Das Cafe von Nevroz Algac ist Kriegszone. Eine Frontscheibe zerschossen, im Treppenhaus ein melonengroßes Loch, an der Hauswand Einschüsse und der Stamm einer Pinie im Garten zerfetzt. Die Kurdin hatte das Lokal in der Kleinstadt Ceylanpinar vor zwei Jahren übernommen – das Grundstück endet am Grenzzaun. Dahinter Syrien. Das kurdische Syrien. Dort war es auch lange nach Ausbruch des Bürgerkrieges noch friedlich. Doch nun will Algac ihr Café zumachen:
"Wir leben hier seit Monaten mit dieser Angst. Es kann jederzeit wieder hier einschlagen. Denn diese Gruppen sind nicht weit von hier. Das wissen wir."
Diese Gruppen – damit meint die Wirtin die Milizen der Al Nusra, radikale Islamisten, die in der Region die Oberhand gewinnen wollen. Seit Wochen liefern sie sich heftige Gefechte mit kurdischen Einheiten. Dabei schlagen auch ständig Kugeln und Granaten auf der türkisch-kurdischen Seite ein. Seit Monaten schon hält am Bahnhof von Ceylanpinar wegen des ständigen Beschusses kein Zug mehr. Das Geschäftsleben ist fast zum Erliegen gekommen. Fünf Menschen seien allein in dieser Stadt bereits getötet worden, sagen die Bewohner. Die türkischen Zeitungen berichten kaum über Ceylanpinar.
Und das türkische Militär schlägt bislang nur bei Grenzverletzungen des Assad-Regimes zurück, beklagen sich die Kurden von Ceylanpinar. Gegen die islamistischen Milizen dagegen hätten sie keinen einzigen Schuss abgegeben.
Damit nicht genug, sagt die Kurdenpartei BDP. Sie beschuldigt die Erdogan-Regierung, die Islamisten im Kampf gegen die Kurden in Syrien mit Geld und Waffen zu unterstützen. Darum glaubt der lokale BDP-Vorsitzende Hüsnü Kalic nicht, dass die Regierung trotz kleinerer Reformversprechen noch ein ernsthaftes Interesse an dem Friedensprozess mit der PKK hat:
"Die PKK hat mit ihrem Rückzug aus der Türkei die ersten Schritte getan. Aber von der Regierung ist immer noch keine echte Gegenleistung zu sehen. Nicht nur das, nun mischt sie sich auch noch bei den Kurden in Syrien ein. Wir Kurden aber halten zusammen, wer dort schießen lässt, trifft auch uns. Ich, zum Beispiel, habe dort Dutzende Verwandte. Darum hat das, was dort passiert, große Auswirkungen auf den Friedensprozess zwischen Türken und Kurden."
Die türkische Regierung weist jede Verbindung mit islamistischen Oppositionsgruppen in Syrien zurück. Doch vor drei Wochen konnte ein niederländisches Kamerateam filmen, wie an einem offiziellen Grenzübergang bärtige syrische Kämpfer eine Lieferung Armeestiefel aus der Türkei verluden. Und dann gibt es noch ein Foto, das einen Politiker der türkischen Regierungspartei mit einem Al-Nusra-Kämpfer zeigt.
Für diesen Bewohner von Ceylanpinar Beweis genug, dass der türkische Staat hinter den Angriffen auf die Kurden jenseits der Grenze steckt. Seinen Namen will er nicht nennen, weil er um seinen Sohn fürchtet. Der ist nämlich - wie inzwischen etliche türkische Kurden - hinübergegangen, um in Syrien seine Brüder gegen die Islamisten zu unterstützen.
"Er wurde vor einem Monat verletzt, aber er hat sich wieder erholt. Aber seit Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Die Kämpfe gehen ja jeden Tag weiter. Dabei war es doch bei unseren kurdischen Brüdern nach Beginn des Bürgerkrieges in Syrien lange Zeit ruhig. Aber was macht die Türkei: Schickt Waffen zu diesen Islamisten. Und wozu? Um Assad zu bekämpfen? Nein! Um die Kurden zu vernichten!"
Vor zwei Wochen im Istanbuler Vorort Gazi. Auf einem Trauermarsch wird ein 28-Jähriger zu Grabe getragen. Der erste in Syrien gefallene türkische Kurde. Er starb im Kampf gegen die Al Nusra in Syrisch-Kurdistan. Tausende Kurden begleiten den Sarg und skandieren immer wieder, dass die Regierung in Ankara zur Rechenschaft gezogen werden müsse.
"Unser Freund ging dorthin, um sie in ihrem Kampf zu unterstützen. Wenn Gruppen wie Al Nusra weiterhin das kurdische Volk angreifen, dann werden nicht nur aus der Türkei immer mehr Kämpfer dort hingehen."
