Nachhaltigkeit
Wie Amateurvereine von der EM profitieren

Der Anspruch der Europameisterschaft in Deutschland war möglichst nachhaltig zu sein. Das Turnier soll sportlich, ökologisch und gesellschaftlich Wirkung zeigen, auch an der Basis bei den Amateurvereinen.

Von Jessica Sturmberg | 15.07.2024
Ein Wimpel zeigt, dass der SSV Eintracht Lommersum sich am Klimafonds der UEFA beteiligte.
Der SSV Eintracht Lommersum profitiert vom Klimafonds der UEFA. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Es ist das Auftakttraining der ersten Herrenmannschaft des SSV Eintracht Lommersum. Auf dem Vereinsheim neben dem Platz prangt eine Solaranlage. Finanziert aus dem UEFA Klimafonds. Der hat insgesamt fast fünf Millionen Euro an 190 Vereine in Deutschland gezahlt, damit sie sich für den Klimaschutz besser aufstellen.
Sven Held ist der zweite Vorsitzende im Verein, und er findet, dass ein solches Projekt genau das unterstützt, was für die Basis wichtig sei – ernst genommen zu werden als Seele des Fußballs: "Daher glaube ich schon, dass wir, wenn wir auf diese Anlage gucken, uns immer wieder an dieses Turnier erinnern können."
"Die wird immer präsent sein, weil wir halt auch sparen und wir haben auch viel positives Feedback von Spielern und Eltern bekommen, dass wir in dem Bereich etwas machen“, ergänzt Geschäftsführer Marc Peil.
Drei Mitglieder der SSV Eintracht Lommersum lachen in die Kamera.
Geschäftsführer Marc Peil, Elektroinstallateur und Spieler Björn Bensberg und der zeite Vorsitzende Sven Held sind stolz auf das Solardach auf ihrer Vereinsheim. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Innenverteidiger Björn Bensberg aus der Mannschaft ist Elektrotechniker, seine Firma hat die PV-Anlage installiert und er ist: „Stolz auf jeden Fall, weil das der Verein ist, für den ich seit Kind auf spiele und da so eine Anlage umzusetzen, freut mich, dass ich so was machen darf.“

Förderprogramm mit wenig Bürokratie

24.800 Euro hat die Anlage gekostet, der Eigenanteil lag bei knapp 2.500 Euro. Es lief alles mit wenig bürokratischem Aufwand, schwärmt Geschäftsführer Marc Peil, der Verein habe das Geld vorab bekommen, was bei vielen Förderprogrammen sonst nicht der Fall ist.
Mitten im EM-Turnier konnte die Anlage in Betrieb gehen und hat in den ersten zwei Wochen bewirkt, dass kein Strom mehr aus dem Netz bezogen werden musste. Und das obwohl viele Kühlanlagen im Vereinsheim stehen, die regelrechte Stromfresser sind. Um die 1.200 Euro werden sie im Jahr bei der SSV Eintracht Lommersum sparen. Geld, das in Zukunft anders eingesetzt werden kann.
Zwischen den Bäumen ist die Solaranlagen auf dem Dach des Vereinsheim des SSV Eintracht Lommersum zu sehen.
Bei der SSV Eintracht Lommersum wird über die Solaranlage jetzt Strom produziert. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)

Nachhaltigkeit ist bei den Vereinen ein Thema

Im Fußballballverband Mittelrhein ist der Verein einer von fünf, der Geld aus dem Klimafonds bekommen haben, sagt Präsident Christos Katzidis. Es wären vielleicht noch mehr gewesen, denn Nachhaltigkeit sei bei den Vereinen ein großes Thema und viele würden gerne investieren:
„Nur oft können sie das nicht. Wenn man sich mal die Sportplätze anschaut und vor allen Dingen aber auch die Vereinsheime, die oft sanierungsbedürftig und nicht nachhaltig sind. Problem: Gerade in den städtischen Ballungsgebieten sind die Städte, Kommunen und Gemeinden Eigentümer und die investieren nicht so in Nachhaltigkeit."
Wenn die Anlagen dagegen den Vereinen gehören, sind die oft nachhaltiger, stellt Katzidis fest. Wenn die Bundesregierung ein solches Nachhaltigkeitsziel ausgibt, sollte sie auch dafür sorgen, dass sich auf der kommunalen Ebene etwas bewegt, findet der Regionalverbandspräsident.

