Günther Weiß aus Bochum-Hamme trägt Brille, ein bunt kariertes Hemd, und ist ein echter Schlagerfreund. Seine Musikanlage hat der 71-Jährige auf der Veranda vor der Gaststätte "Carolinenglück" aufgebaut. Gleich daneben liegen die Parzellen des gleichnamigen Kleingartenvereins, wo viele bis heute SPD wählen, da ist sich Günther Weiß sicher. Er kennt seine Parzellennachbarn.
"Alle unterschiedlichen Sorten, fängt an hier beim Elektriker, hört beim Ingenieur auf, beim Polizisten, haben wir mindestens drei oder vier von, und im Prinzip sind fast alle auf Du."
An diesem Nachmittag steigt in "Carolinenglück" das alljährliche Sommerfest: Torten, Würstchen, Pils, und Schlager am laufenden Band. Günther Weiß ist der erste Vereinsvorsitzende von "Carolinenglück". Ein Fulltime-Job, so versichert er - mit größtmöglichem Understatement in der Stimme:
"Wenn man da kein Rentner ist, kann man das nicht machen. Das ist Arbeit von morgens bis abends. Man muss mit den Ämtern zu tun haben, man muss sehen, dass hier alles den geregelten Gang läuft, also es ist wirklich viel Arbeit."
Fünf Alukoffer voller sorgfältig sortierter CDs hat Weiß mitgebracht, und trotz Sonnenschein auch die drei Discolichter schon mal angeknipst: Rot, gelb und blau blinkt es nun auf sein Hemd, dabei ist Weiß alles andere als ein Partylöwe. 35 Jahre ist er Bus gefahren, viel reden musste er da nicht. Auch jetzt trennt er sich nur ungern von seinem Plattentisch, um einen Spaziergang durchs Grün zu machen:
"Sie müssen hier die Mittagsruhe einhalten. Im Prinzip kann man machen, was man will. Wenn man sich an diese Ordnungen hält, die hier vorgegeben sind."
Es geht durch den asphaltierten Rosenweg, vorbei an üppigen Kleingärten. Hier und da erschlaffte Nationalflaggen zwischen Apfelbäumchen, und immer wieder Hinweisschilder: Fahrradverbot, Parkverbot, Hundekloverbot. Warum wählt Günther Weiß SPD?
"Hier in Nordrhein-Westfalen ist man das gewohnt, man wählt die SPD. So sieht das Günther Weiß. Dass gerade das Ruhrgebiet bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg eine katholische Hochburg war, dass die CDU noch 1958 in Nordrhein-Westfalen mit absoluter Mehrheit regierte, daran erinnern sich selbst die Alten im Revier kaum noch. Und auch nicht daran, dass der Aufstieg der Genossen erst mit dem mit Niedergang des Bergbaus begann. Heute findet Günther Weiß die SPD nötiger denn je:"
"Es geht ja nur noch alles auf den kleinen Mann. Und oben die ich möchte mich da auch gar nicht so weiter drüber äußern, da muss ich mich aufregen. Nehmen wir mal die ganzen Fehler, die in letzter Zeit gemacht worden sind, mit unserem Bundespräsidenten und, und, und."
Christian Wulff - da verzieht der Rentner nun empört das Gesicht. Günther Weiß ähnelt vom Temperament eher dem ruhigen Frank-Walter Steinmeier, und deshalb, findet der Vereinschef von "Carolinenglück", sollte der auch Kanzler werden:
"Schon allein von seinem Auftreten, von seinem Wissen her. Ich meine, da steht unser ehemaliger Finanzminister steht da ja auch nicht viel nach, aber."
Peer Steinbrück ist nicht der Typ Kleingärtner. Und der Parteichef übrigens auch nicht.
"Gabriel wär' nicht mein Typ. Der verkauft sich schlecht. Sein ganzes Auftreten, das ganze Äußere. Unsympathisch für mich."
Günther Weiß möchte jetzt zurück zu seinen CDs. Und jetzt müssen wir wieder zurückgehen. Sonst ist die Musik gleich alle. Der oberste Kleingärtner bietet noch ein Stück Torte an und verschwindet dann schleunigst hinter seiner Musikanlage. Rudolf Malzahn, der schon am Stehtisch gegenüber wartet, redet hingegen richtig gern und viel:
"Man nennt mich ja hier so in etwa den Dorfsheriff."
