Was haben die britische Insel Isle of Man, Nepal, Nordkorea, Haiti, Mauretanien und Deutschland gemeinsam? Sie gehören zu den wenigen Orten auf der Erde, in denen es noch keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt.
Hierzulande ist die Forderung nach „Tempo 130“ für manche immer noch ein Reizthema. Dabei gilt auf der Autobahn der Grundsatz: Je langsamer die Geschwindigkeit, desto besser für Umwelt und Sicherheit.*
In der Bundesregierung gibt es dennoch unterschiedliche Haltungen dazu. Grüne und SPD sind dafür, die FDP ist dagegen. Durch die wahrscheinliche Verfehlung von Klimazielen und hohe Energiepreise kommt die Debatte darüber immer wieder auf die politische Agenda. Ende November 2023 setzte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg die Ampelkoalition zusätzlich unter Druck.
Auf eine Klage von Umweltverbänden hin verurteilte das Gericht die Bundesregierung zu Sofortprogrammen für die Sektoren Verkehr und Gebäude, um die Klimaschutzziele bis 2030 zu sichern
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- Wie viel CO2 könnte durch ein Tempolimit eingespart werden?
- Welchen Einfluss hätte ein Tempolimit auf die Luftqualität?
- Wie stark schont ein Tempolimit den Geldbeutel?
- Welche weiteren Vorteile hat ein Tempolimit?
- Wer ist für und wer gegen ein Tempolimit?
- Wie reagiert die Bundesregierung auf das aktuelle Urteil?
Wie viel CO2 könnte durch ein Tempolimit eingespart werden?
Ein generelles Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf Bundesautobahnen könnte die Treibhausgasemissionen jährlich nach Angaben des Umweltbundesamts um 4,2 Prozent oder rund 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr verringern.
Je geringer das Tempolimit, desto höher das jährliche Einsparpotenzial. Wenn zusätzlich Tempo 80 auf Außerortsstraßen gelten würde, wäre laut Umweltbundesamt insgesamt eine Minderung von 5,1 Prozent beziehungsweise bis zu rund 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr möglich
Wie viel emittiert der gesamte Verkehrssektor? Weil durch Corona das Verkehrsaufkommen zeitweise gesunken war, hier ein Vergleich mit dem Vorpandemie-Jahr 2019: Damals war der deutsche Verkehrssektor für rund 164 Millionen Tonnen Treibhausgase (berechnet als CO2-Äquivalente) verantwortlich und trug damit rund 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei.
Welchen Einfluss hätte ein Tempolimit auf die Luftqualität?
Verbrennermotoren erzeugen eine ganze Palette unterschiedlicher Abgase, die die Luftqualität mehr oder weniger stark belasten – zum Beispiel Stickoxide (NOx) wie Stickstoffdioxid (NO2), aber auch Feinstaub (PM10). Stickoxide, die aus dem Verkehrsbereich freigesetzt werden, können in Kombination mit starker UV-Strahlung die Ozonwerte in der Atmosphäre ansteigen lassen.
Ab ungefähr 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft löst das Gas Ozon beim Menschen verstärkt gesundheitsgefährdende Symptome aus – darunter Husten, Kopfschmerzen, tränende Augen und Schleimhautreizungen. Bei empfindlichen Personengruppen - Asthmatiker, Senioren, Kinder - können solche Folgen schon ab etwa 100 Mikrogramm auftreten.
Was bedeutet das für den Autoverkehr? Schnelles Fahren sorgt nicht zwangsläufig für mehr Schadstoffe. Ein Tempolimit kann dennoch einen reduzierten Ausstoß von beispielsweise Stickstoffdioxid bewirken. Allerdings führt das Bundesumweltamt dies auf einen Nebeneffekt zurück: Bei konstanter Geschwindigkeit wird weniger beschleunigt.
„Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass auch die Qualität des Verkehrsflusses einen großen Einfluss auf die Luftschadstoffbelastung hat. Kann eine Verstetigung des Verkehrsflusses erreicht werden, sind auch deutliche Reduktionen der Luftschadstoffe möglich“, schreibt das UBA in einer Untersuchung. Durch die gleichmäßigere Geschwindigkeit würden sogenannte Staus aus dem Nichts auf Autobahnen außerdem wahrscheinlich seltener.
