
Die Koalitionsverhandlungen stehen schon seit Beginn unter keinem guten Stern: Zu den weltweiten Krisen wie dem Ukraine-Krieg mit Auswirkungen auch auf die deutsche Wirtschaft kommen jüngst noch Trumps Zoll-Politik und die immer weiter steigenden Umfragewerte der AfD hinzu.
Was vermissen die Kritiker?
Die Hauptkritik besteht darin, dass kein großer Wurf zu erkennen sei. So spricht Arbeitgeberpräsident Dulger von zu viel "Klein-Klein" in den Gesprächen; der Deutsche Landkreistag sieht "kein Licht am Ende des Tunnels". Union und SPD klammerten entscheidende Fragen aus und "verschieben sie auf den Sankt Nimmerleinstag", hieß es von dort.
Als "völlig unzureichend" bezeichneten rund 100 Wirtschaftsverbände die bisher bekanntgewordenen Ergebnisse. Ohne tiefgreifende Reformen werde es keinen nachhaltigen Aufschwung geben. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Fratzscher, macht CDU/CSU und SPD gar für die steigenden AfD-Umfragewerte verantwortlich. Die Gespräche zeigten, dass es "an Mut und einem klaren Kompass" mangele.
Wie sieht es die Parteibasis?
Auch an der Basis rumort es. Der größte Verband der Jungen Union in Deutschland etwa, die JU Köln, schreibt in einem Antrag für den Kreisparteitag der dortigen CDU am Wochenende von "großer Beunruhigung und wachsendem Unmut" sowie einem "politischen Desaster" angesichts der bisherigen Ergebnisse für eine Bundesregierung mit der SPD. In dem Schreiben heißt es: Wenn nichts von den Versprechen im Wahlkampf umgesetzt werde, "stehen wir vor Ort als Lügner da". Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" könnte der Brief an Kanzlerkandidat Merz und die Bundestagsfraktion im Namen der gesamten Kölner CDU verschickt werden. Dann hätte er mehr politisches Gewicht.
Auch anderswo mehrt sich die Kritik. Aus dem Wahlkreis des CDU-Vorsitzenden Merz berichtet ein Kommunalpolitiker dem "Tagesspiegel" von Verstörung angesichts des "Politikwechsels" des Kanzlerkandidaten in der Finanzpolitik. Die Basis in Sachsen ist darüber teils besorgt, teils verärgert, berichtet Alexandra Gerlach für unser Programm. Der Landtagsabgeordnete Eppinger beispielsweise stört sich vor allem an der Abstimmung zur Schuldenbremse mit dem alten Bundestag. Sie ist nach seinen Worten eine "absolute Katastrophe für die Demokratie".
Wie die SPD-Basis zu den Ergebnissen steht, wird der Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag zeigen.
Was halten die Verhandler dagegen?
Die möglichen Bündnispartner sehen sich trotz aller Schwierigkeiten auf dem richtigen Weg. SPD-Co-Chef Klingbeil erklärte im ZDF, er sei überzeugt, dass man eine stabile Regierung bilden werde, die die großen Probleme dieser Zeit anfasse. Der Vorsitzende der CSU, Söder, versprach, man werde vieles grundlegend verändern. Auch "kräftig einsparen" wolle man. Söder nannte allerdings keine konkreten Summen.
Es sei aber überhaupt erstaunlich, dass sich die beiden inmitten der Verhandlungen in einer Talkshow gezeigt hätten, analysiert Deutschlandfunk-Korrespondent Frank Capellan. Das mache deutlich: "Man will signalisieren: Man kommt voran".
Was ist inhaltlich noch umstritten?
Inhaltlich aber scheint noch Etliches offen. Deutschlandfunk-Korrespondentin Katharina Hamberger macht vor allem das Thema Asyl und Migration als Streitpunkt aus - und zwar in seiner ganzen Breite von Fachkräfteeinwanderung bis zur Zurückweisung an den Grenzen. Der zweite Brocken sei die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Hier sei man sich zwar einig, dass man Steuern senken wolle, die Frage sei aber noch für wen: Die Union wolle Steuersenkungen für alle, die SPD den Spitzenstseuersatz anheben und eine Vermögenssteuer einführen. Dazu komme die große Frage: "Wo will man einsparen?"
Dennoch versuchen die Gesprächspartner laut der Journalistin zu vermitteln, dass "man nicht nur zusammenarbeitet, weil man muss", sondern dass auch ein gemeinsamer Geist dahinter steckt. "Das ist allerdings noch nicht ganz so zu spüren", findet Hamberger.
Diese Nachricht wurde am 04.04.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.