Eigentlich wollte Novak Djokovic in Australien seinen 21. Grand-Slam-Titel holen – Das hat bisher noch kein Tennisspieler erreicht. Aber Djokovics größter Gegner ist im Moment kein Sportler, sondern die australische Einreisebehörde. Die verweigert ihm die Einreise nach Australien. Dem Serben droht die Abschiebung.
In Australien gelten seit Pandemie-Beginn sehr harte Corona-Beschränkungen. Melbourne, Austragungsort der Australian Open, war weltweit die Großstadt, die sich am längsten im Lockdown befand.
Entsprechend ist auch die Vorgabe für die Teilnahme am Turnier: Nur vollständig geimpfte Spielerinnen und Spieler sollen teilnehmen dürfen. Es gab aber die Möglichkeit, eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu erhalten.
Mögliche Gründe dafür können Herzerkrankungen sein, schwere Nebenwirkungen nach einer ersten Impfung oder eine Corona-Infektion in den vergangenen sechs Monaten. Insgesamt haben 26 Spieler einen entsprechenden Antrag gestellt, so Turnierchef Craig Tiley. Darunter auch Djokovic.
Djokovics Angaben wurden von zwei Kommissionen überprüft, bestehend unter anderem aus Immunologen und Experten für ansteckende Krankheiten. Eine der Kommission war vom Gesundheitsministerium des Bundesstaates Victoria besetzt worden. Die Prüfung der Daten sei anonym erfolgt, so Tiley.
Welchen Grund Djokovic bei seinem Antrag angegeben hat, ist nicht offiziell bestätigt. Laut australischen Medienberichten habe sich der 34-Jährige aber auf eine Corona-Infektion in den vergangenen sechs Monaten berufen.
Für die zwei Kommissionen waren die Dokumente offenbar gut genug, um Djokovic eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Dies gab der Veranstalter der Australien Open, Tennis Australia, am Mittwoch bekannt.
Wie alle Personen, die mit einem Visum nach Australien einreisen, musste auch Djokovic am Mittwoch-Abend (5.1.22) bei seiner Ankunft seine Dokumente der australischen Grenzbehörde vorlegen. Diese haben die Beamten offenbar nicht akzeptiert.
Laut einem Bericht der australischen Zeitung „The Age“ hat der Serbe nur sehr wenige Belege dafür vorlegen können, dass die Ausnahmegenehmigung zu rechtfertigen sei. Die Zeitung stützt sich auf drei anonyme Quellen aus Behördenkreisen, von denen eine mit diesen Worten zitiert wird.
Die Grenzbehörde, eine Bundesbehörde, ist also bei der Prüfung der Dokumente zu einem anderen Ergebnis gekommen als die Kommissionen von Veranstalter und Gesundheitsministerium im Bundesstaat Victoria.
„Das Commonwealth lässt einen ins Land. Tennis Australia, zusammen mit dem Bundesstaat, lässt einen ins Turnier“, fasst der Gesundheitsminister von Victoria dies in einem Statement zusammen. Und auch der Premier Scott Morrisson hatte eine simple Nachricht an Djokovic: "Regeln sind Regeln."
Diese Frage lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Die medizinischen Daten von Djokovic sind Privatsache, bis heute hat er nichts zu seinem Impfstatus gesagt. In der Vergangenheit hatte er sich aber gegenüber Impfungen ablehnend geäußert.
Trotzdem hat es Warnungen von Bundesbehörden an Tennis Australia gegeben. In einem Brief an den Veranstalter im November schrieb der Gesundheitsminister Greg Hunt, dass Personen, die sich mit Corona angesteckt und keine Impfung erhalten hätten, nicht als vollständig geimpft gelten können.
Nur Personen, die als „vollständig geimpft“ gelten, könnten ohne Quarantäne nach Australien einreisen, dies habe die Grenzbehörde deutlich gemacht, heißt es in einem zweiten Brief.
Der Veranstalter wusste also, dass Spieler, die sich bei der Einreise nur auf eine Corona-Infektion berufen, Probleme an der Grenze bekommen würden. Warum Djokovic trotzdem die Ausnahmegenehmigung bekommen hat und das Risiko eingegangen ist, ist unklar.
Bisher ja. Ein ungeimpfter Spieler und ein ungeimpfter Funktionär sollen eingereist sein. Laut „The Age“ hätten diese beiden Personen allerdings deutlich mehr Dokumente vorgelegt, von verschiedenen Ärzten, die eine Corona-Infektion bestätigt haben.
Die Grenzbehörde untersucht diese Fälle nun aber erneut, bestätigte die zuständige Ministerin im Talkradio 2GB.
Es kann gut sein, dass jeder, der ins Land gekommen ist, die korrekten Dokumente hatte. Aber wenn die Belege nicht da sein sollten, werden wir angemessen reagieren.
