Bluesrock. All das stimmt, doch all das gilt es beim ersten Hören von Warren Haynes' drittem Soloalbum mit dem Titel "Ashes & Dust" erst einmal beiseite zu schieben: unvoreingenommen zu sein.
    Das Album beginnt untypisch, für Haynes-Fans vielleicht verwirrend, mit Akustikgitarre, Fiddle und Banjo. Warren Haynes hat schon so einiges geschafft: Er hat im Weißen Haus gespielt, mit Gov't Mule Musik der Stones oder von Pink Floyd aufgenommen. Er hat mit soviel Gefühl elektrische Gitarre gespielt, wie das nur wenige hinbekommen. Aber ein Album mit Folk, mit Bluegrass, Newgrass?
    "Das ist vermutlich die letzte musikalische Richtung, die ich noch einschlagen kann, ich sehe zumindest keine andere nach dieser, aber man weiß ja nie: Ich habe ja schließlich immer noch keine reine Blues-Platte veröffentlicht, auch im Studio kein Jazz-Album mit Instrumentalmusik aufgenommen ... aber diese Platte jetzt wollte ich schon seit langer, langer Zeit machen! Mein ganzes Leben habe ich schon Stücke in dieser Richtung geschrieben."
    Haynes verlässt die ausgetretenen Pfade
    Mit der Erfahrung des Weltstars, der alle großen Bühnen gesehen hat, wusste der 55-Jährige aus North Carolina: Dieses Projekt würde er nur schwer alleine hinbekommen:
    "Es war gut, dass die Band Railroad Earth mir bei den Aufnahmen geholfen hat. Denn sie sind tolle Musiker und spielen eine ganze Menge Instrumente, dadurch konnten wir verschiedene Sounds ausprobieren."
    Railroad Earth ist eine Band aus Stillwater im Bundestaat New Jersey, die seit knapp 15 Jahren Roots-Musik und Americana macht. Songs von lyrischer Klarheit auf zahlreichen, vornehmlich akustischen Instrumenten spielt. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit mit Warren Haynes ist: verblüffend.
    Verblüffend anders, es ist mutig. Es ist: schöne Musik.
    Vielleicht auch dadurch, dass Haynes die ausgetretenen Pfade verlässt und solch intime Musik macht, die so gar nicht an bluesrockige Stadion- oder Hallenenergie denken lässt. Natürlich sind auf "Ashes & Dust" auch viele technisch hochrangige Gitarrensoli – Haynes wird beim Spiel auf der Slidegitarre derzeit vermutlich nur von seinem Freund Derek Trucks übertroffen, von Altmeister Sonny Landreth angespornt – dennoch seien die Haynes-, Allman Brothers und Sechsaiten-Fans noch einmal gewarnt: Dies ist keine typische Platte! Und doch steckt der echte Warren Haynes darin, und: Er macht großen Spaß.
    Songschreiber und Geschichtenerzähler
    "Einige der Stücke habe ich erst kürzlich geschrieben, andere schon vor langer Zeit – doch sie passten irgendwie nicht wirklich zu den Allman Brothers oder auch zu meinem letzten Solo-Projekt. Aber ich habe sicherlich mehr Songs in diese Richtung geschrieben als in irgendeine andere. Wir haben – ich glaube – 30 Stücke im Studio aufgenommen, daraus haben wir für diese Platte jetzt 13 ausgesucht und ich glaube, ich werde mit diesem Prozess weiter machen und noch so ein Album folgen lassen, es liegt mir einfach zu viel daran. Ich habe ja auch schon eine akustische Soloplatte veröffentlicht, und auch jetzt kommt eben ein Album aus der akustischen Ecke."
    Eigentlich bewegt sich Warren Haynes mit seinem Schaffen stets in Americana-Traditionen: Blues, Rock und jetzt eben Folk mit Beträgen, die noch etwas näher am "All American Songbook" dran sind.
    "Die Art von Folkmusik, mit der ich in North Carolina aufgewachsen bin, ist stark von keltischer Musik geprägt, denn in meiner Heimat gibt's eine Menge Schotten oder Iren – und ich bin in den Bergen aufgewachsen, und die Mischung all dieser Einflüsse nannte man dort eben 'Mountain-Musik', aber in Wirklichkeit ist das Bluesgrass und Folk und keltische Musik. All das begleitet mich schon lange."
    Wenn Warren Haynes eine Gitarre anpackt, sind alle zufrieden – aber bei "Ashes & Dust" ist es weitaus mehr als das. Haynes zeigt sich hier als Songschreiber, als Geschichtenerzähler, der auch seiner Band Raum lässt. Das klagende Solo unterstreicht dabei wie so oft das Gefühl, dass der Liedtext heraufbeschwört. Eine Qualität, die Haynes perfekt beherrscht.