Muslime, Christen, Konfessionslose - schon im Kindergarten stoßen viele Religionen und Weltanschauungen aufeinander. Interreligiöse Erziehung ist heute deshalb dringender geboten denn je.
Kinder sind neugierig und bereit, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen. Dass Erzieher in Kindergärten den interreligiösen Dialog fördern, ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel.
Wenn sie American Football spielen, sind sie ziemlich lebhaft - die 20 Mädchen und Jungen im katholischen Kindergarten St. Rita in Reutlingen. Fünf Erzieherinnen haben alle Hände voll zu tun. Dabei ist St. Rita kein Kindergarten wie jeder andere.
"Also wir sind ein katholischer Kindergarten. Und wir haben trotzdem einen Migrantenanteil von gut 70 Prozent. Und wir machen das bei uns im Haus ganz grob gesagt so, dass wir alle Religionen anschauen."
Alexandra Class ist Leiterin des Reutlinger Kindergartens. Und der gilt als Musterbeispiel für interreligiöse Bildungsarbeit im Vorschulalter. Dort tun Alexandra Class und ihr Team alles, um die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Religionen der Kinder abzubauen.
"Wir feiern einfach mit. So wie die Muslime bei uns die Weihnachten mitfeiern, so feiern wir bei denen eben auch mit. Gut, Ramadan ... also wir fasten jetzt tagsüber nicht, ganz klar - aber das Fest wird ausgiebig besprochen. Es wird eine Moschee besucht in diesem Zug. Und von anderen Religionen ... man geht mal in die griechisch-orthodoxe Kirche. Das gibt es bei uns auch. Oder man versucht, in einen Tempel hinein zu kommen. Oder man schaut sich eine Synagoge an. So feiern wir also mit und sind dabei."
Einmal in der Woche steht im Kindergarten ein christlicher Bibeltag an. Aber auch die Eltern der muslimischen Kinder kommen regelmäßig vorbei. Dann wird über Traditionen im Islam geredet. Man kocht gemeinsam - häufig Speisen, die in muslimisch geprägten Ländern auf den Tisch kommen. Genauso sollte es in allen Kitas laufen, fordert Professor Albert Biesinger, katholischer Religionspädagoge an der Universität Tübingen:
"Die Kinder lernen da ja auch was: Warum isst die Aische kein Schweinefleisch? Und warum darf ich das Schweinefleisch essen?, fragt sich das christliche Kind. Das würde ich sofort thematisieren: Wenn ich dabei wäre und höre, wie die Kinder so reden, würde ich da sofort ein Thema machen. Ist doch hochinteressant."
Denn gerade Kinder seien grundsätzlich neugierig und damit bereit, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen - die Grundvoraussetzung einer tolerante Lebenshaltung auszuprägen, glaubt Biesinger.
Dass Erzieherinnen in Kindergärten den interreligiösen Dialog fördern, ist allerdings eher die Ausnahme denn die Regel - so jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die Biesinger gemeinsam mit Kollegen erarbeitet hat. Dabei befragten die Forscher 2800 Erzieherinnen und Erzieher in 487 Kitas. Das Ergebnis: Ausflüge in Kirchen, Moscheen und Synagogen, so wie in Reutlingen, gehören längst noch nicht zum Standardprogramm. Das liegt unter anderem an der unzureichenden Ausbildung von Kita-Mitarbeitern. Professor Friedrich Schweitzer, evangelischer Religionspädagoge in Tübingen:
"Die Ausbildung der heute als Erzieherinnen Tätigen enthielt in vielen Fällen keine Vorbereitung auf interreligiöse Aufgaben. Deshalb ist es uns so wichtig, dass solche Aufgaben in Zukunft in der Ausbildung stärker wahrgenommen werden. Und in der Zwischenzeit wird hier die Fortbildung und die Weiterbildung eintreten müssen."
Doch eher selten hätten Erzieherinnen und Erzieher die Möglichkeit, in Fortbildungskursen den Umgang mit anderen Religionen zu üben. Friedrich Schweitzer geht das ...
"... zu langsam. Denn hier wäre eine entschiedenere Reform der Ausbildung erforderlich."
Nur damit, glauben die Tübinger Religionspädagogen, könne man den interreligiösen Dialog an den deutschen Kitas verbessern. Aus ihrer Studie geht hervor: Jedes achte Kind, das einen deutschen Kindergarten besucht, stammt aus einer muslimischen Familie. Allerdings:
"In Ballungszentren sind die Zahlen ganz anders. Also im Großraum Stuttgart gehen wir davon aus, dass etwa 25 Prozent der Kinder Muslime sind. Aber auch für die Kinder in ländlichen Gebieten, wo es möglicherweise gar keine muslimischen Kinder gibt, wird es ja so sein, dass sie in der Zukunft in einer Gesellschaft leben, die multi-religiös ist. Und von daher brauchen alle Kinder, die derzeit aufwachsen, eine Grundkompetenz, um die jeweils andere Religion zu verstehen."
