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Warten in eisigen Höhen

Der Italiener Simone Moro und der Kasache Denis Urubko brechen am zweiten Weihnachtsfeiertag auf um den Nanga Parbat zu besteigen. Einen der schwersten Achttausender. Sie wären die ersten Menschen denen dies im Winter gelingt.

Von Hendrik Maaßen |
    Wer in die Annalen der Bergsteigergeschichte eingehen will, der muss sich heutzutage etwas Besonderes überlegen: eine noch schwierigere Route oder spektakuläre Erstbegehungen in den entlegensten Regionen der Erde. Der Italiener Simone Moro hat sich für Winterbesteigungen von Achttausendern entschieden. Und nun soll es der 8125 Meter hohe Nanga Parbat sein, der zu den schwersten Gipfel überhaupt zählt.

    In diesen Tagen bricht der 44Jährige Alpinist mit seinem Kompagnon, dem Kasachen Denis Urubko in den Westhimalaya auf. Einer der wichtigsten Menschen für den Erfolg der Expedition wird aber im österreichischen Innsbruck sein: Der Meteorologe Karl Gabl. Er gilt in der Bergsteigerszene als lebende Legende. Seit Jahrzehnten vertrauen nahezu alle Bergsteiger-Größen dem Wetter-Guru. Für Simone Moro ist er schlicht der "dritter Mann" in der Seilschaft. Kaum ein anderer weiß so gut, was für Wetterverhältnisse die Bergsteiger dort oben erwartet:

    "Ich habe schon vor einigen Jahren versucht die Windverhältnisse am Nanga Parbat in einem Winter innerhalb von zwei Monate zu recherchieren und damals hat sich ergeben, dass es nur wenige Tage gibt, die unterhalb eines Sturms sind, und sehr viele oberhalb der Hurrikane Stärke und es ist schon ganz gut, wenn man sich außerhalb dieser unwirklichen Bedingungen akklimatisiert."

    Schon im Basislager auf 4000 Metern müssen die Bergsteiger mit bis zu Minus 50 Grad rechnen. Anders als im Sommer meiden sie deshalb diesen Ort so lange wie möglich und erklimmen zur Akklimatisierung kleinere Gipfel, an deren Hängen es nicht ganz so kalt wird. Der Nanga Parbat steht erst für Anfang Februar auf dem Plan, so lange werden die Vorbereitungen, die Gewöhnung an die Höhe und das Warten auf den richtigen Moment dauern. Dann ist die Stunde des Meteorologen:

    "Meine Aufgabe wird sein ein Wetterfenster zu schließen, dass ein Gipfelgang möglich ist, Wetterfenster heißt: niedrigere Windverhältnisse und natürlich auch trockene Verhältnisse."

    Prognostiziert Gabl in Innsbruck diese ersehnte Wetterlage, müssen Moro und Urubko die restlichen 4000 Höhenmeter zum Gipfel und den Rückweg innerhalb von zwei Tagen bewältigen. Auch deshalb werden sie im Alpinstil, also ohne Zwischenlager den Berg in Angriff nehmen. Die Winterstürme würden vorbereitete Zelte ohnehin wegreißen.

    Für Moro wäre es bereits der vierte Achttausender den er im Winter bestiegen hat. Vor einem Jahr stand er mit Urubko und dem Kanadier Cory Richards auf dem Gipfel des Gasherbrum II. Auf dem Abstieg entging das Trio nur knapp dem Tod. Herabstützende Eismassen lösten eine Lawine aus.

    Der erste Versuch den Nanga Parbat im Winter zu besteigen fand 1989 statt. Seit dem scheiterten die zahlreichen Versuche. Insgesamt standen erst 326 Menschen auf dem Gipfel, an den Steilhängen des neunt höchsten Berges der Erde starben bereits 68 Menschen - am Mount Everest kommen im Verhältnis weniger Bergsteiger ums Leben. Warum will man solch einen Berg dann auch noch im Winter hinauf? Karl Gabl:

    "Im Sommer sind ja alle gemacht worden und im Winter gibt es noch viele Achttausender die noch nicht bestiegen worden sind und das ist in der Natur des Bergsteigens, dass die Erstbegehung zählt, aber das auch die erste Winterbegehung ihren fixen Platz hat."