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Neu Delhi
Warum der Besuch von Kanzler Scholz in Indien wichtig ist, aber schwierig werden dürfte

Bundeskanzler Scholz ist zu einem Antrittsbesuch nach Indien gereist. Neben Verbesserungen der Wirtschaftsbeziehungen geht es der Bundesregierung auch um Indiens Haltung im Ukraine-Krieg gehen. Kein leichter Besuch, denn eine Abkehr Indiens von Russland schätzen Experten als unwahrscheinlich ein.

    Bundeskanzler Scholz schüttelt die Hand von Indiens Premierminister Modi.
    Bundeskanzler Scholz zu Gast in Indien (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
    Bundeskanzler Scholz hat an Indien appelliert, den Vorsitz der G20 zu nutzen, um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine klar als solchen zu benennen. Scholz sagte nach einem Treffen mit Premierminister Modi in Neu Delhi, es sei sehr wichtig, dass eine klare Positionierung auch im Rahmen der Vereinten Nationen geschehe. Indirekt äußerte er damit Kritik an Indien. Das Land hatte sich bei der jüngsten Abstimmung zum Ukraine-Krieg in der UNO-Vollversammlung enthalten. Der indische Premierminister Modi sagte, der Krieg müsse durch Dialog und Diplomatie gelöst werden. Indien sei bereit, zu Friedensgesprächen beizutragen. Indien hat die russische Invasion der Ukraine bisher nicht verurteilt.

    Enge Verflechtungen mit Russland

    Indien ist in Rüstungs- und Energiefragen stark von Russland abhängig. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat das Land seine Importe von relativ günstigem russischen Öl und Gas ausgeweitet. Kritiker werfen dem Land vor, so die Sanktionen des Westens auszuhebeln. Auch militärisch steht Indien Russland sehr nahe. Ein Großteil der Ausrüstung der indischen Streitkräfte stammt von dort, zeigt eine Auswertung des US-Think-Tanks "Stimson Center".
    Der Vorsitzende der deutsch-indischen Parlamentariergruppe, Brinkhaus, sagte im Deutschlandfunk, es sei nicht überraschend, dass Indien sich noch nicht eindeutig bezüglich des russischen Angriffskrieges positioniert habe. Traditionsgemäß sei Indien in erster Linie auf eigene Angelegenheiten fokussiert, erklärte der CDU-Politiker. Das Land tue sich schwer damit, sich in internationale Allianzen oder Bündnisse einzuordnen.
    Der Asien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Christian Wagner, betonte gegenüber tagesschau.de, ein Wechsel in der Außenpolitik Indiens sei nicht abzusehen. Der Ukraine-Krieg sei für Indien ein geopolitischer Moment, den es nutzen könne, weil es auf der einen Seite seine Beziehungen mit Russland weiter ausbaue und auf der anderen Seite der Westen um Indien buhle, so Wagner.

    Wirtschaftsvertreter begleiten Scholz

    Wirtschaftlich könnten Deutschland und Indien eher zusammenfinden. Eine hochrangige Wirtschaftsdelegation ist zusammen mit Scholz ebenfalls nach Indien gereist. In Indien sind aktuell rund 1.800 deutsche Unternehmen tätig. Laut einer Prognose des IWF könnte Indien in den kommenden Jahren zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt werden und damit an Deutschland vorbeiziehen. Indien mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern gilt seit Langem als mögliche Alternative zu China. Allerdings beklagen deutsche Firmen seit Jahren Protektionismus und Bürokratie, was etwa Investitionen deutscher Autokonzerne sehr schwierig macht.
    Dennoch: Die Investitionen deutscher Firmen in Indien sollten erhöht werden, sagte Bundeskanzler Scholz in Neu Delhi. Zudem werde 2024 die nächste Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Indien stattfinden, kündigte der SPD-Politiker an. Modi fügte hinzu, er werde sich zusammen mit Scholz für ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU einsetzen. Unterzeichnet wurden vier Absichtserklärungen. Dazu gehört ein Rahmenplan für gemeinsame Vorhaben im Bereich Innovation und Technologie sowie ein Pilotprojekt zum Austausch von Solarexperten.

    Fachkräftemangel und Rüstung ebenfalls wichtige Themen

    Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland bietet Indien Chancen: Das Land dürfte in wenigen Wochen China als bevölkerungsreichstes Land der Welt überholen. Ende 2022 hatte Deutschland mit Indien bereits ein Mobilitätsabkommen geschlossen, um verstärkt auch indische Fachkräfte anzuwerben.
    Ein weiteres wichtiges Feld der deutsch-indischen Beziehungen sei "die Sicherheits- und Verteidigungskooperation", sagte der indische Premier, dessen Land seit Jahrzehnten in einem Grenzkonflikt mit China steht. Sie könne ein wichtiger Pfeiler unserer Partnerschaft werden. Laut Medienberichten könnte bei der Indien-Reise des Bundeskanzlers auch ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft vorangebracht werden. Indien möchte sechs konventionelle U-Boote im Wert von 4,9 Milliarden Euro kaufen.

    Indien ist eines der Schlusslichter beim Klimaschutz

    Auch Klimaschutz soll eine wichtige Rolle bei der Reise spielen. Im Interview mit der Zeitung "Times of India" sagte Scholz, ohne Schlüsselländer wie Indien werde man es nicht schaffen, den weltweiten Temperaturanstieg so weit zu begrenzen, dass das 1,5-Grad-Ziel des Übereinkommens von Paris in Reichweite bleibe. Indien ist nach China und den USA der drittgrößte Produzent klimaschädlicher Treibhausgase und hinkt beim Klimaschutz hinterher. So stuft das Analyse-Portal Climate Action Tracker die Pläne Indiens im Kampf gegen die Erderwärmung als "hochgradig unzureichend" ein.

    Weiterführende Informationen

    In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine und seinen Auswirkungen finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen, den wir laufend aktualisieren.
    Diese Nachricht wurde am 25.02.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.