Und genau dies sei, so der Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger, ein wichtiger Baustein für ein friedliches zukünftiges Miteinander.
"Diese Kinder werden dieses Jahrhundert prägen. Es kommt darauf an, dass diese Kinder so aufwachsen, dass sie von vornherein Verständigung lernen, die Würde und die Achtung vor der jeweils anderen Religion."
Damit das gelingt, müssen vor allem die kirchlichen Kindergarten-Träger über ihren Schatten springen und nicht ihrerseits Barrieren aufbauen. So kann sich Frank Jansen, Geschäftsführer des Bundesverbandes katholischer Tageseinrichtungen für Kinder, sogar vorstellen, muslimische Erzieherinnen an katholischen Kindergärten zu beschäftigen.
"Also wenn wir beispielsweise eine Kindertageseinrichtung haben, in der wir über 60 Prozent Kinder mit muslimischem Hintergrund haben, müssen wir darüber nachdenken, ob es nicht erforderlich ist, eine muslimische Erzieherin auch einzustellen, die diese Kinder in ihrer religiösen Bildung begleiten kann. Wir sind da offen in der Diskussion auch mit den Bischöfen."
Bleiben die Vorbehalte mancher Eltern: Nicht alle Eltern mit christlichem Bekenntnis finden es gut, wenn ihre Kinder mit der Kita-Gruppe eine Moschee besuchen. Und nicht alle muslimischen Eltern sind begeistert, wenn ihre Kinder eine Kirche von innen ansehen.
Auch Alexandra Class vom Kindergarten St. Rita in Reutlingen sah sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit solchen Bedenken der Eltern konfrontiert.
"Da waren einfach so Berührungsängste da: Wie gehe ich mit der anderen Religion um? Wir haben die Eltern dann einfach ins Boot geholt und gesagt: Gehen Sie einfach mit und schauen Sie es mit an. Und wenn es Ihnen zu viel wird, dann gehen Sie. Und es waren alle immer begeistert."
Kinder sind neugierig und bereit, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen. Dass Erzieher in Kindergärten den interreligiösen Dialog fördern, ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel.
Wenn sie American Football spielen, sind sie ziemlich lebhaft - die 20 Mädchen und Jungen im katholischen Kindergarten St. Rita in Reutlingen. Fünf Erzieherinnen haben alle Hände voll zu tun. Dabei ist St. Rita kein Kindergarten wie jeder andere.
"Also wir sind ein katholischer Kindergarten. Und wir haben trotzdem einen Migrantenanteil von gut 70 Prozent. Und wir machen das bei uns im Haus ganz grob gesagt so, dass wir alle Religionen anschauen."
Alexandra Class ist Leiterin des Reutlinger Kindergartens. Und der gilt als Musterbeispiel für interreligiöse Bildungsarbeit im Vorschulalter. Dort tun Alexandra Class und ihr Team alles, um die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Religionen der Kinder abzubauen.
"Wir feiern einfach mit. So wie die Muslime bei uns die Weihnachten mitfeiern, so feiern wir bei denen eben auch mit. Gut, Ramadan ... also wir fasten jetzt tagsüber nicht, ganz klar - aber das Fest wird ausgiebig besprochen. Es wird eine Moschee besucht in diesem Zug. Und von anderen Religionen ... man geht mal in die griechisch-orthodoxe Kirche. Das gibt es bei uns auch. Oder man versucht, in einen Tempel hinein zu kommen. Oder man schaut sich eine Synagoge an. So feiern wir also mit und sind dabei."
Einmal in der Woche steht im Kindergarten ein christlicher Bibeltag an. Aber auch die Eltern der muslimischen Kinder kommen regelmäßig vorbei. Dann wird über Traditionen im Islam geredet. Man kocht gemeinsam - häufig Speisen, die in muslimisch geprägten Ländern auf den Tisch kommen. Genauso sollte es in allen Kitas laufen, fordert Professor Albert Biesinger, katholischer Religionspädagoge an der Universität Tübingen:
"Die Kinder lernen da ja auch was: Warum isst die Aische kein Schweinefleisch? Und warum darf ich das Schweinefleisch essen?, fragt sich das christliche Kind. Das würde ich sofort thematisieren: Wenn ich dabei wäre und höre, wie die Kinder so reden, würde ich da sofort ein Thema machen. Ist doch hochinteressant."