EM 2024 - so nahbar wie nie

Was Katzidis im sportlichen Bereich gelungen findet, ist die positive Ausstrahlung des Turniers. Seit der EM 2016 in Frankreich war ein Fußballgroßereignis nicht mehr so nahbar. „Ein positives Bild vom Fußball zu zeichnen, denn was wir gesehen haben, ist bis auf ein paar ganz wenige Ausnahmen in den Innenstadtbereichen, in den Stadien alles superfriedlich gewesen. Das zeigt ja auch, dass der Fußball verbindet, weil man ja auch mit vielen Menschen aus anderen Ländern in Kontakt kommt und das gibt dann auch nochmal einen Motivationsschub für alle Ehrenamtlichen bei uns.“
Um noch mehr Mitglieder müssen die meisten Vereine gar nicht unbedingt werben, der Zulauf ist seit Jahren positiv, auch im Fußballverband Mittelrhein: „Da ist es tatsächlich so, dass wir in der Langzeitperspektive in den letzten 10 Jahren einen Zuwachs von 25 Prozent hatten, die höchsten Zuwachsraten haben wir bei den jungen Mädels unter 11 Jahren. Also da brauchen wir das Turnier nicht zwingend, aber es ist nochmal fördernd.“

EM-Schwung fürs Ehrenamt mitnehmen

Was sich Katzidis dagegen von der EM-Begeisterung im Nachgang erhofft, ist, dass sich wieder mehr Menschen im Ehrenamt bei den Vereinen engagieren. Das hat im Vergleich zu den Mitgliederzahlen abgenommen. Und er hofft auch, dass der leichte Aufwärtstrend bei der Gewinnung von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern weiter geht.
„Aber das ist eine generelle Aufgabe nicht nur von uns als Verband, dass ein entsprechendes wertschätzendes und respektvolles Klima auf den Plätzen vorherrscht.“
Das sei noch zu oft nicht gegeben und da sieht FVM-Präsident Christos Katzidis auch einige Vereine mit in der Verantwortung: „Es gibt leider auch immer wieder Vorstände, Spieler, Trainer, die da keine Vorbilder sind und da müssen wir hinkommen.“

Kommt die Anti-Mecker-Regel auch für den Amateurfußball?

Wenn das im Profifußball dauerhaft eine positive Vorbildfunktion entfalte, könnte das auch in den Amateurbereich ausstrahlen. Im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Vereine freiwillig dazu verpflichtet, die Regelung zu übernehmen, auch wenn die Schiedsrichter keine Möglichkeit haben, Verstöße zu sanktionieren. Diana Räder-Krause leitet den Fußballkreis Vorpommern-Greifswald und ist skeptisch. Sie hätte lieber gewartet, bis es offiziell auf oberster Ebene beschlossen wird.
„Die werden wahrscheinlich diese Regel, weil es ja erfolgreich läuft, umsetzen, dann über den DFB, dann wird es wahrscheinlich runtergebrochen auf die Landesverbände und die Kreisverbände. Wenn das dann da ist, haben wir dann auch Sanktionsmöglichkeiten, so wie es jetzt auch ist bei der EM und dann hat es auch Wirkung.“
Das wäre dann auch ein Erbe dieser EM, die insgesamt zwar nicht als Sommermärchen, aber als eine EM mit einigen guten Ideen und Anstößen in die Geschichte gehen wird.