Der Dorfsheriff in sauber gebügeltem Hemd ist 69 Jahre alt, hat bei den Stahlwerken Bochum gelernt und sich dank Abendschule zum Abteilungsleiter hochgearbeitet. 28 Jahre Betriebsrat, 48 Jahre SPD-Mitglied und 25 Jahre der Ortsvereinsvorsitzende in Bochum-Hamme. Mehr Genosse geht nicht. In Hamme kümmert sich die SPD noch, anders als in Berlin, sagt Rudolf Malzahn:
"Ich hab auch Gabriel angeschrieben, dass die Bastapolitik aufhören muss, dass von unten nach oben regiert werden soll. Ist mir auch zugesagt worden, aber es wird sich nicht dran gehalten. Die Leute wissen gar nicht, was hier unten bei den Bürgern los ist."
Hamme ist sozial angeknackst, sagt Malzahn. Deshalb brauche es mehr Bildung, mehr Kindergärten, eine bessere Sozialpolitik. In Hamme und in ganz Deutschland. Und sonst?
"Also, Energiewende ja. Und die Grünen wollen dann natürlich wieder keine Kohlekraftwerke. Da sind wir natürlich für. Aber die Finanzkrise."
Jetzt regt sich Rudolf Malzahn richtig auf.
"Es werden Gelder gegeben. Und die Gelder - wo gehen die hin? An die Banken, die den Murks gemacht haben, aber nicht an die Leute, an die Firmen in den Ländern, dass die Geld hätten, um investieren zu können und dementsprechend Arbeitsplätze zu erzielen."
Dass seine Parteifreunde im Bundestag sämtlichen Eurorettungspaketen zustimmen, das passt den Genossen aus Bochum gar nicht. Sie haben ein paar neue Anträge und Briefe verschickt, so wie damals als der Ortsverein Hamme als Erster beantragte, Wolfgang Clement vor die Tür zu setzen. Von diesem Ruhm zehren sie bis heute, und gerade kommt Rudolf Malzahn ins Schwärmen, als Günther Weiß hinter seinen CDs hervorkommt, weil ihm eines noch eingefallen ist. Die SPD müsse heute niemanden mehr bemuttern, aber glaubwürdig soll sie sein:
"Ich meine, die SPD hat ja auch eine Zeit lang sehr viele Wähler verloren, und jetzt sind sie langsam dabei, wieder glaubwürdig zu werden. Aber ich würde nicht sagen, das ist das hier das Klassische. Das ist vorbei. Die Leute können heute auch schon entscheiden, ob was richtig oder was falsch ist."
"Alle unterschiedlichen Sorten, fängt an hier beim Elektriker, hört beim Ingenieur auf, beim Polizisten, haben wir mindestens drei oder vier von, und im Prinzip sind fast alle auf Du."
An diesem Nachmittag steigt in "Carolinenglück" das alljährliche Sommerfest: Torten, Würstchen, Pils, und Schlager am laufenden Band. Günther Weiß ist der erste Vereinsvorsitzende von "Carolinenglück". Ein Fulltime-Job, so versichert er - mit größtmöglichem Understatement in der Stimme:
"Wenn man da kein Rentner ist, kann man das nicht machen. Das ist Arbeit von morgens bis abends. Man muss mit den Ämtern zu tun haben, man muss sehen, dass hier alles den geregelten Gang läuft, also es ist wirklich viel Arbeit."
Fünf Alukoffer voller sorgfältig sortierter CDs hat Weiß mitgebracht, und trotz Sonnenschein auch die drei Discolichter schon mal angeknipst: Rot, gelb und blau blinkt es nun auf sein Hemd, dabei ist Weiß alles andere als ein Partylöwe. 35 Jahre ist er Bus gefahren, viel reden musste er da nicht. Auch jetzt trennt er sich nur ungern von seinem Plattentisch, um einen Spaziergang durchs Grün zu machen:
"Sie müssen hier die Mittagsruhe einhalten. Im Prinzip kann man machen, was man will. Wenn man sich an diese Ordnungen hält, die hier vorgegeben sind."
Es geht durch den asphaltierten Rosenweg, vorbei an üppigen Kleingärten. Hier und da erschlaffte Nationalflaggen zwischen Apfelbäumchen, und immer wieder Hinweisschilder: Fahrradverbot, Parkverbot, Hundekloverbot. Warum wählt Günther Weiß SPD?
