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Streit um Taurus-Waffensystem
Warum die Bundesregierung zögert

In der Diskussion, ob Deutschland der Ukraine Taurus-Marschflugkörpern liefert, ist der Ton rauer geworden. Beim Besuch von Außenministerin Baerbock in Kiew warf ihr ukrainischer Amtskollege Kuleba der Bundesregierung Zeitverschwendung vor. Es gebe kein objektives Gegenargument, die Marschflugkörper nicht zu liefern.

    Die Marschflugkörper "Taurus" starten von Flugzeugen aus und fliegen dann mit eigenem Antrieb ins Ziel.
    Die Marschflugkörper "Taurus" starten von Flugzeugen aus und fliegen dann mit eigenem Antrieb ins Ziel. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Stimmt das? Wir werfen einen Blick auf die Waffe und fragen, warum die Ukraine sie unbedingt haben will und warum die Bundesregierung weiter zögert.

    Was für eine Waffe ist "Taurus"?

    Der fünf Meter lange Marschflugkörper wird von Kampfflugzeugen aus gestartet und kann mit seinem Jetantrieb mehr als 500 Kilometer weit fliegen. Er orientiert sich dabei anhand von Daten zur Geländebeschaffenheit und kann feindliches Radar mit hoher Geschwindigkeit in weniger als 50 Meter Höhe unterfliegen. Beim Aufschlag auf das Ziel sprengt eine erste Ladung eine Lücke in Wand oder Decke des Ziels. Durch diese dringt dann ein 400 Kilo schwerer und mit Sprengstoff gefüllter Metallstab ein und explodiert.

    Warum will die Ukraine Taurus?

    Die Ukraine brauche den Marschflugkörper, um das "Unterstützungssystem der russischen Besatzungstruppen" im Bereich hinter der Front zu zerschlagen, sagt der ukrainische Präsidentenberater Podoljak. Ziele seien Logistik-Infrastruktur, Munitionsdepots und Stützpunkte in den von Russland besetzten Gebieten. All diese würden sich aber in einer Entfernung von 100 bis zu 300 Kilometern von der Frontlinie befinden. Nur Waffensysteme wie Taurus könnten solche Entfernungen erreichen.

    Warum hat die Bundesregierung Vorbehalte?

    Mit mehr als 500 Kilometern Reichweite könnte Taurus auch ohne weiteres russisches Staatsgebiet erreichen. Der SPD-Außenpolitiker Stegner warnt deshalb vor einer möglichen "Eskalation des Krieges". Die Ukraine hat allerdings zugesichert, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen - und sich bisher auch daran gehalten. Angesichts der stockenden ukrainischen Gegenoffensive werben Grüne und FDP schon seit Wochen für die Taurus-Lieferung. Auch in der SPD gibt es inzwischen Politiker, die sich dafür aussprechen.

    Ließe sich die Reichweite von Taurus begrenzen?

    Eine technische Beschränkung der Möglichkeiten von Taurus gilt als möglicher Kompromiss, um Vorbehalte gegen die Lieferung zu überwinden. Dabei gibt es im wesentlichen zwei Optionen: Das Waffensystem könnte so umprogrammiert werden, dass seine Reichweite eingeschränkt ist und es beispielsweise nur 300 Kilometer weit fliegen kann. Denkbar wäre auch eine Gebietseinschränkung, die den Einsatz auf russischem Gebiet verhindert. In beiden Fällen ist aber fraglich, ob die Ukraine die Beschränkung im Zweifel nicht eigenständig rückgängig machen könnte.

    Wäre Deutschland das erste Land, das Marschflugkörper liefert?

    Nein. Großbritannien hatte im Mai als erstes Land angekündigt, Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow zu liefern. Frankreich, welches das baugleiche Modell Scalp im Bestand hat, zog im Juni nach. Die Reichweite dieses Waffensystems soll bei mehr als 250 Kilometern liegen, wäre damit also geringer als bei Taurus.

    Wie viele Taurus hat die Bundeswehr?

    Die Bundeswehr hat ab 2004 insgesamt 600 Taurus-Marschflugkörper erhalten. Nach Angaben des FDP-Verteidigungspolitikers Faber sind inzwischen nur noch 150 davon einsatzbereit. Er geht aber davon aus, dass die anderen 450 durch den Hersteller für den Export in die Ukraine wieder funktionsfähig gemacht werden könnten.

    Weiterführende Informationen

    In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
    Diese Nachricht wurde am 12.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.