Denn gerade Kinder seien grundsätzlich neugierig und damit bereit, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen - die Grundvoraussetzung einer tolerante Lebenshaltung auszuprägen, glaubt Biesinger.
Dass Erzieherinnen in Kindergärten den interreligiösen Dialog fördern, ist allerdings eher die Ausnahme denn die Regel - so jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die Biesinger gemeinsam mit Kollegen erarbeitet hat. Dabei befragten die Forscher 2800 Erzieherinnen und Erzieher in 487 Kitas. Das Ergebnis: Ausflüge in Kirchen, Moscheen und Synagogen, so wie in Reutlingen, gehören längst noch nicht zum Standardprogramm. Das liegt unter anderem an der unzureichenden Ausbildung von Kita-Mitarbeitern. Professor Friedrich Schweitzer, evangelischer Religionspädagoge in Tübingen:
"Die Ausbildung der heute als Erzieherinnen Tätigen enthielt in vielen Fällen keine Vorbereitung auf interreligiöse Aufgaben. Deshalb ist es uns so wichtig, dass solche Aufgaben in Zukunft in der Ausbildung stärker wahrgenommen werden. Und in der Zwischenzeit wird hier die Fortbildung und die Weiterbildung eintreten müssen."
Doch eher selten hätten Erzieherinnen und Erzieher die Möglichkeit, in Fortbildungskursen den Umgang mit anderen Religionen zu üben. Friedrich Schweitzer geht das ...
"... zu langsam. Denn hier wäre eine entschiedenere Reform der Ausbildung erforderlich."
Nur damit, glauben die Tübinger Religionspädagogen, könne man den interreligiösen Dialog an den deutschen Kitas verbessern. Aus ihrer Studie geht hervor: Jedes achte Kind, das einen deutschen Kindergarten besucht, stammt aus einer muslimischen Familie. Allerdings:
"In Ballungszentren sind die Zahlen ganz anders. Also im Großraum Stuttgart gehen wir davon aus, dass etwa 25 Prozent der Kinder Muslime sind. Aber auch für die Kinder in ländlichen Gebieten, wo es möglicherweise gar keine muslimischen Kinder gibt, wird es ja so sein, dass sie in der Zukunft in einer Gesellschaft leben, die multi-religiös ist. Und von daher brauchen alle Kinder, die derzeit aufwachsen, eine Grundkompetenz, um die jeweils andere Religion zu verstehen."
Und genau dies sei, so der Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger, ein wichtiger Baustein für ein friedliches zukünftiges Miteinander.
"Diese Kinder werden dieses Jahrhundert prägen. Es kommt darauf an, dass diese Kinder so aufwachsen, dass sie von vornherein Verständigung lernen, die Würde und die Achtung vor der jeweils anderen Religion."
Damit das gelingt, müssen vor allem die kirchlichen Kindergarten-Träger über ihren Schatten springen und nicht ihrerseits Barrieren aufbauen. So kann sich Frank Jansen, Geschäftsführer des Bundesverbandes katholischer Tageseinrichtungen für Kinder, sogar vorstellen, muslimische Erzieherinnen an katholischen Kindergärten zu beschäftigen.
"Also wenn wir beispielsweise eine Kindertageseinrichtung haben, in der wir über 60 Prozent Kinder mit muslimischem Hintergrund haben, müssen wir darüber nachdenken, ob es nicht erforderlich ist, eine muslimische Erzieherin auch einzustellen, die diese Kinder in ihrer religiösen Bildung begleiten kann. Wir sind da offen in der Diskussion auch mit den Bischöfen."
Bleiben die Vorbehalte mancher Eltern: Nicht alle Eltern mit christlichem Bekenntnis finden es gut, wenn ihre Kinder mit der Kita-Gruppe eine Moschee besuchen. Und nicht alle muslimischen Eltern sind begeistert, wenn ihre Kinder eine Kirche von innen ansehen.
Auch Alexandra Class vom Kindergarten St. Rita in Reutlingen sah sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit solchen Bedenken der Eltern konfrontiert.
"Da waren einfach so Berührungsängste da: Wie gehe ich mit der anderen Religion um? Wir haben die Eltern dann einfach ins Boot geholt und gesagt: Gehen Sie einfach mit und schauen Sie es mit an. Und wenn es Ihnen zu viel wird, dann gehen Sie. Und es waren alle immer begeistert."