![Ein Junge läuft hinter dem Grenzzaun entlang, der in Ceuta die marokkanische von der spanischen Seite trennt. Ein Junge läuft hinter dem Grenzzaun entlang, der in Ceuta die marokkanische von der spanischen Seite trennt.](https://bilder.deutschlandfunk.de/c4/dc/f6/eb/c4dcf6eb-7573-4ad0-bbb1-89f4ab80728a/eu-asylrechtsreform-100-1920x1080.jpg)
FDP-Chef Lindner hat seine ehemaligen Koalitionspartner SPD und Grüne für das Erstarken der AfD verantwortlich gemacht. Dabei verwies er gestern im Bundestag unter anderem darauf, dass sie die Begrenzung der Migration verweigert hätten. Die Bundesregierung von SPD und Grünen indes sprach zuletzt von "sichtbaren Erfolgen" dabei, die irreguläre Migration nach Deutschland zu reduzieren. Laut Regierungssprecher Hebestreit gingen die Zahlen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurück.
Grünen-Kanzlerkandidaten Habeck legte einen Zehn-Punkte-Plan für die Begrenzung von Migration vor. Die AfD fordert konsequente Grenzschließungen und Unions-Fraktionsvize Spahn (CDU) meinte: "Die deutschen Grenzen müssen für irreguläre Migration geschlossen werden."
"Je schärfer das Grenzregime, desto mehr Migranten wollen dauerhaft bleiben und ihre Familien nachholen"
Experten wie der niederländische Migrationsforscher Hein de Haas äußern sich immer wieder skeptisch zu solchen oder ähnlichen Äußerungen. Einst durften Marokkaner, Tunesier und Algerier frei nach Südeuropa einreisen, fanden dort Arbeit für ein paar Monate und kehrten anschließend in die Heimat zurück, schreibt de Haas in seinen Abhandlungen: "Diese zirkuläre Migration fand ein Ende, als Anfang der Neunzigerjahre für nordafrikanische Länder eine Visumpflicht eingeführt wurde. Nun entschieden sich Migranten, dauerhaft etwa in Italien zu bleiben."
So sei es auch im Fall vieler Lateinamerikaner in den Vereinigten Staaten gewesen: "Je schärfer das Grenzregime wurde, desto mehr Migranten entschieden sich, dauerhaft zu bleiben – und ihre Familien nachzuholen."
Türkei-Deal bewirkt einen Wasserbett-Effekt in der Zuwanderung
Grenzen komplett dicht zu machen, ist aus Sicht des Amsterdamer Soziologen schlicht unmöglich. Dazu müsste man Europa in ein zweites Nordkorea verwandeln, führte er in einem Gespräch mit dem Magazin Der Spiegel aus.
Wenn die Grenzen nur an einzelnen Stellen geschlossen werden wie etwa durch das Flüchtlingsabkommen der Europäischen Union mit der Türkei, sorgt das letztlich dafür, dass sich Flüchtlinge und Migranten andere Weg suchen. Hein de Haas beschreibt das mit dem Bild eines Wasserbetts: Drückt man an einer Stelle das Bett runter, geht es an einer anderen hoch.
"Ohne verbindliche Regeln zur Registrierung, zur Grenzkontrolle geht es nicht"
Für de Haas' Hildesheimer Kollegen Hannes Schammann müsste die Hauptbotschaft in der Debatte sein, dass eine hundertprozentige Steuerung von Migration nicht funktionieren kann. Und auch die österreichische Migrationsforscherin Judith Kohlenberger führt aus, dass hundertprozentige Migrationssteuerung, selbst durch besonders restriktive oder vermeintlich abschreckende Maßnahmen nicht möglich sei.
Der Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München, Ulrich Becker, betont indes, ohne verbindliche Regeln zur Registrierung, zur Grenzkontrolle, zum Verfahren und zur Verteilung von Zuwandernden in Europa gehe es nicht. Auch Stefan Luft warnt, den Schluss zu ziehen, die Politik müsse ihren Kontroll-und Steuerungsanspruch aufgeben, "würde die politische Polarisierung weiter vorantreiben."
Diese Nachricht wurde am 12.02.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.