Südafrika will mit einem Eil-Antrag vor dem Internationalen Gerichtshof erreichen, dass Israel mehr humanitäre Hilfe für den umkämpften Gazastreifen zulässt. Die Regierung in Pretoria begründet dies mit einer "weit verbreiteten Hungersnot" in dem abgeriegelten Küstenstreifen. Bereits Ende Dezember hatte Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen angeblicher im Gaza-Krieg begangener Verstöße gegen die Völkermordkonvention verklagt.
Südafrika verbindet mit den Palästinensern eine historisch gewachsene Freundschaft, erklärt ARD-Korrespondent Stephan Ueberbach. Viele Südafrikaner fühlten sich an den eigenen Kampf gegen das Apartheidregime erinnert. Die Palästinenser würden vom "Apartheidstaat" Israel genauso unterjocht wie einst die Südafrikaner vom weißen Regime, argumentieren sie.
Die Regierungspartei ANC unterhält seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu palästinensischen Organisationen. Nelson Mandela traf nach seiner Freilassung mehrfach den damaligen Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat. 1997 sagte Mandela als Präsident Südafrikas: "Wir wissen nur zu gut, dass unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit der Palästinenser."
Dennoch pflegte der ANC auch pragmatische Beziehungen zu Israel - etwa in Handelsfragen. In dem Land leben zudem viele jüdische, fast ausschließlich weiße Südafrikaner. Angesichts des aktuellen Nahost-Krieges hat die Partei jedoch den Ton gegenüber Israel massiv verschärft. Im November zog Präsident Ramaphosa Diplomaten aus Tel Aviv ab. Das Parlament in Pretoria stimmte außerdem dafür, die israelische Botschaft zu schließen, was bis jetzt allerdings nicht umgesetzt wurde.
Große Unterstützung in Südafrika
Der Versuch, Israel mit einem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof dazu zu bringen, den Krieg im Gazastreifen zu beenden, bekam in Südafrika viel Unterstützung. So wurde ein Team von südafrikanischen Rechtsanwälten nach der Rückreise aus Den Haag auf dem Flughafen von Johannesburg von vielen Menschen begeistert empfangen. Für die Regierungspartei ANC scheint sich der Gang vor den Internationalen Gerichtshof demnach auch innenpolitisch auszuzahlen, meint ARD-Korrespondent Ueberbach. Im Frühjahr wird in Südafrika ein neues Parlament gewählt.
Kritiker werfen dem ANC in diesem Zusammenhang vor, von Problemen im eigenen Land abzulenken - etwa von der hohen Arbeitslosigkeit. Zudem schürten Politiker Antisemitismus in der Bevölkerung. Die Direktorin der Dachorganisation Jewish Board of Deputies, Kahn, beklagt, dass sich die Situation für die jüdische Minderheit in Südafrika in den vergangenen Monaten verschärft habe. So habe es mehrere Übergriffe auf Juden gegeben - etwa am Rande von Pro-Israel-Demonstrationen.
Schon vor dem Gaza-Krieg hatte es in Südafrika regelmäßig Proteste von Palästina-Unterstützern gegeben, die unter anderem einen Boykott von israelischen Produkten in Supermärkten forderten.
Diese Nachricht wurde am 07.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.