Sollte die Entscheidung der Grenzbehörde Bestand haben, muss Djokovic zurückfliegen. Die Anwälte des Weltranglistenersten haben Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt.
Am Donnerstag vertagte sich das zuständige Gericht bis Montag. Solange darf Djokovic in Australien bleiben. Momentan ist er in einem Quarantäne-Hotel untergebracht.
Sollte die Entscheidung Bestand haben, droht Djokovic auch in Zukunft Ärger. Wem bei der Einreise das Visum gekündigt wurde, kann für drei Jahre keinen neuen Antrag stellen – es sei denn, die Behörden verzichten auf diese Bestrafung.
In Australien hatte es viele wütende Stimmen gegeben, nachdem bekannt geworden war, dass Djokovic eine Ausnahmegenehmigung bekommen hatte. Der ehemalige australische Tennisspieler Sam Groth schrieb in einer Kolumne, Djokovic würde mit seinem Verhalten jedem Australier ins Gesicht spucken.
Rafael Nadal, einer von Djokovics größten Rivalen, äußert sich diplomatischer, aber dennoch klar. „Ich hatte Covid, ich bin zwei Mal geimpft. Wenn du das machst, hast du kein Problem, hier und überall auf der Welt zu spielen“, so der Spanier.
Olympiasieger Alexander Zverev hat sich bedeckt gehalten. "Am Ende des Tages hätte es geholfen, wenn er geimpft wäre", sagte Zverev in Sydney nach seinem Spiel beim ATP Cup. "Es ist ein Grand-Slam-Turnier, das er neunmal gewonnen hat. Es wäre schön für das Tennis, wenn er dabei wäre", sagte Zverev. "Aber Regeln sind Regeln. Ich werde nie im Leben ein schlechtes Wort über Novak sagen, aber ich kenne auch zu wenig Details, um ihn in Schutz nehmen zu können."
Aus seinem Heimatland erhält Djokovic Unterstützung. „Ganz Serbien steht hinter dir“, schrieb der serbische Präsident Vucic auf Instagram. „Unsere Behörden werden alle Maßnahmen ergreifen, um die Schikanierung des besten Tennisspielers der Welt binnen kürzester Zeit zu beenden.“ Serbische Medien berichten, dass der australische Botschafter in Serbien einbestellt worden sei.
Serbiens Regierungschefin Ana Brnabić vermutet politische Gründe hinter den Schwierigkeiten bei der Einreise. "Ich kann nicht wirklich etwas anderes erkennen", sagte sie dem britischen Nachrichtensender Sky News. "Tatsache ist, denke ich, dass Novak anders behandelt wurde", sagte Brnabić weiter. Es gebe etwa 20 andere Teilnehmer der Australian Open, für die Ausnahmen von der Pflicht zur Vorlage eines Impfzertifikats gelten würden.
"Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass Novak zu seinem Recht kommt und gleichbehandelt wird," so die Regierungschefin. Zudem forderte sie, dem Weltranglisten-Ersten müsse erlaubt werden, sein Hotel zu verlassen und die Quarantäne in einem von ihm angemieteten Haus fortzusetzen. Zu den Ansichten Djokovics, der als Impfgegner gilt, wollte sich Brnabić nicht äußern.
Djokovics Vater Srdjan bezeichnete seinen Sohn sogar als Freiheitskämpfer. „Mein Sohn mag in Gefangenschaft in Australien sein, aber es war noch nie freier“, zitiert ihn die serbische Zeitung Telegraf. „Von diesem Moment an ist Novak das Symbol und der Führer der freien Welt, der Welt der Armen und der benachteiligten Nationen und Menschen.“
In Djokovics Heimat Serbien haben sich am Abend hunderte Menschen zu Protesten versammelt. Der Vater des Weltranglisten-Ersten, der zu den Protesten aufgerufen hatte, sagte vor den Demonstranten in Belgrad, dass er "Unterstützung und keine Gewalt" für seinen Sohn wolle. Bei der Demonstration in Belgrad schwenkten zahlreiche Teilnehmer serbische Flaggen oder trugen Banner, unter anderem mit der Aufschrift: "Sie haben Angst vor dem Besten, stoppt den Corona-Faschismus."
In Deutschland hat sich unterdessen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in die Debatte eingeschaltet und bei RTL Direkt Kritik an Djokovic geübt: "Dass man in einer so existenziellen medizinischen Frage dann versucht, ein Vorbild zu sein, und nicht für sich eine Extrawurst reklamiert, das halte ich für geboten! Deswegen ist dieser Spieler für mich kein Vorbild." Die Sportler würden laut Lauterbach im Prinzip vom Enthusiasmus und zum Teil vom Geld der Zuschauer leben: "Daher muss man auch etwas zurückgeben."