In Ceylanpinar schließen die Läden schon nach Einbruch der Dunkelheit. Nur noch wenige trauen sich dann auf die Straße. Denn es ist Krieg in der Kurdenregion – hüben wie drüben.
"Wir leben hier seit Monaten mit dieser Angst. Es kann jederzeit wieder hier einschlagen. Denn diese Gruppen sind nicht weit von hier. Das wissen wir."
Diese Gruppen – damit meint die Wirtin die Milizen der Al Nusra, radikale Islamisten, die in der Region die Oberhand gewinnen wollen. Seit Wochen liefern sie sich heftige Gefechte mit kurdischen Einheiten. Dabei schlagen auch ständig Kugeln und Granaten auf der türkisch-kurdischen Seite ein. Seit Monaten schon hält am Bahnhof von Ceylanpinar wegen des ständigen Beschusses kein Zug mehr. Das Geschäftsleben ist fast zum Erliegen gekommen. Fünf Menschen seien allein in dieser Stadt bereits getötet worden, sagen die Bewohner. Die türkischen Zeitungen berichten kaum über Ceylanpinar.
Und das türkische Militär schlägt bislang nur bei Grenzverletzungen des Assad-Regimes zurück, beklagen sich die Kurden von Ceylanpinar. Gegen die islamistischen Milizen dagegen hätten sie keinen einzigen Schuss abgegeben.
Damit nicht genug, sagt die Kurdenpartei BDP. Sie beschuldigt die Erdogan-Regierung, die Islamisten im Kampf gegen die Kurden in Syrien mit Geld und Waffen zu unterstützen. Darum glaubt der lokale BDP-Vorsitzende Hüsnü Kalic nicht, dass die Regierung trotz kleinerer Reformversprechen noch ein ernsthaftes Interesse an dem Friedensprozess mit der PKK hat:
"Die PKK hat mit ihrem Rückzug aus der Türkei die ersten Schritte getan. Aber von der Regierung ist immer noch keine echte Gegenleistung zu sehen. Nicht nur das, nun mischt sie sich auch noch bei den Kurden in Syrien ein. Wir Kurden aber halten zusammen, wer dort schießen lässt, trifft auch uns. Ich, zum Beispiel, habe dort Dutzende Verwandte. Darum hat das, was dort passiert, große Auswirkungen auf den Friedensprozess zwischen Türken und Kurden."
Die türkische Regierung weist jede Verbindung mit islamistischen Oppositionsgruppen in Syrien zurück. Doch vor drei Wochen konnte ein niederländisches Kamerateam filmen, wie an einem offiziellen Grenzübergang bärtige syrische Kämpfer eine Lieferung Armeestiefel aus der Türkei verluden. Und dann gibt es noch ein Foto, das einen Politiker der türkischen Regierungspartei mit einem Al-Nusra-Kämpfer zeigt.
Für diesen Bewohner von Ceylanpinar Beweis genug, dass der türkische Staat hinter den Angriffen auf die Kurden jenseits der Grenze steckt. Seinen Namen will er nicht nennen, weil er um seinen Sohn fürchtet. Der ist nämlich - wie inzwischen etliche türkische Kurden - hinübergegangen, um in Syrien seine Brüder gegen die Islamisten zu unterstützen.
"Er wurde vor einem Monat verletzt, aber er hat sich wieder erholt. Aber seit Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Die Kämpfe gehen ja jeden Tag weiter. Dabei war es doch bei unseren kurdischen Brüdern nach Beginn des Bürgerkrieges in Syrien lange Zeit ruhig. Aber was macht die Türkei: Schickt Waffen zu diesen Islamisten. Und wozu? Um Assad zu bekämpfen? Nein! Um die Kurden zu vernichten!"
Vor zwei Wochen im Istanbuler Vorort Gazi. Auf einem Trauermarsch wird ein 28-Jähriger zu Grabe getragen. Der erste in Syrien gefallene türkische Kurde. Er starb im Kampf gegen die Al Nusra in Syrisch-Kurdistan. Tausende Kurden begleiten den Sarg und skandieren immer wieder, dass die Regierung in Ankara zur Rechenschaft gezogen werden müsse.
"Unser Freund ging dorthin, um sie in ihrem Kampf zu unterstützen. Wenn Gruppen wie Al Nusra weiterhin das kurdische Volk angreifen, dann werden nicht nur aus der Türkei immer mehr Kämpfer dort hingehen."
In Ceylanpinar schließen die Läden schon nach Einbruch der Dunkelheit. Nur noch wenige trauen sich dann auf die Straße. Denn es ist Krieg in der Kurdenregion – hüben wie drüben.