Der Absturz
Abgestürzt ist am frühen Mittwochabend ein Geschäftsreiseflugzeug vom Typ Embraer Legacy, das regelmäßig von Prigoschin und seiner Privatarmee Wagner genutzt wurde. Die Maschine war von Moskau auf dem Weg nach St. Petersburg. Der Absturzort Kuschenkino liegt im nordrussischen Gebiet Twer nahe dem Waldai-See, wo auch Putin eine Residenz hat. In der Gegend sind eine Militärbasis und eine Flugabwehreinheit stationiert.
Die Embraer verlor um 18:19 Uhr Ortszeit, eine halbe Stunde nach dem Start, massiv an Höhe. Innerhalb einer halben Minute sank das Flugzeug nach Angaben von Flightradar24 um gut zwei Kilometer. Dann hielt es sich einige Sekunden auf der Höhe von rund sechs Kilometern, ehe es abstürzte. Vorher gab es keine Auffälligkeiten beim Flug.
Augenzeugen sprachen von zwei lauten Explosionen vor dem Absturz. Die Trümmer liegen weit verteilt, was für ein Auseinanderbrechen des Flugzeugs vor dem Aufprall spricht. Spezialisten untersuchen die Absturzstelle. Russlands Ermittlungsbehörden haben ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr eingeleitet.
Die Insassen
Auf der von der Luftaufsichtsbehörde bereitgestellten Passagierliste, die demnach von der Fluggesellschaft stammt, stehen zehn Menschen. Darunter ist neben Prigoschin selbst auch der Wagner-Kommandeur Utkin, der als militärischer Anführer der Wagner-Truppe gilt. Der russische Zivilschutz teilte mit, alle Insassen seien ums Leben gekommen. Eine offizielle Identifizierung der insgesamt zehn Absturzopfer durch russische Behörden steht noch aus.
Russlands Präsident Putin bestätigte indirekt den Tod von Prigoschin. Bei Äußerungen am Donnerstag sprach er über ihn in der Vergangenheitsform und sagte, er sei ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal gewesen, der ernsthafte Fehler gemacht habe. Den Angehörigen sprach Putin sein Beileid aus und kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an.
Prigoschin, der lange als Günstling von Präsident Putin galt, war durch die Beteiligung der Wagner-Truppe an der Eroberung Bachmuts im Osten der Ukraine zu einem der bekanntesten Männer Russlands aufgestiegen. Er kritisierte aber auch Moskaus Militärführung und führte vor zwei Monaten eine Revolte gegen die russische Führung an. Putin bezeichnete den Aufstand als "Verrat". Für die Beendigung der Revolte sicherte ihm der Kreml Straffreiheit bei einer Ausreise nach Belarus zu.
Der Hintergrund
Weitgehend unklar ist bislang die Absturzursache. Darüber gibt es bislang nur Spekulationen. Die USA gehen Insidern zufolge davon aus, dass die Maschine durch eine Luftabwehr-Rakete abgeschossen wurde. Die Rakete sei demnach innerhalb Russlands abgefeuert worden, erfuhren mehrere Nachrichtenagenturen aus US-Kreisen. Auch der Prigoschin nahestehende Telegram-Kanal Grey Zone schrieb von einem Abschuss des Flugzeugs durch die Flugabwehr. Der russische Telegram-Nachrichtenkanal Shot beruft sich wiederum auf Ermittlerkreise und vermutet eine Bombe im Bereich des Fahrgestells.
Der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott sagte im Deutschlandfunk, er halte es für die wahrscheinlichste Variante, dass Putin hinter dem Absturz stecke. Der russische Präsident habe vermutlich in die Tat umgesetzt, was er wiederholt angekündigt habe, nämlich Verrat nicht zu verzeihen. Bundesaußenministerin Baerbock warnte amDonnerstagmorgenim Deutschlandfunk vor Spekulationen. Später sagte sie, es sei kein Zufall, dass die ganze Welt auf den Kreml schaue. US-Präsident Biden erklärte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist. In Russland passiert nicht viel, hinter dem Putin nicht steht." Der ukrainische Präsident Selenskyj wies eine Beteiligung der Ukraine zurück.
Eine Verschleierungsaktion Prigoschins, damit er von der Bildfläche verschwinden kann, kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Zumal schon zweimal voreilig über den Tod Prigoschins berichtet wurde. 2019 sollte er beim Absturz eines Frachtflugzeugs in Afrika, wo seine Wagner-Truppe aktiv ist, umgekommen sein. Im vergangenen Jahr wurde sein Tod im Osten der Ukraine vermeldet. Beide Male tauchte Prigoschin später wieder auf.
Weiterführende Informationen
In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
Diese Nachricht wurde am 24.08.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.