Wie stark schont ein Tempolimit den Geldbeutel?
Mit zunehmender Geschwindigkeit erhöhen sich der Luft- und Roll-Widerstand eines Fahrzeugs. Wer mit 120 statt mit 100 Kilometern pro Stunde fährt, verbraucht damit laut Umweltbundesamt zusätzliche 15 Prozent Benzin für die gleiche Wegstrecke. Der Spritverbrauch steigt bei hohen Geschwindigkeiten exponentiell an.* Wer 160 statt 100 Kilometern pro Stunde fährt, verbraucht damit in manchen Verbrennern bereits die doppelte Menge an Benzin für die gleiche Fahrstrecke, ordnet der ADAC ein.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes würde beispielsweise ein Tempolimit von 100 Stundenkilometer auf Autobahnen (und zusätzlich 80 Stundenkilometer außerorts) deutschlandweit zu einer jährlichen Spritersparnis in Höhe von 3,5 bis 4,2 Milliarden Euro führen – abhängig davon, wie viele Menschen sich tatsächlich an die Vorgabe halten.
Welche weiteren Vorteile hat ein Tempolimit?
Verkehrssicherheit: Langsamer ist sicherer. Je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto länger dauert es, bis es auf null runtergebremst werden kann. Zahlen aus dem Unfallatlas der statistischen Ämter des Bundes zeigen: Je eine Milliarde gefahrener Kilometer sind auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit 0,95 Todesfälle zu verzeichnen. Auf Abschnitten ohne Tempolimit sind es 1,67 Unfälle mit Todesopfern – und somit rund 75 Prozent mehr.
Weniger Stress: Wer auf der linken Spur ein anderes Auto überholen möchte und dabei 130 fährt, wird immer wieder von hinten bedrängt, schneller zu fahren oder die Bahn freizugeben. Große Tempounterschiede sorgen für Stresssituationen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass ausnahmslos alle Drängler durch ein Tempolimit ihr Naturell ändern würden, aber zumindest bestünde zusätzliche Abschreckung durch das Gesetz.
Einfache Umsetzbarkeit: Um ein Tempolimit durchzusetzen, sind ein politischer Beschluss und eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung nötig. Zusätzlich müssten die bisherigen Beschilderungen auf den Autobahnen angepasst und Aufhebungsschilder entfernt werden. Die notwendigen Investitionen würden sich also in Grenzen halten.
Wer ist für und wer gegen ein Tempolimit?
Einer Umfrage des Umweltbundesamts zufolge spricht sich die Mehrheit der Deutschen deutlich für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen aus.
Gegen ein Tempolimit werden vor allem die Interessen der deutschen Automobilindustrie ins Feld geführt. „Es geht dabei um die Produktion von besonders schnellen, schweren und spritverschwendenden Fahrzeugen“, sagt Dlf-Wirtschaftsredakteur Georg Ehring. „Besonders diese Fahrzeuge werden von deutschen Herstellern stark verkauft – damit geht es auch um die Arbeitsplätze.“
Wie reagiert die Bundesregierung auf das aktuelle Urteil?
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenberg setzt die Regierung zusätzlich unter Druck – und die Reaktionen zeigen die grundsätzlichen Differenzen in der Ampel auch bei diesem Thema. Laut Gerichtsbeschluss wären als Maßnahmen für den Klimaschutz unter anderem denkbar: ein Tempolimit, die Streichung von Steuervorteilen für Diesel oder Dienstwagen oder eine neue Sanierungswelle für Gebäude. Doch das sind alles Streitthemen für die Ampel. Offenbar war sich die Bundesregierung zunächst nicht einig, ob sie gegen das Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgerichts einlegt.
Das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium teilte mit: „Das Gericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Die Bundesregierung wird die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen.“ Auch vom SPD-geführten Bauministerium hieß es, das Urteil werde geprüft. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hingegen, die Regierung werde Rechtsmittel einlegen.
jma, tei
*Wir haben eine Information zum Zusammenhang von Geschwindigkeit und Spritverbrauch präzisiert.