
Worum geht es im Lieferkettengesetz?
Formal handelt es sich bei dem Lieferkettengesetz um eine EU-Richtlinie. Unternehmen sollen stärker für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht genommen werden, etwa für Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltauflagen. Unter das Gesetz würden Unternehmen mit Sitz in der EU und ihre Mutterkonzerne mit mindestens 500 Beschäftigten fallen, die weltweit jährlich mindestens 150 Millionen Euro umsetzen. Das gleiche soll für Unternehmen gelten, die ihren Hauptsitz nicht in einem der Mitgliedstaaten haben, aber einen ebenso hohen Umsatz in der EU generieren.
Kleinere Firmen mit mindestens 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz müssten sich an die Vorschriften halten, wenn vom Umsatz mindestens 20 Millionen Euro in der Textilbranche, der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion oder der Gewinnung und Verarbeitung von mineralischen Rohstoffen generiert werden.
Wozu werden Unternehmen verpflichtet?
Unternehmen wären laut der Richtlinie verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln. Mögliche Folgen müssten sie verhindern, mildern, beenden oder beheben. Außerdem müssten sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette überwachen. Dazu zählen Lieferanten, Vertriebspartner, Transportunternehmen, Lagerdienstleister oder auch die Abfallwirtschaft. Bei Verstößen könnten Unternehmen Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes drohen.
Wie ist die deutsche Position?
Auch die Bundesregierung hatte sich ursprünglich für eine europäische Regelung eingesetzt, zwischen EU-Mitgliedstaaten und Europaparlament kam es zu einem Kompromissentwurf. In der Ampel-Koalition waren dann SPD und Grüne für eine Zustimmung, die FDP dagegen. Nach den Koalitionsregeln musste sich die Bundesregierung daher enthalten. Ein ursprünglich für Anfang Februar angesetztes Votum war verschoben worden, weil neben Deutschland auch Italien und einer Reihe kleinerer Länder nicht zustimmen wollten.
FDP-Fraktionschef Dürr betonte, die Richtlinie schwäche die europäische Wettbewerbsfähigkeit und überziehe die Unternehmen mit überflüssiger Bürokratie. Diese Haltung habe man gegenüber dem Europäischen Rat schon 2022 klargemacht. Bei Politikern von SPD und Grünen stieß die Haltung der Liberalen auf scharfe Kritik und wurde als kurzfristiges Umschwenken gedeutet.
Wie geht es jetzt weiter?
Wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt, ist die Zeit nun knapp, um das Gesetz noch vor den Europawahlen Anfang Juni zu verabschieden. Die belgische Ratspräsidentschaft kündigte an, weiter nach Lösungen zu suchen, was bislang jedoch als wenig aussichtsreich gilt. Ob die Verhandlungen nach den Wahlen mit einem neuen Europaparlament fortgesetzt würden, ist unklar.
Wie steht es um das nationale Lieferkettengesetz in Deutschland?
In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, auf die Einhaltung internationaler Standards zu Menschenrechten und Umwelt entlang der eigenen Lieferkette zu achten. Konkret geht es darin etwa um Kinderarbeit und Ausbeutung. Das Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1.000 in Deutschland Beschäftigten. Von der EU-Richtlinie wären also mehr Unternehmen betroffen.
Unternehmen müssen nach dem deutschen Gesetz im eigenen Geschäftsbereich sowie bei ihren direkten Zulieferern Risikoanalysen vornehmen sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen schaffen. Außerdem müssen sie jährlich einen Bericht über die Erfüllung von Sorgfaltspflichten vorlegen und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. Bei Verstößen drohen Bußgelder.