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Warum gibt es Sex?

Fortpflanzungsbiologie. - Evolutionsbiologen rätseln seit Jahrzehnten über den Grund für die sexuelle Fortpflanzung. Es gibt eine Menge Theorien darüber, aber mangels geeigneter Versuchstiere keine entsprechenden Daten. Doch das könnte sich jetzt dank Schweizer Evolutionsbiologen ändern.

Von Marieke Degen |
    Ein kleiner Raum, klimatisiert und hell erleuchtet. An der Wand Regale mit Pflanzen, jede einzelne ist in eine Zellophantüte eingewickelt. Christoph Vorburger züchtet hier seine Blattlauswespen.

    "Das funktioniert ganz einfach, da ist eine Pflanze mit ein paar Blattläusen drauf als Opfer, dann gibt man da ein paar Wespen dazu, die stechen dann die Blattläuse, in den Blattläusen entwickelt sich dann die nächste Wespengeneration, und die schlüpft dann nach ungefähr zwei Wochen."

    Die Wespen sind winzig, viel kleiner als eine Fruchtfliege.

    "Aber die müssen ja auch vollständig in eine Blattlaus hineinpassen, und darum können die nicht größer sein. Hier ist eine Wespe, sehen Sie?"

    Die Insekten sind in der Landwirtschaft beliebt, als biologische Schädlingsbekämpfer. Sie werden in Treibhäusern freigelassen, um Blattläuse zu vernichten. Und es gibt noch eine Besonderheit: Nicht alle Blattlauswespen brauchen Sex, um sich zu vermehren.

    "Also es gibt Männchen und Weibchen, die müssen sich verpaaren, um Nachkommen zu machen. In unserem Fall gibt es auch ungeschlechtlich sich fortpflanzende Wespen. Da gibt es nur Weibchen, und die brauchen keine Befruchtung, ohne Befruchtung machen die wieder Töchter."

    Christoph Vorburger ist Evolutionsbiologe an der ETH Zürich. Mit Hilfe der Blattlauswespen könnte er vielleicht eines der ganz großen Geheimnisse der Evolution lüften.

    "Warum pflanzen sich die meisten Lebewesen sexuell fort? Warum gibt es Männchen und Weibchen?"

    Eigentlich ist Sex eine ziemlich ineffektive Angelegenheit. Weil ja immer nur die Hälfte der Tiere Nachkommen in die Welt setzt, nämlich die Weibchen. Bei der asexuellen Fortpflanzung bekommen alle Individuen Nachwuchs. Trotzdem hat sich Sex in der Evolution durchgesetzt. Biologen glauben, dass das mit der Anpassungsfähigkeit zu tun hat. Wenn sich das Erbgut der Tiere vermischt, dann kommen sie besser mit Veränderungen zurecht – zum Beispiel mit Krankheitserregern. Überprüft hat das aber noch keiner. Es gibt zwar einige Tierarten, die sich auf beide Weisen fortpflanzen. Aber die geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Vertreter unterscheiden sich oft in so vielen Punkten, dass man sie nur schlecht miteinander vergleichen kann. Ganz anders die Blattlauswespe, wie Christoph Vorburger und sein Team herausgefunden haben.

    "Es hat sich jetzt eben herausgestellt, dass eigentlich ein einziger genetischer Faktor, verhält sich in Kreuzungen wie ein einzelner genetischer Faktor, der eben bestimmt, ob sich diese Wespe geschlechtlich oder ungeschlechtlich vermehrt."

    Gerade einmal ein einzelnes Gen bestimmt also, wie sich die Wespen fortpflanzen. Ansonsten sind die asexuellen und sexuellen Wespen gleich. Sie lassen sich also prima miteinander vergleichen. Und damit haben die Zürcher Forscher die idealen Versuchstiere für die Sexfrage entdeckt.

    "Im Prinzip könnten wir jetzt die beiden Fortpflanzungsweisen in Konkurrenz stellen, also wir könnten zum Beispiel geschlechtlich sich fortpflanzenden Populationen diesen genetischen Faktor einführen."

    Im Labor könnten die Wespen dann verschiedenen Bedingungen ausgesetzt werden. Und je nach Bedingung müsste sich dann eine Fortpflanzungsweise durchsetzen. Wenn die Wespen zum Beispiel mit Krankheitserregern konfrontiert sind, mit Pilzen und Bakterien, dann wäre die geschlechtliche Fortpflanzung sinnvoller. Die Insekten könnten sich dann schneller auf die Krankheitserreger einstellen. Vorburger:

    "Also wir könnten zum Beispiel Populationen sich entwickeln lassen über viele Generationen, mit und ohne einen Krankheitserreger, und die Vorhersage wäre dann, dass sich diese geschlechtliche Fortpflanzung da durchsetzt, wo eben dieser Krankheitserreger vorhanden ist."

    Auf diese Weise wollen Vorburger und seine Kollegen prüfen, ob die Theorien der Evolutionsbiologen wirklich stimmen.