"Hier in Nordrhein-Westfalen ist man das gewohnt, man wählt die SPD. So sieht das Günther Weiß. Dass gerade das Ruhrgebiet bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg eine katholische Hochburg war, dass die CDU noch 1958 in Nordrhein-Westfalen mit absoluter Mehrheit regierte, daran erinnern sich selbst die Alten im Revier kaum noch. Und auch nicht daran, dass der Aufstieg der Genossen erst mit dem mit Niedergang des Bergbaus begann. Heute findet Günther Weiß die SPD nötiger denn je:"
"Es geht ja nur noch alles auf den kleinen Mann. Und oben die ich möchte mich da auch gar nicht so weiter drüber äußern, da muss ich mich aufregen. Nehmen wir mal die ganzen Fehler, die in letzter Zeit gemacht worden sind, mit unserem Bundespräsidenten und, und, und."
Christian Wulff - da verzieht der Rentner nun empört das Gesicht. Günther Weiß ähnelt vom Temperament eher dem ruhigen Frank-Walter Steinmeier, und deshalb, findet der Vereinschef von "Carolinenglück", sollte der auch Kanzler werden:
"Schon allein von seinem Auftreten, von seinem Wissen her. Ich meine, da steht unser ehemaliger Finanzminister steht da ja auch nicht viel nach, aber."
Peer Steinbrück ist nicht der Typ Kleingärtner. Und der Parteichef übrigens auch nicht.
"Gabriel wär' nicht mein Typ. Der verkauft sich schlecht. Sein ganzes Auftreten, das ganze Äußere. Unsympathisch für mich."
Günther Weiß möchte jetzt zurück zu seinen CDs. Und jetzt müssen wir wieder zurückgehen. Sonst ist die Musik gleich alle. Der oberste Kleingärtner bietet noch ein Stück Torte an und verschwindet dann schleunigst hinter seiner Musikanlage. Rudolf Malzahn, der schon am Stehtisch gegenüber wartet, redet hingegen richtig gern und viel:
"Man nennt mich ja hier so in etwa den Dorfsheriff."
Der Dorfsheriff in sauber gebügeltem Hemd ist 69 Jahre alt, hat bei den Stahlwerken Bochum gelernt und sich dank Abendschule zum Abteilungsleiter hochgearbeitet. 28 Jahre Betriebsrat, 48 Jahre SPD-Mitglied und 25 Jahre der Ortsvereinsvorsitzende in Bochum-Hamme. Mehr Genosse geht nicht. In Hamme kümmert sich die SPD noch, anders als in Berlin, sagt Rudolf Malzahn:
"Ich hab auch Gabriel angeschrieben, dass die Bastapolitik aufhören muss, dass von unten nach oben regiert werden soll. Ist mir auch zugesagt worden, aber es wird sich nicht dran gehalten. Die Leute wissen gar nicht, was hier unten bei den Bürgern los ist."
Hamme ist sozial angeknackst, sagt Malzahn. Deshalb brauche es mehr Bildung, mehr Kindergärten, eine bessere Sozialpolitik. In Hamme und in ganz Deutschland. Und sonst?
"Also, Energiewende ja. Und die Grünen wollen dann natürlich wieder keine Kohlekraftwerke. Da sind wir natürlich für. Aber die Finanzkrise."
Jetzt regt sich Rudolf Malzahn richtig auf.
"Es werden Gelder gegeben. Und die Gelder - wo gehen die hin? An die Banken, die den Murks gemacht haben, aber nicht an die Leute, an die Firmen in den Ländern, dass die Geld hätten, um investieren zu können und dementsprechend Arbeitsplätze zu erzielen."
Dass seine Parteifreunde im Bundestag sämtlichen Eurorettungspaketen zustimmen, das passt den Genossen aus Bochum gar nicht. Sie haben ein paar neue Anträge und Briefe verschickt, so wie damals als der Ortsverein Hamme als Erster beantragte, Wolfgang Clement vor die Tür zu setzen. Von diesem Ruhm zehren sie bis heute, und gerade kommt Rudolf Malzahn ins Schwärmen, als Günther Weiß hinter seinen CDs hervorkommt, weil ihm eines noch eingefallen ist. Die SPD müsse heute niemanden mehr bemuttern, aber glaubwürdig soll sie sein:
"Ich meine, die SPD hat ja auch eine Zeit lang sehr viele Wähler verloren, und jetzt sind sie langsam dabei, wieder glaubwürdig zu werden. Aber ich würde nicht sagen, das ist das hier das Klassische. Das ist vorbei. Die Leute können heute auch schon entscheiden, ob was richtig oder was falsch ist."